Heinz-Walter Hoetter

Das Abenteuer der beiden Kinder Mary Ann und Steven Parker

Der junge Steven Parker schaute in Gedanken verloren zum Küchenfenster hinaus. Draußen dämmerte gerade ein neuer Morgen. Langsam wurde der Himmel heller.

Steven war schon sehr früh aufgestanden, weil er einfach nicht mehr schlafen konnte. Er musste die ganze Zeit über seinen Traum nachdenken, den er in der zurückliegenden Nacht gehabt hatte. Es war ein sehr sonderbarer Traum gewesen, an den er sich jetzt wieder ganz genau erinnern konnte. Der Zauberer Merlin hatte ihn besucht und im Traum zu ihm gesagt: „Ich warte auf euch. Der magische Kreis ist wieder da.“

Steven war gerade erst vierzehn Jahre alt geworden und wohnte weit draußen am Stadtrand einer großen Millionenstadt mit seinen Eltern und seiner ein Jahr jüngeren Schwester Mary Ann in einem schönen Bungalow mit großem Garten.

Ganz in der Nähe befand sich ein weitläufiges Waldgebiet mit vielen kleinen Seen. Manche von ihnen lagen versteckt und weit abgelegen. Der Junge wusste genau, an welcher Stelle im Wald der magische Kreis schon mal erschienen war, wenn Merlin ihn im Traum besuchte. Aber oft, wenn sie nach ihm suchten, war er nicht da. Steven war deshalb stets sehr traurig gewesen, denn er dachte sich, dass Träume wohl nicht immer wahr werden können. Manchmal aber, wenn Mary Ann und er es fast nicht mehr aushalten konnten vor lauter Traurigkeit, dann wünschten sich beide den magischen Kreis herbei, weil sie genau wussten, dass es ihn wirklich gab.

Verträumt schaute Steven weiter zum Fenster raus.

Plötzlich ging die Esszimmertür auf und seine Schwester Mary Ann kam herein.

„Guten Morgen, mein großer Bruder. Du bist schon sehr früh aufgestanden, was? Hat dich Merlin etwa wieder im Traum besucht?“

„Wie kommst du da drauf, Mary Ann?“

„Ich habe jedenfalls von Merlin geträumt. Er sagte zu mir, dass er auf uns warte. Außerdem sei der magische Kreis wieder da.“

„Das habe ich auch. Ich wollte es dir nur nicht gleich verraten“, sagte Steven zu seiner Schwester uns sah sie lächelnd an.

„Ehrlich? Er hat es dir auch gesagt, dass der magische Kreis wieder da ist?“

„Ja, hat er. Ich gehe nach dem Frühstück sofort los und suche im Wald nach der Stelle, von der ich geträumt habe. Kommst du mit, Mary Ann?“

„Ich weiß nicht. Vielleicht ist doch nur alles Unsinn. Wir sind schon so oft enttäuscht worden, dass ich keine große Lust mehr habe, meinen Träumen zu folgen. Aber trotzdem gehe ich noch ein letztes Mal mit. Wenn es diesmal wieder nichts wird, dann gehe ich nie wieder mit dir nach Merlin und seinem magischen Kreis suchen.“

„Es stimmt ja, Mary Ann, dass sich viele Träume nicht erfüllt haben. Wir sind schon oft enttäuscht worden. Aber diesmal habe ich das komische Gefühl, dass da etwas dran ist. Merlin hat zu uns beiden gesprochen. Es muss etwas Wichtiges sein, wenn er uns beide davon erzählt hat, dass der magische Kreis wieder da ist.“

Nachdem beide ihr Frühstück zu sich genommen hatten, packten sie ihre Rucksäcke, verstauten darin ihren Proviant, dazu noch ein paar andere Dinge und verabschiedeten sich wie immer artig von ihren Eltern.

