Herrmann Schreiber

Richard und das Kapital

Richard ist reich. Er gehört sogar zu den zehn Prozent der Menschen, denen zwanzig Prozent des insgesamt vorhandenen Geldes gehört. Er will nun sein Geld arbeiten lassen, er will sein Geld anlegen.

Also ohne zu arbeiten, durch den bloßen Besitz von Geld, Geld verdienen? Moralische Bedenken hat er dabei keine, denn schon in der Bibel soll erzählt worden sein, dass das eine gute Sache sei. Tatsächlich kann man bei Matthäus 25,14-30 lesen: … Ein Mann, der auf Reisen ging: Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an. Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld… (Wer keine Bibel hat, kann das auch auf: de.wikipedia.org/wiki/Gleichnis_von_den_anvertrauten_Talenten nachlesen. Da ist auch zu erfahren, dass das erwähnte Talent etwa 40 kg Silber beträgt.)

Als der Herr von seinen Reisen zurückkam, hatte der Diener so gut gewirtschaftet, dass aus den 5 Talenten 10 geworden waren. Wie er des gemacht hatte, wird nicht gesagt. Im Prinzip kann das auf zwei Arten geschehen. Entweder er kauft sich ein Stück Land, baut darauf etwas an und fährt jedes Jahr eine reiche Ernte ein. Oder er verpachtet das gekaufte  Land und lässt andere darauf arbeiten.

Im letzteren Falle würde es, bei 5 % Zinsen, 15 Jahre dauern, bis sich das Kapital verdoppelt. Da müsste aber der Herr des Dieners eine recht lange Reise unternommen haben. Da das wenig wahrscheinlich ist, kann angenommen werden, dass der Diener kräftig gearbeitet hat.

Nun aber zurück zu Richard und zu denen, die 20 % des insgesamt vorhandenen Geldes besitzen. Wenn sie drei Viertel davon (also 15 % allen Geldes) zu 5 % anlegen, haben sie nach 15 Jahren 30 % des insgesamt vorhandenen Geldes, nach 30 Jahren 60 % und nach 45 Jahren… halt, das geht doch nicht…

An diesem Punkt seiner Überlegungen angekommen, versteht Richard schlagartig, dass das Papiergeld doch eine recht schöne Sache ist: man kann immer wieder welches nachdrucken. Das bedeutet Inflation, aber nicht unbedingt. Richard erinnert sich, dass, nach dem Kriege, das vorhandene Geld als ungültig erklärt wurde und jeder eine kleine Summe des neuen Geldes in die Hand gedrückt bekam. Danach wurde wieder Geld gedruckt, aber da es immer mehr Sachen zu kaufen gab, war ein Gegenwert zu dem neu gedruckten Geld vorhanden. Es gab also fast keine Inflation, weil neue Werte geschaffen wurden.

Richard hat aber den Eindruck, dass das nicht immer so ist. Die Herstellung von Feuerwerkskörpern, zum Beispiel, dient vor allem zum Abfluss von Überfluss, eine Munitionsfabrik zum Abfluss von Steuergeldern. Trotz allem wird jedoch der Reiche immer schneller reicher werden, als der weniger reiche, werden die sozialen Unterschiede immer weiter steigen.

Aber eins hat Richard aus seinen Überlegungen gelernt: Entweder es gibt hohe Zinsen und eine hohe Inflation, oder es gibt so gut wie gar keine Zinsen und die Preise steigen nur noch ganz wenig. Das letztere ist Richard nun doch lieber, obwohl er doch gern durch den bloßen Besitz von Geld, viel Geld verdient hätte.

 

 

 

 

 

 

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