Anja Pompowski

Blind Date

Zwei Jahre war es nun schon her, dass Ellas Mann sie wegen seiner Sekretärin verlassen hatte. Allmählich war sie ihr Singleleben leid und sehnte sich nach einem liebevollen Partner. Jetzt, im Frühjahr, war der Wunsch nach einer neuen Beziehung besonders groß, aber Ella war nun mal keine zwanzig mehr, und in ihrem Alter war es nicht ganz so einfach, jemanden kennen zu lernen. Ihre beste Freundin Ines hatte schon mehrfach versucht, sie dazu zu überreden, auf eine dieser Ü-50-Partys mitzugehen, aber zum einen mochte Ella keine Partys und andererseits konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, dort einen Mann zu finden, der zu ihr passen könnte. 

Diese Singlebörsen im Internet waren ebenfalls nicht ihr Ding. So beschloss sie, ganz klassisch eine Kontaktanzeige in der Tageszeitung aufzugeben. 

53-jährige Frau, mittelgroß und schlank, naturverbunden, Katzenliebhaberin, reiselustig und kulturinteressiert sucht sympathischen Mann für feste Beziehung. E-Mail: …. 

Ella erhielt auf ihre Annonce zahlreiche Zuschriften. Eine davon sprach sie besonders an, und sie verabredete sich mit diesem Mann namens Jürgen per E-Mail zum Essen in ein schickes, italienische Restaurant für kommenden Samstag. 

Sie war spät dran, hatte sich einfach nicht entscheiden können zwischen dem roten Blümchenkleid und dem neuen Hosenanzug. Außerdem wollten sich ihre widerspenstigen roten Locken partout nicht bändigen lassen. Als Ella schließlich das Restaurant betrat, fiel ihr Jürgen, der an einem Zweiertisch saß, direkt ins Auge. Er sah genau so aus, wie er sich in seiner Mail beschrieben hatte: Brillenträger, Mitte fünfzig, groß und von kräftiger Statur, dunkles, schon leicht ergrautes Haar mit Vollbart. 

Zielstrebig steuerte Ella direkt auf ihn zu, setzte ihr charmantestes Lächeln auf, sagte, „Hallo, ich bin Ella“, und streckte ihm ihre Hand entgegen. 

„Hallo“, sagte auch er und erwiderte den Händedruck, wobei er sich leicht von seinem Stuhl erhob. 

Ella hatte bereits Platz genommen und plapperte gleich drauflos; das tat sie immer, wenn sie sehr nervös war – eine dumme Angewohnheit. 

„Ich hoffe, ich habe Sie nicht zu lange warten lassen, es war einfach kein Parkplatz hier in der Nähe zu bekommen. Schließlich habe ich hinter dem Rathaus doch noch einen gefunden und musste das ganze Stück bis hierhin laufen, deshalb bin ich jetzt total aus der Puste. Aber, wollen wir uns nicht einfach duzen?“

„Äh, ja, wenn Sie …“ Weiter kam Jürgen nicht, denn Ella fuhr direkt fort. Sie fände es klasse, dass er auch so gern spazieren gehe und Katzen mochte. Ella selbst habe zwei Perserkatzen. So viele Menschen seien ja, zumindest angeblich, allergisch gegen Tierhaare. Und auch sie, Ella, liebe die italienische Küche. Dies sei bestimmt ein ausgezeichnetes Restaurant, obgleich sie hier noch nie gegessen habe. Jürgen meinte, er sei Dauergast in diesem Lokal, woraufhin sie keck erwiderte: „Das bin ich vielleicht auch bald, wer weiß…?“

Nun kam eine attraktive Brünette zu ihnen an den Tisch. Ella ging davon aus, dass es die Kellnerin sei und wollte schon nach der Weinkarte fragen, als die Frau „Guten Abend“, sagte, und an Jürgen gerichtet: „Schatz, willst du mir die Dame nicht vorstellen?“

Der „Schatz“ lächelte amüsiert. „Ja, also, eigentlich hat sie sich mir selbst noch gar nicht vorgestellt.“

Jetzt war Ella völlig verwirrt und erst mal sprachlos. Am Tisch hinter ihr bat ein Herr den Kellner um die Rechnung. Er erklärte, dass er eigentlich verabredet gewesen sei, die Dame ihn aber offenbar versetzt habe.

Langsam drehte Ella sich zu dem Mann um, einem dunkelhaarigen, leicht ergrauten Mittfünfziger von kräftiger Statur mit Vollbart und Brille. 



 

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