„Ihr wollt also spazieren gehen? Nun ja, von mir aus“, sagte die Mutter zu ihren beiden Kindern und ermahnte sie eindringlich. „Aber bis zum Mittagessen seid ihr pünktlich wieder da. Habt ihr verstanden? Und kommt mir ja nicht auf den Gedanken woanders herumzulaufen als bis zu dem kleinen See mit dem schroffen Felsen, von dem ihr mir erzählt habt. Ab und zu ruft ihr uns über das Handy an. Schließlich müssen wir immer wissen, wo ihr seid. Es könnte ja mal etwas passieren. Und jetzt geht endlich! Wie gesagt, bis zum Mittagessen seid ihr wieder da.“

„Keine Angst, Mama. Wir kommen pünktlich zurück. Du musst dir wegen uns keine Sorgen machen. Ich lasse das Handy eingeschaltet. Sollte etwas Außergewöhnliches passieren, drücke ich sofort auf die grüne Taste, und schon bin ich mit euch verbunden“, antwortete Steven. Dann gingen seine Schwester und er los.

Der Vater schaute kurz über seine Zeitung und nickte dazu.

Bald waren Steven und Mary Ann durch die Haustür nach draußen verschwunden. Die Mutter war ihnen hinterher gegangen und schaute ihren Kinder nach.

Steven drehte sich noch einmal um.

„Wir sind bald wieder zu Hause, Mama!“ rief er und winkte ihr zu. Mary Ann tat es ihm nach.

Der Himmel war blass blau. In der Nacht waren graue Wolken aufgezogen, und es hatte etwas geregnet. Durch den Regen war die Luft gereinigt und frisch gemacht worden. Das tat den beiden jungen Spaziergängern richtig gut. Fröhlich marschierten sie dahin.

An einer Straßengabel schlugen beide den Weg zum Wald in Richtung des kleinen Sees mit den großen, schroffen Felsen ein. Nach etwa einer Stunde Fußmarsch waren sie da. Gleich neben der großen Eiche, die sich hinter dem Felsen befand, sollten sich Merlin mit dem magische Kreis befinden.

Vorsichtig traten Mary Ann und Steven hinter dem Felsen hervor und blickten hinüber zur der großen Eiche. Ihnen stockte der Atem. Sie konnten es kaum fassen. Da stand der Zauberer Merlin tatsächlich leibhaftig neben einem hell leuchtenden Kreis auf dem Boden und schaute die beiden Kindern lachend an. Offenbar hatte er sie schon erwartet.

„Kommt nur rüber zu mir, Kinder!“ rief er ihnen zu.

Im Licht des beginnenden Tages sah der Zauberer mit seinem spitzen Hut und dem weiten Umhang irgendwie ehrfürchtig aus. Wie ein Priester. In der rechten Hand hielt er einen lange Stab aus Holz.

Steven lächelte etwas verlegen. Als er und Mary Ann vor dem Zauberer Merlin standen, sagte er zu ihm: „Wir beide haben von Ihnen geträumt. Das ist noch nie vorgekommen. Deshalb haben wir uns auf den Weg gemacht.“

„Ich weiß“, antwortete der Zauberer Merlin und fuhr fort. „Ich habe euch ja den Traum geschickt. Gut, dass ihr gekommen seid. Diesmal brauche ich nämlich eure Hilfe. Die böse Hexe Mandragora ist wieder da. Sie arbeitet ständig gegen mich und versucht, mir das Leben schwer zu machen, nur weil ich sie einmal für ein Jahr in eine tiefe Felsenhöhle zusammen mit einen Drachen eingesperrt habe. Sie hatte das damals mehr als nur verdient. Sie war sehr böse zu mir und hat mir Schaden zugefügt. Dabei war ich noch gnädig gewesen und habe sie nur mäßig bestraft. Ich wollte ihr nur eine ordentliche Lektion darüber erteilen, wer hier der größte Zauberer im Land ist und das Sagen hat. Offenbar hat die alte Dame das immer noch nicht ganz verstanden. Seit der Strafzauber vorbei ist, greift sie mich schon wieder an. Noch schlimmer, als beim ersten Mal. Ich habe ihr bei einer günstigen Gelegenheit den Flugbesen wegnehmen können, deshalb muss sie sich erst einmal einen neuen besorgen. Das kann Wochen dauern. Genau aus diesem Grund habe ich im Augenblick Ruhe vor ihr.“

