Christiane Mielck-Retzdorff

Flüchtlinge der Neuzeit

 

 

An diesem Sonntagvormittag strahlte die Sonne auf den Stadtpark von einem makellos blauen Himmel. Etliche Jogger liefen über die Sandwege mit Stöpseln im Ohr. Vielleicht lernten sie beim Laufen eine fremde Sprache oder hörten Musik. Nur das Konzert der zwitschernden Vögel hörten sie nicht.

Eine junge Frau ließ ihren Hund auf einer Rasenfläche frei laufen und widmete sich dabei ihrem Smartphone. Gerade likte sie das Foto eines Bekannten eines Bekannten eines Bekannten, der an der Ostsee surfte und dem sie noch nie begegnet war, als ihr Hund seinen Haufen mitten auf der Grasfläche ablegte. Sie bemerkte das nicht, rief ihn bald und ging immer noch mit Blick auf ihr Handy weiter.

Zwei Mütter, bei denen nicht zu sehen war, ob sie sich kannten, ließen ihre beiden Kinder über die Rasenfläche toben, wobei die Frauen selbst wortlos mit ihren Smartphones beschäftigt waren. Die beiden Jungen entdeckten den Hundehaufen und fanden es spaßig, auf die recht stattliche Hinterlassenschaft zu hüpfen, bis die Scheiße so lange zur Seite geplatschte war, dass sie sich mit der Erde vermengt hatte. Natürlich klebten Reste davon an den Schuhen der Knaben, doch das störte diese nicht.

Auch Mütter mit ihren Kinderwagen zogen durch den Park, starrten dabei auf ihre Smartphone und tippen etwas ein. Selbst das Weinen ihres Kleinen schien die eine Frau nicht abzulenken. Andere Kleinkinder schauten in die Bäume, auf die Wiese oder beobachteten das Treiben um sie herum. Einen Blickkontakt zu ihren im weltweiten Web umherziehenden Müttern konnten sie nicht erhaschen.

Zwei junge Männer hockten auf einer Bank und spielten auf ihrem Handy ein virtuellen Fußballspiel. Dass nicht weit von ihnen entfernt vier Knaben tatsächlich einen Ball kickten, entging ihnen. Umso erstaunter war der eine von beiden, als plötzlich der Ball in seinem Schoß landete und dabei sein Smartphone traf. Erbost schrie er die Jungen an, drohte ihnen den Ball wegzunehmen. Doch dann deutete ihm ein Signal, dass sein Handy noch funktionierte und er eine Nachricht bekommen hatte.

Keiner der Anwesenden hörte das Piepen, das aus zahlreichen Nistkästen drang, sah die eifrigen Vogeleltern, die unermüdliche Nahrung für ihren Nachwuchs herbeischafften. Auch die sorgsam angepflanzten Blumen, die mehr und mehr ihre Knospen öffneten, blieben unbemerkt. Einige Menschen fühlten sich durch das Kreischen von Kindern in ihrer Konzentration auf die neusten Nachrichten gestört. Manchmal fuhren Radfahrer vorbei, die sich nicht scheuten, ihren Musikgeschmack in voller Lautstärke ihrer Umwelt zu präsentieren.

Die Sonne schien auf einen wohlgepflegten Park, den die Menschen vermeintlich aufgesucht hatten, um den Frühsommer zu genießen. Aber viele von ihnen blieben lieber in ihrer virtuellen Welt, pflegten wortlos Kontakte, verstopften ihre Ohren mit den Stimmen Fremder, umgaben sich mit einem Kokon, der sie blind durch die Wirklichkeit tappen ließ. Vielleicht fühlten sie sich dabei als Teil einer großen Gemeinschaft, doch blieben letztlich einsam und dem Leben abgewandt.

 

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Buch von Christiane Mielck-Retzdorff:

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Die Töchter der Elemente: Teil 1 - Der Aufbruch von Christiane Mielck-Retzdorff



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