Alfred Hermanni

Wulluwutsch und die Loreley

 

von Alfred Hermanni Alle Rechte vorbehalten 14.03.2018

 

Sieben Tage wanderte Wulluwutsch mit seinem Freund, dem Hund Henri nun schon gen Süden und kam zu einem Weg, der in Richtung eines kleinen Dorfes führte, welches er von weiten sehen konnte. Dort wollte er allerdings nicht hin, denn seit er aus dem Waisenhaus ausgerissen war, hatte er natürlich Angst davor, dass man ihn fand und zurückbringen würde, und in einem Ort war es schon möglich, dass man auf ihn und Henri aufmerksam wurde. Die Zeit im Waisenhaus war für Wulluwutsch nicht gerade schön. Da gab es ganz fiese Mitbewohner, die ihn ständig hänselten und auch schon mal verprügelt hatten, nur weil er rote, lockige Haare und Sommersprossen hatte.

Dorthin wollte er ganz bestimmt nicht zurück, außerdem würde man ihm seinen besten Freund Henri wegnehmen.

Also ließ er das Dorf links liegen und ging einen Feldweg entlang, der zu einem kleinen Wäldchen führte. Henri lief voraus und verschwand in dem Wald, während Wulluwutsch weiterging.

Plötzlich spürte er wie etwas seinen Kopf traf. Dann seinen Körper und wieder den Kopf. Wulluwutsch drehte sich um, sah aber niemanden. Dann traf ein kleiner Stein seinen Kopf und das tat richtig weh.

Plötzlich traten drei Jungen, die älter waren als er, hinter einem Busch hervor und warfen weitere Steine auf ihn. Wulluwutsch duckte sich, doch einige der Steine trafen ihn doch.

Hey, was soll das? Ich habe euch doch nichts getan. Hört auf!“, rief Wulluwutsch. Doch die Burschen dachten nicht daran und bewarfen ihn weiter.

Was wollt ihr von mir? Hört doch endlich auf. Aua, aua!“, schrie er, doch die bösen Buben verhöhnten ihn und ließen in ihrem üblen Treiben nicht nach.

Wulluwutsch wollte weglaufen, doch einer der Jungen, schnitt ihm den Weg ab und Wulluwutsch war nun zwischen den drei fremden Jungen gefangen.

Was willst du in unserer Gegend? Bist wohl ein Landstreicher. So etwas brauchen wir hier nicht“, raunzte der Junge und blickte Wulluwutsch ganz fies an.

Wulluwutsch wusste nicht was er machen sollte und ihm wurde Angst und Bange.

Dann sah er wie einer der Jungen einen Stein warf, der ihn zum Glück verfehlte. Derselbe Junge wollte einen weiteren Stein werfen, als er plötzlich laut aufheulte.

Henri hatte sich nämlich eingemischt und dem Jungen in den Po gebissen.

Henri begann nun ganz laut zu bellen und zu knurren.

Die Burschen bekamen es jetzt mit der Angst zu tun und rannten fort. Einer stolperte und riss seinen Kumpan mit zu Boden. Der Junge, der Wulluwutsch den Weg abgeschnitten hatte, wollte an ihm vorbei rennen, doch Wulluwutsch

stellte ihm ein Bein, sodass der fiese Bursche der Länge nach hinfiel, mitten in eine Pfütze. Ganz nass und völlig schmutzig rappelte er sich wieder auf und blieb vor lauter Angst stehen, denn Henri stand vor ihm und knurrte ganz böse.

Die anderen Burschen waren indessen weggelaufen und hatten ihren Kumpel im Stich gelassen. Ganz allein stand der jetzt da und blickte in alle Richtungen, doch von seinen fiesen Freunden war weit und breit nichts zu sehen. Jetzt stand er zwischen Wulluwutsch und Henri, ganz allein, ohne seine Kumpane, die sich einfach aus dem Staub gemacht hatten.

Anscheinend begriff er seine aussichtslose Lage, denn er begann zu schluchzen und zu weinen.

Er weinte ganz fürchterlich, denn Henri knurrte weiter.

Hierher, Henri!“, rief Wulluwutsch und Henri gehorchte.

Der Junge zitterte und hörte einfach nicht auf zu heulen.

