Klaus-Peter Behrens

Artefaktmagie, Teil 51

Dank des konstanten Rückenwinds und der verhältnismäßig ruhigen See, hatte das kleine Dingi die Überfahrt relativ problemlos bewältigt. Wie eine gigantische Festungsmauer ragten nun die Gestade der Insel vor den Gefährten düster aus dem tiefschwarzen Meer auf und ließen das kleine Dingi wie eine Nußschale wirken. Steile, felsige Klippen erhoben sich auf breiter Front abweisend mehrere hundert Fuß hoch in den Nachthimmel. Hoch oben auf den Klippen krallten sich vereinzelt verkrüppelte Bäume und dornige Sträucher in das felsige Gestein. Michael schluckte bei diesem finsteren Anblick, auf den das Boot unbeirrt Kurs hielt. Er hätte nicht sagen können, wie lang die Insel tatsächlich war, schätzte sie aber auf mehrere Meilen Länge, denn mit jeder Minute wuchs sie weiter vor ihnen empor und füllte schon bald ihr gesamtes Sichtfeld aus.

Unheimlich“, brummte der Wühler, dem die Aussicht, eine Pfote auf dieses düstere Eiland zu setzen, offenbar nicht behagte. Michael nickte bedrückt. Die geheimnisumwobene Insel hatte er sich anders vorgestellt.

Freundlicher.

Unter Gelons kundiger Hand an der Pinne segelten sie eine gute Meile an den steil aufragenden Klippen entlang, ohne daß ein Hafen in Sicht kam. Auf halben Weg hatten sie lediglich eine durch Erosion tief in den Fels eingegrabene Spalte passiert, die mit Geröll gefüllt war, das bis zum Wasser hinab reichte und dort einen felsigen Strand bildete. Aber Gelon war trotz der Einwände Michaels daran vorbei gesegelt. Nach einer weiteren Meile änderte er jedoch plötzlich den Kurs und segelte nun direkt auf die steingrauen Klippen zu, die unheilverkündend vor ihnen in die Höhe ragten und keine Achtelmeile mehr entfernt waren. Wellen brachen sich im fahlen Mondlicht Gischt aufspritzend an den felsigen Gestaden, und es stand außer Frage, wie dem Dingi eine Kollision mit den Granitfelsen bekommen würde.

Ertrinken“, knurrte der Wühler beunruhigt. Michael befürchtete Ähnliches. Besorgt wandte er sich dem alten Magier zu.

Wollen Sie uns umbringen? Ich sehe keine Möglichkeit, dort an Land zu gehen. Sie müssen umdrehen, bevor es zu spät ist. Lassen Sie es uns lieber an dem felsigen Strand probieren, an dem wir vorhin vorbeigekommen sind. Hier gibt es nichts außer steil aufragenden Klippen, an denen dieses Boot zerschellen wird.“

Sieh genauer hin“, forderte Gelon ihn auf. Ein wissendes Lächeln spielte um seine Mundwinkel.

Da ist nichts“, fauchte Michael, der hilflos die graue Wand betrachtete. Dafür entdeckte Glyfara etwas, das sie verblüffte.

Mit den Wellen stimmt irgend etwas nicht“, sagte sie irritiert. „Dort links von der Felsnadel, die wie ein Wegweiser aus dem Wasser ragt. Achte auf den Wellengang“, wies sie Michael an. Der kniff die Augen zusammen, spähte in die angegebene Richtung und erkannte plötzlich die Anomalie, die er bisher übersehen hatte. Auf gut sechzig Fuß Breite brandeten die Wellen dort geradewegs durch das Gestein hindurch, während sie sich links und rechts an den steinernen Klippen brachen. Anerkennend stieß er einen Pfiff aus, als er erkannte, auf was der alte Magier zuhielt.

Eine magisch verborgene Höhle! Das nenne ich eine gelungene Überraschung. Wie tief ist sie?“

Der Eingang ist gute vierzig Fuß hoch, und sie reicht beinahe eine halbe Meile weit ins Innere der Insel. Zündet die Buglaterne an und haltet die Fackeln bereit. Dort drinnen wird rabenschwarze Nacht herrschen, und ich möchte nicht fast am Ziel noch irgendwo zerschellen.“

Aye, Kapitän“, erwiderte Michael grinsend und machte sich sofort daran, seinen Rucksack nach dem Gewünschten abzusuchen, indes die hoch aufragende Klippenwand immer bedrohlicher vor ihnen in die Höhe wuchs. Glyfara entzündete derweil die Buglaterne, die einen Augenblick später einen fahlgelben Schein auf die schwarze See warf. Kurz bevor sie die Klippen erreichten, gab Gelon den Befehl, das Segel einzuholen und dafür die Ruder zu bemannen. Fast war Michael dankbar dafür; denn so blieb ihm der Anblick der erstaunlich echt wirkenden Felswand erspart, auf die das Boot schnurgerade zulief, als er mit dem Rücken zu den Klippen seine Ruderposition einnahm.