„Und was müssen wir tun, Merlin?“

„Ich lasse euch mit Hilfe des Zauberkreises durch die Zeit reisen, zurück in die Zeit der echten Piraten. Es geht an einen ganz bestimmten Ozean. Außerdem gebe ich euch ein kleines Buch mit, das Bilder von vielen Geräten enthält. Wenn ihr das Buch aufschlagt und mit dem Zeigefinger auf eine der Zeichnungen tippt, dann wird daraus in Sekundenschnelle ein realer Gegenstand. Bei größeren Gegenständen würde ich euch empfehlen, etwas Abstand zu nehmen oder auf eine kleine Anhöhe zu steigen. Ich möchte nicht, dass euch z. B. ein U-Boot oder eine Lokomotive zerquetscht.“

Merlin überreichte Mary Ann das Zauberbuch mit den vielen Dingen. Dann sprach er weiter.

„Damit ich endlich die böse Hexe Mandragora für immer loswerde, müsst ihr mir die Gebeine eines alten Seemannes vom Meeresgrund holen. Ich selbst darf das nicht tun. Die magischen Zauberregeln wollen es so, dass das nur zwei unschuldige Kinder machen dürfen. Einzig und allein das Buch darf ich euch zur Unterstützung mitgeben, mehr nicht. Geht jetzt beide in den magischen Kreis, der euch direkt an den Ozean bringen wird. Wenn ihr wieder zurück wollt, dann sucht im Buch der Dinge nach einem kreisförmigen Ring oder etwas, was rund ist wie ein Kreis. Er wird euch dabei helfen, in eure Zeit und zu mir zurückzukehren. Ich wünsche euch viel Glück. Und nun geht!“

Steven und Mary Ann traten in den magischen Kreis und im nächsten Augenblick standen sie am Ufer eines weiten Ozeans, dessen hohe Wellen sich rauschend im goldgelben Sand verliefen.

„Wow!“, jauchzte Mary Ann, „Das ist ja echt krass. Wir stehen plötzlich an einem richtigen Meer.“

„Ja, was glaubst du denn?“ sagte Steven und setzte sich schnell eine Mütze auf.

Der Wind begann nämlich zu blasen. Dann sah er zu seiner Schwester, die das Zauberbuch mit den Dingen in der Hand hielt.

„Mary Ann, gib mir das Buch! Ich möchte nachschauen, ob wir darin die Zeichnung eines U-Bootes finden.“

Gemeinsam schlugen sie die ersten Seiten des Buches auf. Und siehe da, schon auf der vierten Seite fanden sie die Abbildung eines kleinen U-Bootes.
Steven tippte mit dem Finger darauf und mit einem lauten Knall stand plötzlich ein U-Boot mit geöffneter Turmluke vor ihnen im Wasser. Allerdings leider nur zur Hälfte. Die andere Hälfte befand sich auf einem Riff.

„Was ist das denn für ein komisches Gerät, Steven?“ fragte Mary Ann.

„Hier in dem Buch steht, dass man damit die Ozeane erforscht. Damit kann man bis auf den Grund jeden Meeres tauchen. Ein ideales Gerät also, um die Gebeine eines alten Seebären zu bergen. Legen wir also los, Mary Ann. Wir müssen aber noch ein bisschen warten, bis die Flut einsetzt. Dann kann ich das Mini-U-Boot aus dem Riff ins offene Meer steuern. Trotzdem können wir schon einmal einsteigen und uns auf unsere Plätze setzen. Die Flut wird bestimmt bald kommen.“

Steven und Mary Ann stiegen ins das kleine U-Boot, schlossen hinter sich die Einstiegsluke und nahmen vorne auf den beiden Plätzen in der Glaskuppel Platz.
Steven saß auf dem Platz mit dem Steuerknüppel. Mary Ann war für die Kontrolle der Funktionen zuständig.

Das U-Boot war wirklich sehr eng. Steven suchte nach dem Hauptschalter. Nach einer Weile fand er ihn gleich hinter seinem Sitz. Er legte den roten Hebel um und ein Gebläse schaltete sich ein.

