Olaf Lüken

Wenn die dumme Sau kein Schwein hat

Kinder lernen in der Schule, dass ein Hausschwein die domestizierte Form eines Wildschweins ist. Schüler eines altsprachlichen Gymnasiums kennen das Tier unter "Sus scrofa domesticus." Wer das Wort "Schwein" allein assoziiert, denkt an Begriffe wie Schmutz, Dreck, suhlen oder an menschliche Eigenschaften wie die Todsünden Habsucht und Völlerei. Der Esser im Menschen bekommt gleich geruchsintensive Bilder vorgesetzt, wenn er an Schweinebraten, Schwein in Aspik, Hack, Haxe, Kotelett, Eisbein oder an die vor sich hintropfende Knackwurst denkt. Aus Bildern werden Bedürfnisse und enden nicht selten im Bedarf. Wie dem auch sei: in erster Linie bringt das Essen von Schweinen den Schweinen selbst Unglück. Das bezieht sich jedoch auf die quiekenden Vorbilder, die dafür ihr Leben lassen mussten und müssen. Für die Esserinnen und Esser kann durch übermäßigen Verzehr von  Schweinefleisch das Gleiche gelten. Das Schwein ist ein Viel-, der Mensch ein Allesfresser, aber kein Resteschwein. Vielleicht stammt der Mensch von einem Schwein ab, als von einem Affen, wie die Wissenschaft vermeintlich meint. Hat die Haut eines Schweins nicht mehr humanes an sich als irgendein Schimpanse, Orang Utan oder Gorilla  ? Selbst der nackte Menschenkörper weist mehr Ähnlichkeit mit einem  Borstenvieh als mit einem Primaten auf. Blicken Sie mal einem Schwein in die Pupillen. Können solche  Augen lügen?

Schweine haben wie viele andere Arbeits- und Schlachttiere einen schlechten Ruf. Sie gelten als arm, dumm, ja doof oder als faul und reihen sich ein in die Herde der Schafe, Pferde, Esel, Kühe, Ziegen und Gänse. Andererseits ist das Schwein, vor allem das Marzipanschwein nicht nur zum Jahresende ein Glücksbringer, wie das 4-blättrige Kleeblatt oder das Hufeisen eines Pferdes. Jahr für Jahr schenken sich die Menschen weltweit und gleich millionenfach Marzipanschweine, um sie anschließend im Wohnregal verstauben zu lassen. Im Alpenland, an Neujahr, werden gesottene Schweinsrüssel gegessen. Wozu ? Damit in den kommenden Jahren Glück, Geld und Überfluss Einzug halten. Manchmal wird aus einem reichen ein armes Schwein. Das Sparschwein. Man spart und spart, bekommt aber keine Zinsen. Damit ist schon seit Jahren Essig. Allein 2017 sind dem deutschen Sparervolk rund 40 Milliarden Euro an Zinsen entgangen. Und was macht die um ihre Zinsen betrogene Sparergemeinschaft ? Nichts. Gar nichts. Jeder zehnte verdiente Euro landet noch immer auf's zinslose Sparbuch. Dank sei auch Draghi,  dem Chef der EZB.

Erinnern Sie sich noch an das "Heitere Beruferaten" mit Robert Lembke und seiner Unterhaltungsserie "Was bin ich ?" Die Ratesendung lief von 1955-58 und von 1961-1985. Sein Symbol war ein mit Blumenmotiven geschmücktes Keramiksparschwein. In den ersten Tagen kam es gleich zu einem "Fauxpas". Auf die Frage des Quizmasters: "Welches Schweinderl hätten Sie denn gern ?", kam die überraschende Antwort: "Sie, Herr Lembke."

Mit den Worten: " Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch", rüttelte der Schweizer Gottfried Benn, Dichter und Arzt, gleich eine ganze Nation auf. Eric Arthur Blair, vielen Menschen bekannt unter seinem Pseudonym "George Orwell", schrieb in seiner dystopischen Fabel "Farm der Tiere" (auch: Animal Farm) über einen Herrschaftswechsel und die Folgen daraus. Eine brutale Tiergang, angeführt von Schweinen,  übernimmt, zusammen mit den Haus- und Hoftieren, die Herrschaft über die Farm. Der Eigner flieht mitsamt Gesinde vom Hof,. Führer der geschassten Farm ist ein hochintelligenter und besonders aggressiver Eber.  Eines Tages wird dieses Schwein, die einst so verhassten und vertriebenen Farmer wieder an den Hof  holen, um mit ihnen zu verhandeln. Schwein gehabt, möchte man sagen. Die Lösung lesen Sie am Ende der Geschichte.

