Lissy Margente

Wechseljahre

Wie traurige Mahnmale einer vergangenen Zeit hingen ihr die blonden Strähnen ins Gesicht. Die Haare wirr und stumpf, das Gesicht aufgedunsen von zu viel Alkohol, die Brüste schwer mit der Tendenz nach unten. An den Beinen das berühmte Krampfadergeschwader, nicht zu übersehen. Schon lange legte sie keinen Wert mehr darauf, gebräunte Beine zu haben und sich dafür zwei Mal in der Woche in das Sonnenstudio zu legen. Es war ihr egal, denn die Veränderungen, die sie überrannten, konnte sie nicht einmal ansatzweise verstehen. Wie sehr hatte sie sich geändert! Noch vor ein paar Jahren war Schönheit das Wichtigste gewesen, sie hatte alles dafür getan, schlank, blond und attraktiv zu wirken, braungebrannt, mit lackierten Fußnägeln in den hochhackigen Sandalen. Die Blicke der Männer auf sich ziehend, hatte sie es genossen, durch die Straßen zu gehen, selbstbewusst darunter nichts oder nur wenig anhabend, die halterlosen Strümpfe, den Tanga, den knappen BH. Es war eine herrliche Zeit, und sie meinte, es würde immer so bleiben. Wenn sie von ihren älteren Schwestern deren Klagen hörte, war sie davon überzeugt, dass sie das nicht treffen könnte. Nein – sie würde es ganz bestimmt schaffen, immer jung auszusehen, immer begehrenswert zu sein. Die ganze Mühe konnte doch nicht umsonst gewesen sein!

Nun sah in den Spiegel und sah eine Frau darin, die sie nicht kannte. Vom „Darunter“, das aus einem ausgeleierten Slip und einem Riesen-BH bestand, ganz zu schweigen. Es war nicht mehr ihr Körper, den sie da sah. Es war der Körper einer Fremden. Und diesen Körper zu schmücken, zu pflegen, dazu hatte sie nun überhaupt keine Veranlassung. Sie hasste ihren Hängebusen, hasste ihren Wabbelbauch, dem man jetzt die absolvierten Schwangerschaften ansah, hasste es, auf ihren Oberarmen und –schenkeln eine bislang nicht gekannte Orangenhaut zu entdecken. Es widerte sie an, wenn sie sich im Spiegel sah; konsequent vermied sie es, sich in einem Schaufenster spiegeln zu müssen.

Die Veränderung hatte sich schleichend vollzogen. Zuerst ein Kilo, dann noch eines und noch eines, und im Gegensatz zu früher waren alle Bemühungen erfolglos, diese wieder los zu werden. Die Haare waren dünner und spröder, es war unmöglich, eine Frisur daraus zu machen. Nur noch ab und zu bekam sie ihre Periode, ihr Bauch war aber stets geschwollen, als ob sie sie dauernd hätte. Verdauungsstörungen machten ihr zu schaffen, Durchfall wechselte sich mit tagelanger Verstopfung ab. Auf der Oberlippe begann ein zartes Bärtchen zu sprießen. Sie schwitzte unablässig, fühlte sich einmal aufgekratzt, dann wieder absolut deprimiert. Sie las Lektüre wie „Frei ab 40“ oder „Warum ab 40 Diäten ins Leere laufen“. Das alles tröstete sie wenig. Sie wollte ihren Körper zurück, für den sie so hart gearbeitet, für den sie auf so vieles verzichtet hatte.

Es war zwecklos. Sie hatte damit begonnen, dem Alter, der Veränderung davon zu laufen, indem sie zu joggen begann. Das taten doch alle ab 40. Aber die erhoffte Wirkung blieb aus, so oft sie auch hart gegen sich selbst war und nach einem anstrengenden Tag noch einige Kilometer lief.

Was war nun der Vorteil dieses „Wechsels“? Überall wurde diese Zeit als die schönste im Leben einer Frau propagiert, nur sie war nicht imstande, das nachzuvollziehen. Es ging ihr schlecht. Sie schleppte sich durch ihren Tag, mühsam kroch sie abends ins Bett, mit schmerzendem Rücken und brennenden Füßen. Morgens fühlte sie sich wie gerädert, Nächte wurden halb durchwacht, immer schwitzend.

Sie fragte sich, wann das ein Ende haben und sie wieder ein normales Leben führen könnte. Wie lange sollte das dauern, hatte der Arzt gesagt? Zehn Jahre? Sie sei noch zu jung für eine Hormontherapie? Na, klasse. Hatte der eine Ahnung! Überhaupt, Frauenärzte – die wissen nicht, wie sich das anfühlt! Ihr ganzes Leben hatte sie von unwissenden Männern bestimmen lassen. Es wurde nun Zeit, dass sie sich auf sich selbst besann.

Morgen wollte sie damit anfangen.


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