Klaus-Peter Behrens

Der Kater und sein Magier, 24

Als wäre er König Midas persönlich, stolzierte Mikesch mit hoch erhobenen Schwanz vorneweg in den Festsaal. Ein kurzer Fanfarenstoß begleitete unser Eintreten. Wir schritten vor bis zur Mitte der ausladenden Halle, deren Wände aus fein behauenem und mit Landschaftsszenen bemalten Steinen bestand. Inmitten der weitläufigen Halle stand eine großen Tafel in der Form eines U’s, an der die Gäste ausgiebig dinierten und sich die Backen mit Braten vollstopften, während emsige Bedienstete sie wie Bienen umschwirrten. Am Querbalken des U thronten der Sheriff, Salus und ein halbes Dutzend weiterer Würdenträger. Selbige musterten uns derart finster, als hätten wir gerade verkündet, die Staatskasse plündern zu wollen. Mit einem unguten Gefühl, das wohl alle außer Mikesch empfanden, traten wir bis zur Mitte des U vor und verbeugten uns tief. Lediglich Mikesch nahm sich hiervon aus, setzte sich statt dessen auf sein Hinterteil und legte den Schwanz um seine Vorderpfoten. Ich vermeinte, den Kater irgend etwas wie „Endlich mal vernünftiges Dosenfutter“ murmeln zu hören. Indes übernahm Hilly die Vorstellung unserer Truppe.

„Wir machen Euch unsere Aufwartung zu Eurem Ehrentag und hoffen, Euch mit unserer Vorführung unterhalten zu können“, säuselte sie.

Der fein heraus geputzte, übergewichtige Sheriff grunzte nur kurz, verlagerte sein Gewicht auf dem üppig gepolsterten Stuhl und furzte ausgiebig.

„Ist der mit dir verwandt?“, fragte Mikesch den Troll, worauf ich vor Schreck blass wurde. Der Kater war schlicht unmöglich. Doch zu unserem Glück hatte der Sheriff nichts mitbekommen. An seiner Seite saß Salus, der ihm gerade etwas ins Ohr flüsterte, so daß sich dessen Augen erstaunt weiteten.

„Von Euch habe ich schon gehört“, knurrte er daraufhin.

„Vermutlich nur das Beste, Euer Scheinheiligkeit“, maunzte Mikesch, worauf die Gäste erstaunt mit dem Kauen aufhörten. Ein sprechender Kater schien selbst in diesen Räumen eine Kuriosität zu sein.

„Ich sagte es Euch ja bereits, sie sind erstaunlich“, ließ sich Salus vernehmen.

„In der Tat. Wieso kann dieses Tier sprechen?“, verlangte der Sheriff zu wissen.

„Nun, es bedarf jahrelangen Trainings, um dies zu bewerkstelligen. Wenn Euch diese Kleinigkeit schon erstaunt, dann erlaubt uns jetzt, Euch mit unserer gesamten Vorstellung zu erfreuen“, schaltete ich mich ein, worauf der Sheriff mit einer lässigen, wedelnden Handbewegung uns aufforderte, loszulegen.

„Ich benötige zunächst zwei hochlehnige Stühle und eine Decke“, begann ich mit unserer Show. Nachdem man mir das Gewünschte gebracht hatte, positionierte ich die Stühle in einem Abstand von einem guten Schritt mit den Lehnen zueinander in der Mitte des U und forderte den Kater auf, sich zwischen die Lehnen auf den Boden zu legen.

„Ich werde nun dieses Tier verschwinden lassen.“

„Besser ist das“, brummte der Sheriff. Offenbar war er kein Fan von sprechenden Katern. Unbeeindruckt legte ich die Decke über die Stuhllehnen, assistiert von einer sich betörend bewegenden Hilly. Gemeinsam sorgten wir dafür, daß der Kater unter der Decke verschwand. Ungläubige Blicke und Getuschel begleiteten unser Tun. Ob es allerdings an Hillys aufreizender Art sich zu bewegen oder des Kuriosen unseres Wirkens lag, entzog sich meiner Kenntnis. Vermutlich war es beides.