Ist ja gut, hör jetzt endlich auf zu jammern“, sagte Wulluwutsch zu dem Burschen.

Nur langsam hörte der dann auf mit seinem Geheule und Wulluwutsch ging zu ihm.

Das war die gerechte Strafe dafür, dass ihr mich mit Steinen beworfen habt.

Jetzt kannst du auch sehen, welch feige Freunde du hast“, erklärte Wulluwutsch.

Entschuldigung, es tut mir leid was ich ich gemacht habe“, sagte der Junge mit bibbernder Stimme.

Jetzt verschwinde einfach und lass mich und meinen Hund in Ruhe. Und wage es nicht nochmal, uns mit Steinen zu bewerfen, sonst beißt mein Hund dir ins Bein“, drohte Wulluwutsch und der Junge machte, dass er davonkam.

Wulluwutsch streichelte Henri ausgiebig, war er doch froh, dass sein bester Freund ihm in der Not so tatkräftig zur Seite stand.

Du bist ein guter Hund, mein allerbester Freund“, lobte er Henri und machte sich weiter auf den Weg.

Mit seiner Ausrüstung und ein wenig Proviant erreichte er einen großen, breiten Fluss.

Wulluwutsch kam zu einer Brücke und las auf einem Schild: Rhein.

Henri, wir sind am Rhein, das ist der größte Fluss, nein, der größte Strom in Deutschland. So weit sind wir schon gekommen.“

Große Binnenschiffe und Ausflugsdampfer waren auf dem Rhein unterwegs.

Wulluwutsch schaute dem Treiben eine Zeitlang zu und ging mit Henri immer den Rhein entlang in Richtung Süden weiter.

 

*

 

Die Tage vergingen und Wulluwutsch wanderte mit Henri immer weiter, den Rhein an seiner rechten und Henri an seiner linken Seite.

Dann sah er ein Schild am Straßenrand auf dem stand: Loreley 2 Km.

 

Da möchte ich hin, dachte er, denn ihm fiel ein, dass er von Loreley schon gehört hatte, nur wusste er nicht mehr ganz genau, was es mit Loreley auf sich hatte.

Da gab es so ein Lied, das er schon mal gehört hatte, fiel ihm ein, aber welches?

Dann hatte er den richtigen Gedanken.

Es war aus der Augsburger Puppenkiste, nämlich Urmel aus dem Eis.

Der Seele- Fant, der auf der Klippe der Insel lag und dieses traurige Lied sang.

Dann fiel es Wulluwutsch wieder ein:

Ich weiß nicht was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin;

ein Märchen aus uralten Zeiten, das kommt mir nicht aus dem Sinn...

doch weiter wusste Wulluwutsch nicht mehr, nur dass es etwas mit dem Rhein und der Loreley zu tun hatte.

Jetzt stand sein Entschluss fest, er wollte unbedingt zur Loreley.

Es waren ja nur noch zwei Kilometer, die hatte er schnell geschafft. Als er endlich den Fuß des über 100 Meter hohen Felsenberges erreicht hatte, sah er eine Statue. Eine auf einem Stein sitzende Frau mit langen Haaren und einem Kamm in ihrer Hand.

Dann sah er das nächste Schild mit dem Hinweis auf einen Wanderweg zum Gipfel des Felsens, der, wie er dem Hinweisschild entnahm eben Loreley hieß, genau wie auch die Statue.

Am späten Nachmittag erreichte er mit Henri den Gipfel und war erst einmal ganz schön aus der Puste, denn der Anstieg war steil und beschwerlich.

Aber sie hatten es geschafft.

Ein überdachter, runder Pavillon aus Holz, der Schutz vor Regen bot, sowie eine freistehende Bank luden zum Ausruhen ein.

Wulluwutsch hockte sich erst einmal auf die Bank, trank einen Schluck Wasser und genoss die herrliche Aussicht. Henri pirschte in der Gegend herum und Wulluwutsch merkte, dass er ganz schön müde wurde. Er war ja auch schon sehr weit gewandert und der beschwerliche Aufstieg forderte nun seinen Preis.

Also schloss Wulluwutsch nur kurz die Augen...