Wir werden kentern, schoß es ihm trotz der beruhigenden Worte Gelons durch den Kopf, während er sich gemeinsam mit Glyfara in die Riemen legte. Das Donnern der Brandung dröhnte in seinen Ohren, als das Boot in die Schatten der Klippen eintauchte. Jeden Moment erwartete er nun das Zerbrechen von Holz zu hören, wenn das kleine Boot an den Klippen zerschellen würde. Doch nichts geschah. Statt dessen ragten links und rechts von ihnen plötzlich Felsen lotrecht in die Höhe.

Ohne daß er etwas davon gemerkt hatte, hatten sie die magische Barriere passiert.

Das Tosen der Wellen klang nun anders. Ein hohles, hallendes Echo der sich weit vor ihnen brechenden Wellen ließ darauf schließen, daß der Kanal, der auf Wasserebene gute sechzig Fuß breit war und sich nach oben hin wie das Schiff einer Kirche verjüngte, tatsächlich tief in den Fels hinein reichte. Das gelbe Licht der Laterne warf unheimliche Schatten auf die unregelmäßig geformten Felswände des seltsamen Kanals, den sie nun passierten. Teilweise verengte sich der Wasserweg auf weniger als zwanzig Fuß, so daß Michael schon befürchtete, sie würden irgendwann stecken bleiben.

Dann aber weitete sich der Kanal wieder, und sie konnten weiterhin ungehindert in die Finsternis vordringen, die kaum von dem blassen Licht der Buglaterne durchdrungen wurde. Die Armmuskeln begannen Michael allmählich weh zu tun, als sich der Kanal schließlich unerwartet weitete. Das Licht der Buglaterne reichte nicht weit genug, um die steinernen Begrenzungen rechts und links des Dingis zu erhellen. Michael vermutete, daß der Kanal in eine Lagune von mehreren hundert Fuß Durchmesser mündete. Das Echo der Wellen, die sich irgendwo vor ihnen in der Finsternis offenbar an einem felsigem Strand brachen, klang deutlich tiefer als zuvor, was auf einen großen Hohlraum schließen ließ.

Nachdem sie eine gute Minute weiter gerudert waren, schälte sich ein kiesbestreuter Strand und weiter dahinter liegend eine massive Felswand im blassen Licht der Buglaterne aus der Dunkelheit. Michael und Glyfara legten sich noch einmal kräftig in die Riemen, und einen Augenblick später wurde das Boot von einer Welle auf den Strand getragen, wo es mit einem knirschenden Geräusch aufsetzte. Sofort sprangen Michael, Glyfara und der Wühler über die Wandung in das knietiefe Wasser und begaben sich an Land. Mithilfe eines Seils, das er um einen an einen versteinerten Baum erinnernden Felsen schlang, sicherte Michael ihr Gefährt. Indes war Glyfara in Begleitung des Wühlers bereits bis zum Rand des Lichtscheins vorgedrungen und spähte dort angestrengt in die Dunkelheit. Da jedoch weder sie noch der Wühler ein Anzeichen für eine unmittelbare Gefahr entdecken konnten, entspannte sie sich ein wenig und kehrte zurück zum Boot, wo inzwischen auch Gelon über die hölzerne Wandung geklettert und an Land gewatet war. Angeregt unterhielt er sich mit Michael, der gerade damit beschäftigt war, eine der mitgebrachten Pechfackeln an der Buglaterne zu entzünden.

Und wie geht es jetzt weiter?“, fragte Glyfara mit erhobener Stimme, um sich gegen das hohle Echo der anbrandenden Wellen zu behaupten. Statt eine Antwort zu geben, wies Gelon mit der Hand nach rechts, wo der Strand und das Gestein im tiefen Dunkel verborgen lagen. Alles hätte sich dort in den undurchdringlichen Schatten verbergen können, Ungeheuer aus einer längst vergessenen Zeit, eine kleine Armee, ein paar tödliche Fallen oder vielleicht der Ausgang aus dieser Grotte.

Wie du meinst. Irgendwo müssen wir ja anfangen mit der Suche. Warum also nicht dort“, kommentierte Glyfara die Entscheidung ihres Vaters.

Mit der Waffe in der einen und der Fackel in der anderen Hand übernahm sie die Führung, dicht gefolgt von Michael, der nervös den Griff seines Schwertes umklammerte. An seiner Seite trabte der Wühler, der gelegentlich den einen oder anderen Kommentar über die unerbauliche Umgebung zum Besten gab. Das Schlußlicht bildete der unbewaffnete Gelon, der die Buglaterne trug.