„Nun werde ich das Tier verschwinden lassen“, kündigte ich das Unglaubliche erneut an. Mit theatralischer Anmut breitete ich die Arme aus und gab allerlei Unsinn von mir in der Hoffnung, daß das Ganze Eindruck machte. Dann fügte ich unauffällig die Formel für das Unsichtbarmachen ein und gab Hilly ein Zeichen, die mit einem Ruck die Decke wegzog.

Der Kater war verschwunden.

Ein ungläubiges Raunen ging durch die Halle angesichts der gähnenden Leere zwischen den Stuhllehnen. Zum Glück vernahm nur ich die leisen Schritte samtiger Pfoten, die sich ein Stück entfernten. Ich hoffte, daß sich der Kater an die Abmachung halten und sich vor den Querbalken des U setzen würde. Bekanntlich hielt der Zauber nur für kurze Zeit, und sein Auftauchen an diesem Ort hielt ich für besonders beeindruckend.

„Könnt ihr jede Person so verschwinden lassen?“, fragte der Sheriff interessiert. Offenbar schien er über eine neue Methode der Entsorgung unliebsamer Gegner nachzudenken.

„Nur für kurze Zeit. Ich werde den Kater nun direkt vor Eurer Tafel erscheinen lassen“, kündigte ich mit dramatischen Unterton an, wobei ich erneut mit den Armen herum fuchtelte und ominöse, sinnlose Wörter von mir gab.

Wie angekündigt, tauchte Mikesch tatsächlich wieder auf – allerdings mitten auf der Tafel mit dem Kopf in einer dampfenden Schüssel voll Hammelfleisch.

„Mahlzeit“, ertönte es dumpf aus der Tiefe der Schüssel, als eine fettleibige Dame am Tisch beim plötzlichen Auftauchen des Katers vor ihrer Nase hysterisch zu kreischen anfing. Mit einem eleganten Sprung und einem beachtlichen Stück Fleisch zwischen den Fängen gesellte sich Mikesch wieder zu uns, während die Gäste, nach dem sich der erste Ärger ein wenig gelegt hatte, den Auftritt mit verhaltenem Applaus quittierten.

„Geht’s dir noch gut“, fauchte ich den Kater an, der sich genüßlich die Schnauze leckte. Seine rechte Pfote lag fest auf dem dampfenden Stück Fleisch.

„Sicher, so lang es genug Fleisch gibt“, miaute er vergnügt. Ich stöhnte und beobachtete beunruhigt den Sheriff, der aussah, als litte er unter akutem Bluthochdruck.

„Ihr strapaziert unsere Gastfreundschaft“, knurrte er gereizt, während Salus uns finster musterte. „Wenn ihr noch mal etwas Ähnliches tun solltet, wird Sir Salus euch die Gelegenheit geben, euren Auftritt im Kerker fortzusetzen. Habt ihr das verstanden?“, bellte er.

Wir nickten ergeben. Dann kündigte Hilly den nächsten Teil des Programms an.

 

„Wer wagt es, gegen Gorgus, den stärksten Mann der Welt, in einem Schaukampf zur Unterhaltung des Sheriffs anzutreten?“, fragte Hilly. Auffordernd sah sie sich um. Die Begeisterung angesichts der Aussicht, von Gorgus die Hucke voll gehauen zu bekommen, hielt sich in Grenzen. Der Sheriff hingegen, schien Gefallen an einem deftigen Zweikampf zu finden.

„Salus, mein Guter. Mach mir die Freude und zeig diesem ungewaschenen Ungetüm, was ein Edelmann vermag.“

Aufmunternd schlug er dem so plötzlich ernannten Lebensmüden auf die Schulter und hinterließ dabei einen fettigen Handabdruck auf dem bisher makellosen Surcot. Salus hingegen, der plötzlich höchst unglücklich wirkte, schien hinsichtlich dessen, was ein Edelmann gegen solch ein Ungetüm zu tun vermochte, eine ziemlich klare Vorstellung zu haben, die da lautete:

Mit Anstand zu sterben.

Ihm war aber auch bewußt, daß er das Ansinnen nicht zurückweisen konnte, wollte er nicht sein Gesicht verlieren. Entsprechend blaß erhob er sich und schritt in das Halbrund.