„Aha, die Luft wird gefiltert und mit neuem Sauerstoff angereichert, damit man hier drinnen nicht ersticken muss“, sagte Steven zu Mary Ann, die plötzlich mit dem ausgestreckten Zeigefinger der rechten Hand nach vorne aus der Glaskuppel an den Strand deutete. Man konnte die Felsen schon fast nicht mehr sehen, so hoch stand das Wasser.

„Sieh mal, Steven, die Flut umspült schon das ganz U-Boot. Wir sollten die Motoren einschalten und loslegen.“

Steven legte einen weiteren Schalter um. Im gleichen Moment surrten zwei Elektromotoren, die ihre Kraft auf zwei Schiffsschrauben übertrugen. Das Mini-U-Boot machte einen Satz nach hinten und glitt langsam vom Riff herunter. Es blubberte an der gesamten Außenwand des U-Bootes, als es langsam in den Tiefen des Meeres versank.

***


Mary Ann schaute zum Fenster hinaus. Sie versuchte sich zu orientieren.

„Schalte die Außenscheinwerfer ein, damit wir besser sehen können“, rief Steven seiner Schwester zu.

Direkt über ihrem Kopf befanden sich eine Reihe von grünen Knöpfen, mit denen man die Beleuchtung einschalten konnte. Mary Ann drückte einen nach dem anderen und kurz darauf gingen vorne und hinten am U-Boot eine Menge Lichter an. Jetzt konnte man schon fast bis auf den Grund des Meeres sehen, weil das Wasser an dieser Stelle sauber und klar war.

„Das hast du richtig super gemacht, Schwesterchen. Ich habe mittlerweile den Computer eingeschaltet und ein Bild von der Umgebung rein bekommen. So wie es aussieht, bewegen wir uns vom Riff weg. Ich gehe jetzt noch weiter runter, damit wir den Meeresboden besser sehen können. Die Steuerung ist ganz einfach. Ich muss den Steuerknüppel nur nach vorne drücken, dann neigt sich das Boot nach unten. Ziehe ich ihn zu mir her, fährt es wieder hoch Richtung Oberfläche. Links und rechts funktionieren genauso, wie bei einem Lenkrad. Das ist wie bei einem Computerspiel, alles kinderleicht.“

Mary Ann schien ihrem Bruder gar nicht zuzuhören. Sie schaut auf einmal wie gebannt nach draußen. Vor dem Fenster schwebte eine verzauberte, farbenprächtige Landschaft vorbei. Auch Steven hatte es mittlerweile bemerkt und steuerte das kleine U-Boot an roten, gelben und blauen Korallen vorbei – an kleinen Hügeln, steil abfallenden Hängen, sanften Tälern und dunklen Höhlen. Überall schwammen Fische der verschiedensten Arten und Farben umher.

„Das ist ja ein märchenhafter Ort. So etwas habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Ich glaube, dass wir hier unten schon bald das finden werden, wonach wir suchen, Mary Ann“, sagte Steven.

Seine Schwester nickte mit dem Kopf und betrachtete weiterhin fasziniert die Unterwasserwelt.

Plötzlich tauchte vor ihnen eine dunkle Wand auf.

„Was ist denn das?“ fragte Steven.

„Sieht aus wie ein altes Segelschiff. Sieh’ mal, da liegen noch eine Menge alter Kanonen im Sand, die überall mit Muscheln bedeckt sind“, rief seine Schwester aufgeregt.

„Ich werde das U-Boot ein bisschen näher heran steuern. Wenn wir Glück haben, stoßen wir schon bald auf die Gebeine eines alten Seemannes, die wir dann mit den Greifarmen des Bootes einsammeln können. Wir haben richtiges Glück gehabt, so schnell hier unten auf dem Meeresboden ein uraltes Segelschiff gefunden zu haben. Dafür braucht man normalerweise Monate. Oder hast du vielleicht auf einen Suchzauber getippt, Mary Ann?“

„Ich habe nur ein bisschen nachgeholfen, liebes Brüderchen. Denke bitte daran, dass wir gegen Mittag wieder zuhause sein müssen. Unsere Eltern würden sich große Sorgen machen, kämen wir zu spät.“

„Du hast Recht. Ich habe einfach nicht mehr daran gedacht, weil ich mich zu sehr von der schönen Unterwasserwelt habe ablenken lassen. Wir sollten jetzt ein wenig schneller machen und nach den Überresten eines alten Seebären suchen“, sagte Steven und steuerte das Mini-U-Boot noch näher an das düster da liegende Segelschiff, das noch recht gut erhalten ausschaute.

