Gertraud Widmann

Bei Anruf ...

 

Obwohl wir erst kurz verheiratet waren, war`s nicht schlecht, einmal einen Abend
nur für mich zu haben. Mein Mann hatte Spätschicht und ich konnte endlich das
Buch „Mildernde Umstände“, ein fesselnder Roman von Nancy Taylor-Rosenberg,
fertig lesen. Mit einer Tasse Kaffee, dem Buch und einer kuschligen Decke machte
ich es mir auf der Couch bequem. Ich begann zu lesen und gerade in dem Moment,
als die Staatsanwältin einen lang gesuchten Dreifach-Mörder in die Mangel nahm,
da klingelte das Telefon.
Ja muss denn das ausgerechnet jetzt sein? Ich ging in den Flur, nahm den Hörer
ab, meldete mich … und hörte ein schnaufen, widerliches schnaufen!
   »Hallo, hallo, wer ist denn da? «
Nichts, nur dieses ekelhafte schnaufen. Irritiert legte ich auf.
Es dauerte keine viertel Stunde – das gleiche Spiel .
   »Hallooo, so melden sie sich doch! «
Wieder nchts, nur stöhnen und schnaufen. Es war direkt unheimlich. Meine Haare
begannen sich aufzustellen und ich bekam eine Gänsehaut. Wortlos legte ich auf.
Während meine kleinen grauen Gehirnzellen auf vollen Touren arbeiteten, klingelte
der Apparat erneut ...

Ich ließ es läuten und ging stattdessen hoch zu unserer Nachbarin. Berta hieß sie,
eine resolute Münchner Bedienung. Nachdem ich ihr die Lage geschildert hatte,
meinte sie nur:
   »Des hamma glei«, steckte sich ihre Wohnungsschlüssel ein und folgte mir nach
unten. Ja und da saßen wir dann und warteten. Aber nix mehr war`s – das Telefon
blieb stumm. Der (!?) Anrufer schien sich beruhigt zu haben und wir begannen die
Sache gerade humorvoll „aufzuarbeiten“, riiiing – riiiing – riiiing – riiiing …
Ein fürchterlicher, durchdringender Ton, warum haben wir`s denn bloß nicht leiser
gestellt?
Auf alle Fälle, meine Nachbarin nahm den Hörer ab und hörte kurz zu:
   »Ja du alter Saubär, magst di net glei schleicha! «, schrie sie und legte  auf.
Keine zwei Minuten später: kaum hatte Berta den Hörer abgenommen, wurde das
„Geschnaufe“ eine ganze Stufe lauter und klang irgendwie „unappetitlicher“.
   »Bist schon wieder da, du greisliger Uhu! « schrie Berta in den Hörer und legte
erneut auf.
Da damals jeder Anruf zwanzig Pfennige kostete, dachten wir, dass ihm langsam
die Telefoniererei zu teuer werden würde. Aber nix da, schon folgte der nächste
Anruf! Berta war in Fahrt:
   »Ja, schnauf du ruhig weiter, dir wird`s bald vergeh`n, verlass` dich drauf.«.
Warum auch immer, das schien gewirkt zu haben, denn für den Abend war Ruhe!

Als mein Mann von der Spätschicht nach Hause kam, hörte er sich die Geschichte
kopfschüttelnd an. Aber er nahm das Ganze nicht so ernst (Männer!) und lachte:
   »Das ist halt irgendein Spinner, der beruhigt sich schon wieder. «.
Ja von wegen!

