Klaus-D. Heid

Irrtum!

„Geliebte!

Wie sehr ich Dich vermisse! Fühlst auch Du jenen pulsierenden Schmerz in Deinem Herzen, weil wir uns nicht in die Augen sehen können? Leidest auch Du tausend Qualen, weil unsere Lippen nicht in innigem Kuss verschmolzen sind? Geliebte! Meine Sehnsucht nach dir verbrennt mich und schreit die Götter um Hilfe an! Jede Minute, jede Stunde ohne Dich ist wie ein immer wiederkehrender Verlust allen Glücks. Unfähig, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen, wandere ich rastlos umher wie der wilde Tiger, der im eisernen Käfig nach Erlösung sucht. Und wenn diese Erlösung denn Tod heißen soll, dann lass mich für Dich sterben, mein entfernter Engel!

Des Glückes Schmied verlor seinen Amboss. Die Sonne verweigert ihr Licht und das Lachen der Kinder verblasst zu einem nichtssagenden steinigen Grau. Selbst die Bäume in unserem Garten klagen rauschend im Wind, weil auch sie mein Verlangen nach Dir spüren. Nichts ist mehr, wie es einmal war, als Du noch bei uns weiltest und uns mit Deinem fröhlichen Gesange berauschtest.

Oh Geliebte!

Das Herz in meiner Brust will nicht mehr schlagen. Ich fühle, wie langsam alle Kräfte schwinden, weil Du nicht bei mir bist! Mit jedem Atemzug meiner Lunge atme ich den Duft der Erinnerung ein, der doch immer mehr dem Geruch des Todes und der Trauer weicht.

Waren es nicht die Vögel, die Dich mit ihrem Zwitschern erheiterten, als unsere Trennung nahte? Sah ich nicht den Hauch eines Lächelns in deinem Gesicht, als wir den Zug der Wildgänse am Himmel beobachteten? Doch tröstet mich kein Vogelzwitschern und auch kein Zirpen der Grillen, denen Du so gerne lauschtest. Das alles ist mit meinem Schmerz verstummt, der sich ohne Dich zu einer unerträglichen Qual meines Siechens steigert.

Meine Geliebte,

die so weit am anderen Ende der Welt auf unsere letzte Vereinigung wartet! Vergib mir, dass noch Blut durch meine Adern fließt, wenngleich ich doch weiß, wie unglücklich Du sein musst. Vergib mir auch, dass ich Dir leider keine weiteren Schecks schicken kann, weil mein Konto soeben von der Bank gesperrt wurde. Zu meinem allergrößten Bedauern muss ich dich auch bitten, auf den Gebrauch der Kreditkarten zu verzichten, wenn Du nicht einer kriminellen Handlung beschuldigt werden willst.

So sei es denn die Erinnerung, die Dich fürderhin mit mir verbinden mag. Auf keinen Fall aber seien es weitere Briefe, die ich – auf den Rat meines Advokaten hin – ungeöffnet zurückschicken müsste.

Denkst du noch ab und zu an das verträumte kleine Sommerhaus, das ich Dir zu unserem zehnten Hochzeitstage schenkte? Denkst Du noch an all die vielen stürmischen Nächte, die wir darin verbrachten?

Ich habe unser Sommerhaus verkaufen müssen. Anbetracht der Vielzahl unserer Gläubiger blieb mir keine andere Wahl! Auch den Schmuck, den Dir meine Mama eist schenkte, überließ ich dem Pfandleiher, um nur einen kleinen Teil der Summe zu zahlen, die ich durch deine ausgeprägte Verschwendungssucht zu zahlen hätte!

Kurzum, meine geliebte Frau und gewesene Ehefrau:

Anbei findest du alle Papiere, die ich für unsere Scheidung benötige. Bitte unterzeichne schnell und ohne zu fragen, da gewisse Termine auf baldige Erledigung drängen. Auch von störenden Anrufen bitte ich Dich, abzusehen. Nur höchst ungern würde ich mich genötigt fühlen, alle Zahlungen für Deine Telefonrechnungen einzustellen.

In den nächsten Monaten werde ich nicht erreichbar sein, da ich mit meiner zukünftigen Geliebten die Wildnis der afrikanischen Steppe erkunden werde.

Vielleicht sende ich Dir von dort eine Postkarte als bleibende Erinnerung an mich.

G.“

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