Schuppisser hat Jahr für Jahr in Erwartung eines nächsten Rekordbonus gelebt – will heißen regelmäßig über seine Verhältnisse. Swissleaks, Stellenabbau, Sparmaßnahmen … plötzlich bleibt der Zuschuss aus und er auf den hohen Lebenskosten sitzen.
Ende Januar wird ihm klar: teure Sportferien in St. Moritz liegen nicht drin. Für ein Chalet in der Lenk würde es knapp reichen, aber das kann man einer Gattin wie Anne nicht zumuten. Die Kinder ins Skilager schicken? Nur wenn alle Kindermädchen streiken! Also packt die Familie vor den Augen der Nachbarn das Skizeug in den Rover, braust Richtung Julier davon, wendet vor dem Walensee und parkt das Auto im Untergeschoss der Zivilschutzanlage Mützwil, deren Hauswart man mit einer kleinen Gefälligkeit bestochen hat. Im Schutz der Dunkelheit geht´s zurück zum in der Nähe geparkten Zweitwagen.
Da niemand etwas merken darf, die Lichtanlage nicht dauernd eingeschaltet werden kann und alle denken sollen, man weile im Reich des Jet-Sets, verkriecht sich die Familie im Partykeller, um dort 14 Tage bei Brot, Wasser und Tiefkühlkost zu verbringen. Einziger Lichtblick: Die täglichen Besuche der Putzfrau, welche den Briefkasten leert, die Zeitung bringt, allfällig vergessen gegangene Toilettenartikel sowie ein Ladegeräte fürs Notebook. Statt Selfies postet man Landschaftsbilder, für die Bräune muss das Solarium herhalten. Die Sauna ist der Zufluchtsort der frustrierten Tochter, ansonsten außer Betrieb. «Stellt euch einfach vor, wir wären eingeschneit», meint Schuppisser aufmunternd. «Dann könnten wir draußen herumtollen, Hubschrauber würden Pakete abwerfen und ganze Armeeeinheiten ausrücken um uns retten», reklamiert der Sohnemann. «Zudem hätten wir am nächsten Charity-Anlass etwas zu erzählen», ergänzt Anne.
So werden es quasi 14 Tage Winterschlaf. Am Freitag der letzten Woche schleicht sich die Ehefrau gegen Mitternacht hinaus, um die Familienkutsche samt Dachsarg zurückzuholen.
Dumm nur, dass Bibersack am Montagabend nach dem Squash fragt, weshalb Röbi zwar im Dracula-Club, bei der BMW-Party und dem White Turf angemeldet war, jedoch nirgends erschienen sei ... Dies hätte es bisher nie gegeben. Deshalb hätte man ihn vorsorglich von der Polizei suchen lassen. Überdies würde das Hotel Palace – nachdem ja nun ein tragisches Ereignis ausgeschlossen werde könne – die reservierte Suite gleich doppelt in Rechnung stellen, unter anderem wegen der entgangenen Champagnerkonsumation.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.03.2018.
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