„Nur mit den Händen“, erinnerte Hilly, als der Sheriff das Schwert ziehen wollte. „Es ist ja nur ein Spaß.“

Hö, hö, hö“, stimmte Gorgus zu.

„Nun macht schon, Salus“, forderte der Sheriff ihn auf. Mir drängte sich der Verdacht auf, daß auch Salus möglicherweise auf der Liste derjenigen stand, die der Sheriff gerne bei passender Gelegenheit entsorgt hätte. Salus hingegen hatte nicht die Absicht, sich zur Schlachtbank führen zu lassen. Mit einem metallischen Sirren zog er trotz Hillys Protest sein Schwert aus der Scheide und näherte sich tänzelnd dem wie ein Fels dastehenden Troll. Dabei lag eine finstere Entschlossenheit auf dem Gesicht des ganz in Schwarz gekleideten Ritters, die jeden anderen Gegner das Fürchten gelehrt hätte.

Es sei denn, der Gegner war ein Troll.

Mit böser Vorahnung beobachtete ich, wie Gorgus den Kopf schief legte und den heran tänzelnden Salus musterte wie ein Steinmetz einen rohen Felsen, kurz bevor er ihn in die richtige Form zu schlagen gedachte. Ich hatte berechtigen Anlaß zu der Vermutung, daß Salus kurz vor einer Rundumerneuerung stand. Einstweilen war selbiger aber noch ahnungslos und froher Hoffnung, den Gegner schnell erledigen zu können. Mit einer blitzschnellen Geraden, die direkt auf das Herz des vermeintlich behäbigen Trolls zielte, versuchte er, sich des Gegners zu entledigen. Dabei machte er eine erstaunliche Entdeckung.

Trolle waren verdammt flink.

Schneller als das Auge zu folgen vermochte, wich Gorgus zur Seite aus und packte zugleich mit seiner wie eine Schlange zustoßenden rechten Hand den Schwertarm des Gegners. Das Jaulen des Unglücklichen als sich die Pranke des Trolls unbarmherzig um sein Handgelenk schloß, erinnerte mich an Mikesch. Ungerührt der Klage des Gegners umfaßten Daumen und Zeigefinger der anderen Trollhand das Schwertblatt und brachen es mit einer Leichtigkeit am Heft ab, als handele es sich um einen Strohhalm. Dann folgte eine höchst einseitige Austeilung von Hieben, die allseitige Erheiterung fand, sah man vielleicht einmal von Salus ab. Ein Blick auf den Sheriff bestätigte mir, daß dieser es auch nicht allzu belustigend fand, wie sein erster Berater bearbeitet wurde.

Das reicht!“, brüllte er, als Gorgus gerade damit beschäftigt war, zum allgemeinen Amüsement mit Salus den Boden zu wischen. Allerdings hatte dieser es auch wirklich nötig, der Boden, nicht Salus wohlgemerkt. Angesichts des tobenden Sheriffs stellte der Troll seine Putzaktivitäten enttäuscht ein und half dem arg in Mitleidenschaft gezogenen Salus auf die Füße.

Hat Spaß gemacht?, fragte Gorgus den wie eine Esche im Sturmwind hin und her taumelnden und arg verstaubten Salus treuherzig. Leider war die Antwort unverständlich, da Salus wohl erst noch lernen mußte, sich ohne Zähne zu artikulieren.

„Wenn Euer Programm nicht bald besser wird, werdet ihr meines kennenlernen“, fauchte der Sheriff indes erbost. Sein Blick streifte Salus, der neben ihm seinen Stuhl derart mühsam erklomm, als müsse er die Steinhöher Nordwand bezwingen. Während der Sheriff ihm mitfühlend auf den Rücken klopfte und dabei dafür sorgte, daß der dort bereits befindliche Handabdruck Gesellschaft erhielt, drängte sich Mikesch nach vorne, um endlich seinen Teil zum Unterhaltungsprogramm beizusteuern.