Schon nach einer Weile wurden sie fündig. Gleich neben dem abgebrochenen Ruder fanden sie die Knochen eines Mannes. An dem Schädel des Toten hafteten noch die Reste eines Ledertuches. Neben den bleichen Hüftknochen lag ein krummer, verrosteter Säbel.

„Das muss einer von der Besatzung gewesen sein. Wir werden die Gebeine mit dem Greifer einsammeln und in den Frachtraum bringen. Dann verstauen wir sie in eine Holzkiste und schon haben wir es geschafft. Dann fahren wir zurück zum Strand und lassen uns vom magischen Kreis an den Ort in unsere Zeit bringen, wo Merlin auf uns wartet.

Und in der Tat. Schon bald war die Arbeit erledigt und Steven kehrte mit dem Mini-U-Boot langsam zur Wasseroberfläche zurück.

Als sie oben angekommen waren, konnten sie endlich die Luke wieder öffnen und frische Meeresluft strömte ins Innere des U-Bootes.

„Ah, ich muss erst einmal richtig tief durchatmen“, sagte Steven zu Mary an und fühlte sich danach viel wohler, obwohl das Mini-U-Boot auf den Wellen herumtanzte wie ein Flaschenkorken. Steven steuerte das Boot auf eine kleine Insel zu, die plötzlich vor den beiden Kindern aufgetaucht war. Kurz bevor sie allerdings den Strand erreichten, setzten die Elektromotoren aus. Die Batterien waren leer, sie lieferten keinen Strom mehr.

„So ein Mist aber auch“, rief Steven. Er ärgerte sich darüber, dass sie den Rest bis zu der kleinen Insel durchs Wasser gehen mussten.

„Ich fürchte, wir müssen mit der Kiste durchs Wasser gehen. Halt du das Zauberbuch mit den Dingen nach oben. Es darf nicht nass werden. Wenn wir auf der Insel sind, suchen wir im Zauberbuch nach einem magischen Kreis. Damit kehren wir zurück. Doch vorher müssen wir noch ein Stück durchs Wasser laufen“, sagte Steven.

„Ja, es geht leider nicht anders. So ein Pech aber auch, dass ausgerechnet jetzt die Batterien ausfallen müssen. Ich hoffe nur, dass unsere Eltern nichts davon merken werden, wenn wir mit nassen Klamotten nach Hause kommen“, antwortete Mary Ann ihrem Bruder.

„Wir sind schon ganz dicht am Strand. Das Wasser ist hier nicht mehr allzu tief. Also springen wir rein. Das U-Boot müssen wir leider zurücklassen. Vielleicht wird es aufs offene Meer getrieben und schließlich irgendwann sinken“, sagte Steven und schob die Kiste mit den Gebeinen des alten Seemannes vor sich her durchs Wasser. Schon bald hatten die beiden das rettende Ufer erreicht. Unter einer Palme suchten sie Schutz vor der heißen Sonne, die gnadenlos vom blauen Himmel brannte.

Mary Ann schlug derweil das magische Zauberbuch mit den Dingen auf und suchte nach dem Zeichen eines magischen Kreises. Erst auf der letzten Seite wurde sie fündig. Gott sei Dank, dachte sie und tippte mit dem Zeigefinger auf die Zeichnung. Von einer Sekunde auf die andere entstand direkt vor ihnen im Sand ein magischer Kreis, der hell wie das Licht einer Neonlampe leuchtet.

„Gehen wir hinein, Mary Ann. Ich ziehe die Kiste hinter mir her. Das ist eine Arbeit für echte Männer.“

Stevens Schwester kicherte ein wenig über die blöden Worte ihres Bruders. Dann stand sie auf und trat zusammen mit Steven in den magischen Kreis. Schlagartig waren sie zusammen mit der Holzkiste verschwunden.

