Heinz-Walter Hoetter

Krokoba sucht einen Freund

Krokoba war ein junges, männliches Krokodil und noch ganz schüchtern. Er hatte außerdem eine Menge Geschwister, von denen die meisten aber viel draufgängerischer und mutiger waren als er. Und weil er so schüchtern war, hatte er auch keine Freunde, was ihn ganz traurig machte. Kein anderes Tier wollte mit ihm spielen oder herumtollen. Sie hatten alle große Angst vor ihm und hauten immer ab, wenn er kam.

Eines Tages ging er zu seiner Mutter und fragte sie, warum die anderen Tiere immer vor ihm davon liefen, wo er doch so gerne mit ihnen spielen wollte.

„Ach weist du Krokoba, das liegt wohl daran, weil sie ganz einfach Angst vor dir haben. Sie fürchten sich davor, dass du sie fressen könntest, weil du eben ein Krokodil bist.“

Der junge Krokoba konnte das einfach nicht glauben. Und weil heute so ein schöner Tag war, verließ er das flache Ufer des träge dahin fließenden Flusses und marschierte schnurstracks hinaus in die mit Bäumen und Sträucher bewachsene Graslandschaft.

Schon bald traf er auf eine Horde Wildschweine. Als sie Krokoba sahen liefen sie sofort davon und blieben erst wieder stehen, bis sie weit genug von ihm entfernt waren. Erst dann fühlten sie sich vor ihm sicher. Nur ein großes, kräftiges Wildschwein war stehen geblieben und blickte ihn böse an. Offenbar hatte es keine Angst vor ihm, wahrscheinlich deswegen, weil es riesengroße Hauer hatte, die scharf wie eine Speerspitze waren.

„Hallo Wildschweine“, rief Krokoba, „ich will mit euch spielen. Lauft doch nicht einfach vor mir weg. Ich tue euch nichts.“

Mittlerweile waren die anderen Wildschweine wieder zurückgekommen und hatten sich mutig hinter ihrem Anführer aufgestellt. Sie wollten ihm bei drohender Gefahr zur Seite stehen.

„Hau bloß ab, du blödes Krokodil. Wir kennen dich genau. Zuerst willst du mit uns spielen und dann frisst du uns. Also geh und verschwinde! Wir können Krokodile nicht ausstehen“, riefen einige Wildschweine erbost.

„Warum seid ihr so gemein zu mir?“ wollte Krokoba von ihnen wissen.

„Schau dir doch mal nur deine bösartigen Zähne an. Die sind groß und gefährlich. Du kannst uns damit in Stücke reißen. Und du willst mit uns spielen? Pah, wir sind doch nicht lebensmüde“, spottete der Anführer jetzt verächtlich. Dann drehten sich alle Wildschweine auf sein Kommando herum und liefen gemeinsam in einen nah gelegenen Wald.

Krokoba war jetzt wieder ganz allein. Traurig ging er zum Fluss zurück und schwamm eine Runde im kühlen Wasser. Plötzlich entdeckte er auf einer Sandbank eine Herde Flusspferde mit einigen Jungtieren, die lustig miteinander herumtollten.

Ich werde den Flusspferden einen Besuch abstatten und sie fragen, ob sie mit mir spielen wollen, dachte Krokoba so für sich, tauchte freudig runter ins Wasser und kam erst wieder zum Vorschein, als er die jungen Flusspferde direkt vor sich sah.

Eine Weile sah Krokoba ihnen beim ausgelassenen Spielen zu, dann gab er sich einen Ruck und fragte sie: „Hallo meine Freunde! Wollt ihr mit mir zusammen ein wenig im Fluss herumschwimmen? Das macht richtig großen Spaß“, rief er laut.

Die kleinen Flusspferdekinder schienen keine Angst vor dem Krokodil zu haben und freuten sich sogar noch darüber, dass er mit ihnen zusammen im Fluss schwimmen gehen wollte.

Doch dann stand auf einmal eine Flusspferdmutter vor den Flusspferdkindern und verbot ihnen ins Wasser zu gehen.

„Ihr spielt mir auf gar keinen Fall mit einem Krokodil! Das ist einfach zu gefährlich für euch. Es könnte euch nämlich fressen. Sie sind immer hungrig und ihr seid noch viel zu klein dafür, mit ihnen zu spielen. Bleibt schön bei euren Eltern, dann kann euch nichts passieren“, sagte die Flusspferdmutter mit mahnender Stimme und stampfte auf Krokoba zu, um ihn zu verjagen.

„Verschwinde bloß und lass’ dich hier nie wieder blicken! Das nächste Mal zertrete ich dich wie eine reife Banane. Wir mögen nämlich keine Krokodile. Ihr wollt eh nur unsere Kinder fressen. Also hau ab, aber schnell!“

Geknickt drehte sich Krokoba um, schwamm davon und suchte sich weiter unten am Flussufer ein sonniges Plätzchen. „Nur weil ich ein Krokodil bin, will kein anderes Tier mit mir spielen“, schluchzte er laut und fing bitterlich an zu weinen.

Plötzlich hörte der junge Krokoba eine leise Stimme hinter sich, die ihn neugierig fragte: „Was ist denn mit dir los, Krokoba? Du weinst ja. Ist irgendwas Schlimmes passiert?“

„Kein anderes Tier will mit mir spielen. Alle sagen nur, dass ich sie fressen will. Mich macht das ganz traurig. Ich fühle mich einsam und verlassen“, erwiderte Krokoba und heulte von vorne los. Diesmal noch lauter als zuvor.

„Warum sollte mit dir keiner spielen wollen? Ich hätte nichts dagegen. Also was ist? Willst du mit mir spielen oder nicht?“ fragte die unbekannte Stimme sanft.

Krokoba drehte sich nach allen Seiten um und entdeckte schon bald hinter einem Gebüsch ein anderes Krokodil, das genauso groß war wie er. Langsam kroch er auf das Gebüsch zu, blieb gespannt liegen und fragte mit schüchterner Stimme: „Und du willst auch ganz bestimmt mit mir spielen? Ich bin doch ein gefährliches Raubtier und fresse alles, was mir vors Maul kommt. Hast du denn wirklich keine Angst vor mir?“

„Siehst du denn nicht, dass ich auch ein Krokodil bin? Krokodile fressen sich nicht gegenseitig. Ach so, ich heiße übrigens Kralli und suche schon den ganzen Tag genauso wie du nach einem Freund, der mit mir spielt. Wenn du Lust hast, machen wir zuerst ein Picknick und spielen dann zusammen unten am Flussufer, wer von uns beiden schneller auf der anderen Seite des Flusses ist. – Und schau mal her, was ich hier habe! Vorhin konnte ich mir eine unvorsichtige Gazelle schnappen, die zu dicht am Wasser stand. Sie wollte doch tatsächlich mit mir spielen. Na ja, du kannst mitfressen, wenn du willst.“

„Gerne Kralli, mir knurrt eh schon der Magen. Ich freue mich wirklich, dass ich dich kennen gelernt habe“, sage Krokoba glücklich und schnappte sich von der toten Gazelle ein besonders großes Stück Fleisch, das er gierig herunterschlang.

Endlich hatte er einen Freund gefunden, mit dem er spielen konnte.

ENDE


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.04.2018. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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