Monika Litschko

Die Blockade

 

Kaline: „Irgendwie gefallen mir die rosa Schafe nicht. Sie sind so rosa. So schrecklich Rosa.“

Rudolf: „Wo siehst du rosa Schafe? Da draußen sind keine rosa Schafe. Da sind gar keine Schafe.“

Kaline: „Siehst du! Das kommt daher, weil sie gerade grün geworden sind. Das sind Tarnschafe.“

Rudolf: „Tarnschafe gibt es nicht. Rosa Schafe gibt es auch nicht. Also trink' in Ruhe deinen Kaffee.“

Kaline: „Ich kann aber keinen lila Kaffee trinken. Der schmeckt mir nicht. Außerdem wackeln die gelben Schafe gerade mit ihrem Hinterteil.“

Rudolf: „Also wirklich, Kaline. Mir wachsen bald Hörner, wenn du so weiter machst. Iss deinen Kuchen und halt die Klappe.“

Kaline: „Aber deine Hörner drehen sich im Kreis, da muss ich jetzt immer hingucken. Außerdem haben die blauen Schafe gerade rotes Gras gefressen.“

Rudolf: „Ich habe keine Hörner, Kaline. Blaue Schafe gibt es nicht und wenn, würden sie kein rotes Gras fressen. Rotes Gras gibt es nicht. Nur Grünes.“

Kaline: „Aber das Gras war rot. Ganz rot. Dunkelrot. Und warum sagst du, dass du Hörner hast, wenn du keine hast. Ich habe sie gesehen, links und rechts an deinem Kopf. Boa, so richtig spitze Hörner. Aber jetzt hast du nur noch zwei Stummel.“

Rudolf: „Ich bringe dich um. Ja, irgendwann werde ich es tun. Sonst bringst du mich noch ins Grab.“

Kaline: „Oh, grüne Tiger greifen die fliederfarbenen Schafe an. Du willst mich totmachen? Nur weil ich bunte Schafe sehe?“

Rudolf: „Du siehst keine Schafe, Kaline. Du hast sie niemals gesehen, weil in unserem Garten noch nie Schafe waren. Und unser Gras ist grün, nicht dunkelrot. Deshalb werde ich dich töten müssen.“

Kaline: „Dann jage ich dir die Regenbogenschweine auf den Hals. Sie haben versprochen, mich zu beschützen, falls du mich töten willst. Die machen dann Harakiri mit dir.“

Rudolf: „Die Regenbogenschweine habe ich letzte Woche zum Schlachter gebracht. Der hat schon Harakiri mit ihnen gemacht.“

Kaline: „Haha, ich habe sie wieder abgeholt. Was sagst du jetzt? Außerdem habe ich sie zum Lateinunterricht angemeldet.“

Rudolf: „Du hast was? Und wenn, warum lernen sie jetzt Latein?“

Kaline: „Damit du sie nicht mehr verstehen kannst. In deiner Gegenwart werden sie nicht mehr schweinisch sprechen. Nur noch Latein.“

Rudolf: „Gut. Du hast ja mit Latein auch nichts am Hut.“

Kaline: „Ach ja? Ich spreche aber neuerdings Französisch. Wulle wu Fronzai amekma. Hörst du den lateinischen Akzent?“

Rudolf: „Es hat gewirkt. Gib mir meinen Block, schnell. Nun mach schon.“

Kaline: „Ehrlich? Hier dein Block. Mann Rudolf, du hast deine Schreibblockade überwunden. Das machen wir jetzt immer, wenn du nicht mehr weiter weißt.“

Rudolf: „Das Rollenspiel war Klasse. Ich könnte jetzt die schönsten Gedichte und Geschichten schreiben. Du bist einmalig und fantasievoll.“

Kaline: „Das liegt an den eckigen Kühen, die gerade an unserem Fenster vorbei geflogen sind.“

Ein Schuss pfeift durch den heißen Sommertag. Kaline ist tot. Zu ihrer Beerdigung kamen bunte Schafe, Regenbogenschweine, grüne Tiger, der Schlachter und ein paar eckige Kühe flogen auch kurz vorbei. In Rudolfs Baum sitzt nun eine Katze mit glühenden Augen und beobachtet blaue Schafe, die rotes Gras fressen. Ob sie in zwanzig Jahren noch da sitzen wird, kann niemand sagen.

 

© Monika Litschko

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