 

„Euer Verbrämtheit, eigentlich wollte ich Euch ja ‘ne Nummer vom guten alten Jackson bringen, aber die Dumpfbacken meinen, es wäre besser, wenn ich ‘n Gedicht aufsage. Ihr mögt doch Gedichte, oder?“

„Das Lobgedicht auf Brutus den Brutalen ist ganz in Ordnung“, räumte der Sheriff ein. „Aber säusel mir bloß nicht die Ohren voll mit Blumen, unsterblicher Liebe und ähnlichem Unsinn. Das habe ich gerade erst von dieser Hobeltrine über mich ergehen lassen müssen.“

Überrascht horchte ich auf.

„Wie war das? Nobeline war hier?“, fragte ich und trat einen Schritt vor, was mir einen mißtrauischen Blick des Sheriffs einbrachte.

„Ihr kennt sie?“, fragte er mit einem Gesichtsausdruck, als hätte er auf etwas Ranziges gebissen.

„Ich habe von ihr gehört“, räumte ich vorsichtig ein.

„Nun, dann vermutlich nur Schlechtes. Ihre Gedichte waren grauenhaft. Meine Leute hätten sie im Wald, in Begleitung dieses Strauchdiebes lassen sollen. Aber wenigstens konnten wir bei dieser Gelegenheit auch einen Zwerg aus der verfluchten Bande der wilden Hilde schnappen. Er ist uns nun dauerhaft verbunden und genießt unsere tiefste Gastfreundschaft.“

„Was machte Nobeline denn im Wald?“, fragte ich vorsichtig nach, worauf der Sheriff gelangweilt abwinkte.

„Ist aus Finsterburg abgehauen, um freie Dichterin zu werden. Was für ein Unsinn, auch wenn dieser Strauchdieb und noch irgend so ein Schwachkopf in Finsterburg ihr Talent offenbar gelobt haben. Wir jedenfalls haben sie Gestern nach der ersten Strophe auf die Straße gesetzt und wollten zur allgemeinen Unterhaltung statt dessen den Strauchdieb hängen. Leider ist er uns entwischt. Ich hoffe nun für dich“, wandte er sich an Mikesch, „daß dein Gedicht besser ist. Unser Henker hat Langeweile!“

„Nun, von Brutus handelt es jedenfalls nicht, aber mit Mut hat es auch zu tun.“

Mit stolz geschwellter Brust trat Mikesch mit diesen Worten einen Schritt vor, setzte sich auf sein Hinterteil und blickte erwartungsvoll in die Runde. Neidvoll mußte ich zugestehen, daß es dem Kater gelungen war, sich sämtliche Aufmerksamkeit zu sichern. Selbst das Kauen schienen die Gäste für einen Augenblick vergessen zu haben. Vermutlich hatte noch keiner von ihnen einen dichtenden Kater gesehen. Damit hatten sie zumindest etwas mit mir gemein.

„Nun denn, ein Gedicht aus reiner Impro“, kündigte Mikesch indes sein Werk an und fing mit theatralischer, ins Miauen kippender Stimme zu dichten an.

Wer wagt es,

Rittersmann oder Knapp,

zu tauchen in den Abort hinab?

Ein empörtes Raunen ging durch den Saal, angesichts dieses beleidigenden Vorschlags. Doch der Kater ließ sich davon nicht beirren und fuhr ungerührt fort.

Drei schimmelige Silberlinge warf ich hinein,

und wer sie heraus holt, der ist ein Schwein.“

Genug!“, brüllte der Sheriff, der verärgert feststellen mußte, daß sich erstaunlich viele seiner Bediensteten und Gäste urplötzlich auf dem Weg zum Abort befanden. Selbst Salus war im Begriff, den Abstieg von seinem Stuhl zu wagen.

„Euer Auftritt ist beendet. Seht zu, daß Ihr von hier verschwindet“, fauchte der Sheriff erbost. Hilly verbeugte sich daraufhin galant und murmelte ein paar Worte des Dankes, dann wandte sie sich ab. Gemeinsam strebten wir dem Ausgang zu, der erfreulicherweise von keinen Wachen mehr flankiert war. Auch in der Vorhalle war kein Mensch zu sehen.

„Das dürfte uns das Umsehen ein wenig erleichtern“, stellte Hilly fest, nachdem das Tor in unserem Rücken mit einem dumpfen Knall ins Schloß gefallen war.

 

wird fortgesetzt

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