 

...und da erschien sie. Eine junge Frau, von einem nicht bestimmbaren Alter stand vor ihm und lächelte ihn an. Sie konnte 15 oder aber auch über 20 Jahre jung sein oder aber auch noch älter, er konnte es einfach nicht bestimmen. Sie war sehr schön und hatte lange, hellblonde, fast schon weiße Haare und trug ein helles Gewand.

Bist du eine Fee?“, fragte Wulluwutsch.

Ich bin und ich bin nicht, ich bin was du dir vorstellst“, antwortete sie.

Wie heißt du?“, wollte Wulluwutsch wissen.

Man nennt mich Loreley und ich bin schon seit langer, langer Zeit hier.“

Und was machst du hier?“

 

Ich sitze auf dem Stein an der Spitze des Felsens und warte auf meinen Liebsten, der niemals mehr zu mir finden wird.“

Warum findet er denn nicht zu dir?“

Vor langer, langer Zeit zog mein Liebster in den Krieg. Ich kam jeden Tag zu diesem Felsen, schaute über das Land und wartete. Und wartete.

Ich musste sehr, sehr lange warten, bis mein Liebster endlich wieder aus dem Krieg zurückkehrte.

Er fuhr mit einem Boot auf dem Rhein und schaute den Felsenberg hinauf. Voller Freude rief ich ihn und winkte ihm zu.

Dann sah er mich und war so glücklich mich endlich zu erblicken.

Er rief meinen Namen voll der Freude mich wieder zu sehen.

Auch ich war erfüllt vom Glück, bald schon meinen Liebsten wieder bei mir zu haben.“

Loreley schwieg und schaute Wulluwutsch an. Es lag so viel Trauer und Wehmut in ihrem Blick, dass Wulluwutsch das Herz weh tat.

Sie sah auf einmal so unglücklich aus, dass Wulluwutsch ahnte, dass etwas sehr trauriges passiert sein musste, um sie so bekümmert zu machen.

Was ist denn dann passiert?“, fragte er leise.

Mein Liebster geriet mit seinem Boot in einen Strudel und versank in den Fluten des großen Stroms.

Der Rhein hat ihn verschlungen und für ewig auf seinen Grund gezogen. Nie mehr wird er zurückkehren, um mich zu lieben.“

Das ist sehr traurig“, sagte Wulluwutsch voller Mitleid.

Ja, es ist sehr traurig. Seitdem komme ich immer wieder hierhin und setze mich auf den Stein, kämme mein Haar und singe traurige Lieder.“

Wulluwutsch war ratlos, er wusste nicht was er noch sagen konnte, um ihre Trauer zu verringern.

Dann kommst du also jeden Tag hierher und betrauerst deinen Liebsten?“, fragte Wulluwutsch.

Ja, jeden Tag und jede Nacht sitze ich hier und singe, kämme mein Haar und schaue auf den großen Fluss.

All die Fischer und Schiffer, die hier den Strom befahren und mich sehen, geraten alsbald in meinen Bann und sind nicht mehr in der Lage ihr Boot zu steuern.

Auch sie versinken im Rhein und werden nie mehr gesehen.“

Aber das ist doch schrecklich.“

Das ist mein Schicksal und es bleibt mein Schicksal, für immer und ewig“, sprach Loreley und blickte Wulluwutsch tief in die Augen.

Nun kennst du mein Geheimnis, kleiner Mann. Verlasse diesen Ort und komme nie mehr zurück!“, rief sie und Wulluwutsch sah, wie die Gestalt Loreleys langsam verblasste und verschwand.

Doch das Echo der letzten Worte: komme nie mehr zurück! konnte er, obwohl sie schon nicht mehr zu sehen war, noch deutlich hören.

Wulluwutsch durchfuhr ein eisiger Schrecken und...

 

er wachte auf.

Es war alles nur ein Traum. Aber ein Traum, der sich so wirklich anfühlte, dass Wulluwutsch nicht sagen konnte, ob es denn nun ein Traum oder kein Traum war.

Arme Loreley, dachte er. Ein solches Schicksal sollte kein Mensch haben

So lange auf seinen Liebsten zu warten, um dann zu sehen, wie er in den Fluten versank.

Wulluwutsch rief Henri zu sich und gemeinsam verließen sie diesen seltsamen Ort.

 

Ende

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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