Mensch und Schwein stehen in einer engen Beziehung, die nicht frei von Vorurteilen ist. Wenn jemand sagt: "Ich glaube, mein Schwein pfeift, " dann sagt die Wissenschaft: Schweine können nicht pfeifen. Auch die Aussage: "Du frisst wie ein Schwein", stimmt ebenfalls nicht. Schweine fressen am liebsten langsam und und genussvoll. Der Mensch dagegen liebt fettes und schweres Essen, Alkohol und Nikotin. Er schnauft schwer und führt ein Leben zwischen Körpermassiv und Panikattacken. Schweine sind ihrem Naturell nach Optimisten. Manche von ihnen sind sehr aufgeschlossen, neugierig und geradezu enthusiastisch, wenn sie ihre Umgebung unbeaufsichtigt erkunden dürfen. Auch die Behauptung: "der schwitzt wie ein Schwein, gehört ebenfalls zu den Ammenmärchen. Schweine  schwitzen nicht, weil sie es nicht können. Schweine spielen  gern und träumen am liebsten  Nase an Nase. Sie kommunizieren leidenschaftlich und bringen die durchschnittliche Intelligenz eines dreijährigen Kindes auf. Dennoch gibt es kein Ende ungehöriger Redensarten. Mal heißt es, dass das Wetter schweine-, gar saukalt sei,  mal  ist das Wetter wieder schweinegeil. Wiederum heißt es: "Er verdient ein Schweinegeld, was früher auch mal ein "Heidengeld" genannt wurde. Dann ist das Schwein entweder menschenähnlich oder ein Teufels- bzw. Hexentier, besonders dann, wenn zuvor  eine Schweinepest am Ort wütete oder auf dem Land grassierte. Selbst unser niedliches Marzipanschwein kommt aus der Schatulle abergläubischer Denkweisen. Und überhaupt:  "Herr, sei  bei uns, sagen wir,  wenn ein menschliches Individium uns seinen inneren Schweinehund offenbart.

Wer eine Tierquälerei begeht, wird bestraft, wer sie tausendfach begeht, bleibt straflos und kann sogar mit staatlicher Subventionierung rechnen. In der deutschen Schweinezucht herrschen nicht selten  desaströse Zustände. Vetrerinäre berichten unter Zusicherung ihrer Anonymität von Morddrohungen, von Mobbing, von willkürlich anmutenden Versetzungen und politischer Einflussnahme. (DIE ZEIT v.  7. Juni 2018, Seite 27 "Arme Schweine")  Was ist bloß mit unserem Rechtsstaat los ? Im Fernsehen berichtet Report, wie das Wasser ins Schweinefleisch kommt, um die leckere Schweinelende 25 bis 30 Prozent schwerer und damit teurer zu machen. Selbst die Wurst schmeckt erst nach Wurst, wenn sie mit Senf bestrichen wird

Die oft so gescholtenen und missverstandenen Tiere haben sich dennoch tief in die Herzen großer und kleiner Kinder verankert. Da ist Miss Piggy und ihr Freund Kermit der Frosch aus der Muppet Show oder das rosigweiße Ferkelchen "Babe". Erinnern Sie sich noch an Rudi Rüssel, das Rennschwein ? Der Mensch trägt das Tier auch in seinem Namen oder wohnt an einem solchen Ort. Ich denke an den Fußballer Sebastian Schweinsteiger; seine Fans nennen ihn lie -bevoll "Schweini". Da sind die vielen Bürgerinnen und Bürger aus Schweinfurt, Schweineschied, Schweinshausen oder aus Schweina in Thüringen. Die meisten "Schweineorte" findet man im  Freistaat Bayern. Manchmal ist es aber auch dort ziemlich sauöd, sprich langweilig. Meinen Frust würde ich dann am liebsten gleich in den Äther jagen. Frei nach dem Motto: "Kein Schwein ruft mich an, keine Sau interessiert sich für mich

An dieser Stelle erinnere ich noch einmal an George Orwell und an seine "Farm der Tiere". Die Tiere vertrieben einst  den Farmer vom Grund und übernahmen die Herrschaft auf dem Hof.. Ihr Führer war der Berkshireeber Napoleon.  Während die meisten Tiere auch nach gelungener Revolte für Bestehen und Wohl des Hofes ackern und schuften mussten, nahm der wuchtige und hochintelligente Narzisst Napoleon peu a' peu die Zügel in die Hand. Napoleon war es auch, der die Verhandlungen mit den vom Hof vertriebenen Farmer wieder aufnahm. Eines Abends, die Tiere trotteten von der Arbeit wieder zur Farm, sahen sie im Herrenhaus ein Licht brennen. Die Tiere näherten sich einem hellen Fenster. Und die Moral von der Geschichte ? Die Tiere draußen blickten von Schwein zu Mensch und von Mensch zu Schwein und wieder von Schwein zu Mensch. Doch war es unmöglich zu sagen, was das Schwein und wer der Mensch war."

  Vier von fünf Deutschen fordern in einer aktuellen Umfrage gesetzliche Vorgaben für mehr Schutz von Nutztieren (2017)


(c) Olaf Lüken (2018)

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.03.2018. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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