Mein Mann war am nächsten Tag wieder zur Arbeit gegangen und schon begann
am Abend der Telefon-Terror von Neuem ... . Diesmal bekam ich Verstärkung von
der Nachbarin gegenüber. Ihr Mann war bei der Kripo und hatte ebenfalls gerade
Spätschicht. Währenddessen wollte sie sich auch einmal so ein „Geschnaufe"
anhören! Ja geht`s noch?
   Jedenfalls, gerade als wir uns ein Glas Wein genehmigen wollten, klingelt auch
schon das Telefon! Die Nachbarin hob ab ... aber diesemal kein schnaufen ...
Wir hörten beide zu, als eine unheimliche Stimme raunte:
   »Ich weiß, dass ihr zwei alleine seid, weil eure Männer in der Arbeit sind – ich
komm euch jetzt holen! « Ein leises Knacken in der Leitung ... tut - tut - tut.
Die Nachbarin ließ erschrocken den Hörer auf die Gabel fallen.
   »Also mein Mann ist das nicht! «, flüsterte sie.
   »Meiner aber auch nicht! «, so viel stand für mich fest.
Man beobachtete uns also – aber wer und von wo aus?

Am dunklen Fenster stehend hielten wir Ausschau nach einem „Verdächtigen“! Ja
freilich, ans Fenster wird er sich hinstellen, so ein Schmarrn.
Wir riefen die Polizei.
   Kurz drauf standen zwei Beamte in der Wohnung und nahmen den Vorgang auf.
Das Telefon klingelte in dieser Zeit nicht - typischer „Vorführeffekt“. Die Polizisten
empfahlen mir, eine Fangschaltung einrichten zu lassen und gingen wieder. Eine
Fangschaltung hatten wir zwar schon in Erwägung gezogen, aber sie war uns zu
teuer ( pro angefangener Stunde 30 Mark). Und Gespräche aus einer Telefonzelle
konnte man eh nicht ermitteln.
Na ja, wenigstens war für heute Ruhe.
   Eine ganze Woche hatte ich nun schon dieses tägliche „Abendprogramm“. Am
Samstag kam endlich auch mein Mann in diesen „Genuss“! Er nahm den Hörer ab,
meldete sich aber nicht, sondern ließ den anderen eine Weile „schnaufen“. Dann
schaltete er sich ein, warf ihm ein paar passende (nicht jugendfreie) Worte an den
Kopf und fügte hinzu, dass wir unter anderem bereits die Polizei informiert hätten.
   »Wir werden dich finden, verlass dich drauf, aber dann Gnade dir Gott ...«. gab
er ihm noch mit auf den Weg ...

Am darauf folgenden Sonntagvormittag dann diese Szene: Das Telefon klingelte,
ich nahm ab. Ein mir unbekannter Mann fragte:
   »Kennen sie das Lokal „Schwabinger Nest“? «
   »Nein! «
   »Kennen sie meine Frau Susi, sie ist dort Bedienung? «
   »Ich kenne keine Susi! «
   »Ihr Mann auch nicht? «
   »Nein (!?) «
   »Ich hab in der Geldtasche meiner Frau einen Zettel mit ihrer Telefon-Nummer
gefunden! «

   »Tut mir leid, wir kennen weder das Lokal, noch ihre Frau – war`s das jetzt? «
   »Entschuldigung! « murmelte er noch und legte auf.

Von da an war der Spuk vorbei …

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.06.2018. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Die Gedichte begleiten durch die vier Jahreszeiten und erzählen wie die Natur erwacht, blüht und welkt, wissen von reicher Ernte zu berichten. Der Spätsommer im Park, winterliche Gefilde oder Mailandschaften scheinen auf. Der Autor verwendet meist gereimte Zeilen, zeigt sich als Suchender, der neues Terrain entdecken möchte. Der Band spricht von den Zeiten der Liebe, zeigt enttäuschte Hoffnungen und die Spur der Einsamkeit. Wut und Trauer werden nicht ausgespart. Es dreht sich das Kaleidoskop der Emotionen. Der kritische Blick auf die Gesellschaft und sich selbst kommt zum Zuge. Kassandras Rufe sind zu hören. Zu guter Letzt würzt ein Kapitel Humor und Satire. So nimmt der Autor seine Zettelwirtschaft aufs Korn, ein hoffnungsloser Fall.

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