***

Die Strahlen der Morgensonne fielen über das Land. Steven hielt sich die Hand vors Gesicht und suchte nach Merlin. Der stand plötzlich neben ihnen.

„Das habt ihr richtig prima gemacht. Ich danke euch für eure wertvolle Mithilfe. Ich werde die böse Hexe Mandragora in einen alten, einarmigen Seemann verwandeln und zurück in die Zeit der Piraten schicken, als sie die Meere noch unsicher machten. Ihre Zauberkräfte werde ich vorsorglich versiegeln, damit sie mir nie wieder Schaden zufügen kann. Endlich werde ich Ruhe vor ihr haben. Das ist euer Verdienst, meine Kinder. Das nächste Mal, wenn ich euch in euren Träumen besuche, dann erhaltet ihr eine schöne Fantasiereise ins Land der Spielsachen. Ihr werdet begeistert sein. Verlasst euch drauf! Es wird eine Reise sein, die ihr nie vergessen werdet. Geht jetzt erst mal nach Hause. Eure Eltern werden sicherlich schon auf euch warten.“

Der Zauberer Merlin nahm das Zauberbuch mit den Dingen wieder an sich, ging mit der Holzkiste auf die große uralte Eiche zu und verschwand darin wie ein Gespenst. Noch einmal drehte er sich ein letztes Mal um und winkte den beiden Kindern zu. Dann war er weg.

„So, jetzt aber schnell nach Hause, Mary Ann. Komm, wir beeilen uns! Das Mittagessen wird schon fertig auf dem Tisch stehen. Wir wollen unsere Eltern nicht warten lassen.“

„Ja, mein großer Bruder, ich komme ja schon. Aber ohne Merlin hätten wir nicht so ein aufregendes Abenteuer erlebt – oder?“

„Stimmt, Schwesterchen. Und Merlin wird uns sicherlich bald wieder in unseren Träumen besuchen, denn er hat es uns versprochen. Ich bin mal gespannt, wie es im Spielzeugland so zugeht. Auch das wird bestimmt wieder ein tolles Abenteuer werden.

Mary Ann nickte mit dem Kopf und beeilte sich, mit den großen Schritten ihres Bruders mithalten zu können.

***

„Hallo Mama, wir sind wieder da!“ rief Mary Ann, nachdem sie die Haustür geöffnet hatte. Steven schlich hinter ihr ins Haus.

„Zieht eure Schuhe aus und wascht euch die Hände! Dann kommt beide in die Küche, wo das Essen schon auf dem Tisch steht. Vater ist nicht da. Er ist bei Onkel Albert und kommt ein bisschen später. Also ihr zwei, beeilt euch ein wenig, sonst wird das Essen kalt“, rief die Mutter, die am Küchenherd stand und gerade eine schmackhafte Rahmsoße anrührte.

„Machen wir doch, Mama“, riefen Steven und Mary Ann fast im Duett, gingen schnell auf ihre Zimmer, um sich umzuziehen, denn ihre Kleider waren immer noch nass.



ENDE


©Heinz-Walter Hoetter

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Heinz-Walter Hoetter).
Der Beitrag wurde von Heinz-Walter Hoetter auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.07.2018. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

Bild von Heinz-Walter Hoetter

  Heinz-Walter Hoetter als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Der Henker von Lemgo von Bettina Szrama



Hexenverfolgung in Lemgo, über das Leben der letzten verurteilten Lemgoer Hexe Maria Rampendahl und des Scharfrichters David Claussen. (1654 bis 1681)

Brillant recherchiert, gekonnt umgesetzt: Hexenprozesse, Liebesgeschichten und eine starke Heldin – dieser historische Roman hat alles, was ein spannendes Buch braucht.

Das Manuskript zum Roman errang 2005 einen 2. Platz beim internationalen Schriftstellerwettbewerb WRITEMOVIES in Hollywood.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Kinder- und Jugendliteratur" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Heinz-Walter Hoetter

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Und immer ruft der Nonsens von Heinz-Walter Hoetter (Absurd)
Abschied unterm Regenbogen von Michael Reißig (Kinder- und Jugendliteratur)
Blümchen und Bienen von Fritz Lenders (Weisheiten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen