Diethelm Reiner Kaminski

Sommersinfonie

 

Beim Wort Sommerabendkonzert denkt man an Zikaden oder Frösche, an tschilpende Schwalben an einem vom Sonnenuntergang rosig gefärbten Himmel. Sentimentale Romantik einer verflossenen Zeit.

Die modernen Konzerte klingen anders. Lauter, härter, brutaler. Ein Nachbar stimmt die Tonart an, und reihum greifen andere eilends zu ihren Instrumenten.

Ein Elektrorasenmäher beginnt zu brummen, Benziner stimmen ratternd mit ein. Schnell wird deutlich, wer die erste Geige spielt. Die anderen Streicher versuchen sie zu überbieten. Nur in den kurzen Pausen beim Wenden der Geräte oder beim Entleeren der Grasauffangbehälter vernimmt man das dumpfe Grollen und rhythmische Schleifen eines Betonmischers, das vom Hämmern einer Schlagbohrmaschine übertönt wird. Im Hintergrund hört man die gemischten Chöre des Vorstadtsinfonieorchesters: streitende Paare, kreischende Kinderstimmen, aufgeregt kläffende Hunde.

Ende des ersten Satzes Punkt 19.00 Uhr. Abruptes Verstummen der Maschinen.

 

Durch die wegen der großen Hitze geöffneten Türen und Fenster dringen, unterschiedlich deutlich vernehmbar, Fetzen einer Fußballübertragung. Dazwischen Pop-, Rock- und Schlagermusik der Jüngeren, die nicht dem Fußballfieber verfallen sind. Jemand übt verbissen mit einem Finger auf einem verstimmten Klavier.

 

Der zweite Satz der Sommersinfonie dauert fast zwei Stunden.

 

Der Schlusssatz ist etwas getragener, aber er zieht sich hin bis Mitternacht. Gläserklirren, Gelächter, Gegackere, Gegröle, umfallende Stühle, lärmende Begrüßungen, wortreiche Verabschiedungen. Grillfeste, solange die Vorräte an Holzkohle, Bierfässchen und Bratwürsten reichen.

 

Nachts liege ich wach neben meiner Frau. Es ist stickig heiß.

„Schreckliche Hitze“, stöhne ich. „Kannst du auch nicht einschlafen? Kein Wunder. Die Luft steht geradezu.“

 

„Nicht deswegen“, sagt sie. „Ich denke die ganze Zeit darüber nach: Wollen wir nicht doch lieber wieder in die Innenstadt ziehen? Diese Stille. Sie erdrückt mich. Ich brauche Leben um mich her, um mich als Mensch zu fühlen.“

 

„Schlaf jetzt“, sage ich. „Lass uns das in Ruhe besprechen. An einem dieser wunderbar lauen Sommerabende, wie wir sie jetzt genießen dürfen. Das Kaiserwetter soll uns noch bis zur nächsten Woche erhalten bleiben. Wir werden uns schon einigen – draußen auf der Terrasse, wenn der Tag zur Ruhe gekommen ist, bei einem guten Glas Wein.“

 

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