Ihre Schatten eilten ihnen voraus, als sie sich nun auf dem anstrengenden Untergrund entlang der Felswand voran kämpften, ohne daß irgendwo ein Ausgang zu entdecken war. Die Felswand blieb glatt und unberührt, und in Michael verdichtete sich mit jedem weiteren Schritt die Befürchtung, daß sie sich für die falsche Richtung entschieden hatten. Als er fast so weit war, den Gefährten die Umkehr vorzuschlagen, schälte sich endlich eine zehn Fuß breite und fünf Fuß hohe Öffnung im unsteten Licht der Fackel aus der Dunkelheit. Ein paar steinerne Stufen führten vom Strand zu der klaffenden Öffnung hinauf, die in dem makellosen Granit wie eine offene Wunde wirkte. Ein gußeiserner, rostzerfressener Fackelhalter, der schon bessere Tage gesehen hatte, prangte links des Eingangs an der Wand. Glyfara war die erste, die die Stufen erklomm und in die Öffnung spähte, die sich bei näherem Hinsehen als grob behauener, tief ins Gestein der Insel führender Tunnel präsentierte.

Sieht gut aus“, sagte sie zu ihren Gefährten, die inzwischen zu ihr aufgeschlossen hatten und nun ihrerseits den gähnenden Schlund betrachteten. Die Fackel warf zuckende Schatten, die auf den unregelmäßig bearbeiteten Wände einen makabren Tanz aufzuführen schienen.

Gemütlich“, brummte der Wühler mit einem Anflug von Zynismus.

Und so wie es aussieht, unsere einzige Chance hier herauszukommen“, stöhnte Michael, der es allmählich leid war, durch dunkle Gänge zu spazieren. Sein Blick fiel auf Glyfara, die gerade ihr Schwert wegsteckte.

Halt das mal“, befahl sie und drückte Michael die blakende Fackel in die Hand. „Für meinen Bogen brauche ich beide Hände“, ergänzte sie, als sie Michaels fragenden Gesichtsausdruck registrierte.

Nachdem sie den Bogen von Schulter einen Pfeil auf die Sehne gelegt hatte, drangen sie in den düsteren Tunnel vor, dicht gefolgt von Gelon und dem Wühler.

Der Gang führte zunächst hundert Fuß schnurgeradeaus, bevor er langsam nach rechts schwenkte und dann stetig anstieg. Behutsam folgten sie dem Verlauf, bis sie an eine Abzweigung gerieten. Der Haupttunnel führte weiter in einem Bogen aufwärts, während ein kleinerer Tunnel sich abwärts in der Dunkelheit verlor. Die Gefährten ließen den abwärts führenden Tunnel links liegen und folgten weiter dem Verlauf des Haupttunnels, dessen Wände nun stärker zerklüftet waren als zuvor und sich mal nach links und dann wieder nach rechts wand, als könne er sich nicht für eine Richtung entscheiden. Schließlich tauchte am Ende des Tunnels das blasse Licht des Mondes auf.

Der Ausgang war erreicht.

Erleichtert erhöhten die Gefährten ihr Tempo und gelangten kurze Zeit später tatsächlich ins Freie. Michael hatte keine Vorstellung davon gehabt, was ihn auf der Insel erwarten würde. Auf den Anblick, der sich ihm nun bot, war er allerdings nicht im Entferntesten vorbereitet gewesen.

 

Die Riemen ächzten beängstigend während sich die betagte Schaluppe durch die nächtliche See kämpfte. Immer wieder hatten die drei Krieger Mithilfe eines hölzernen Bottichs Wasser aus dem lecken Gefährt schippen müssen, und es kam einem Wunder gleich, daß es nicht schon längst gesunken war. Selbst die stämmigen Ulogs waren daher inzwischen am Ende ihrer Kräfte; denn ihr Anführer hatte sie unerbittlich zum Rudern angetrieben, um das Segel ihrer Beute nicht aus den Augen zu verlieren, und nun war es doch passiert.

Verärgert schlug Gorgor mit der geballten Faust auf die hölzerne Wandung. Eben noch hatte er das helle Segel vor den hoch aufragenden, düsteren Klippen der Insel ausgemacht, dann war es auf einen Schlag verschwunden.

Aber wohin?

Immer wieder suchte der Dämon die Umgebung um die Position ab, wo er das Segel zuletzt gesehen hatte, aber das Boot blieb unauffindbar. Als sei Magie im Spiel gewesen. Wütend wies Gorgor die stöhnenden Ruderer an, das letzte aus dem Boot herauszuholen, worauf die Schaluppe noch ein wenig mehr Fahrt aufnahm und der Bug zischend durch die tiefschwarze See schnitt. Die Hand an der Pinne hielt der Dämon den Punkt im Auge, wo er das Dingi zuletzt gesehen hatte. Er würde herausfinden, wohin das Boot verschwunden war, und wenn es das letzte sein sollte, was er in seinem Leben tat.

 

Der strenge Geruch des Bärentrupps hing wie eine Wolke zwischen den Bäumen, als Sid am verabredeten Punkt eintraf, einer kleinen Lichtung inmitten des Schwarzwaldes, der die Hänge diesseits der Berge wie ein Teppich bedeckte.

Fünfundzwanzig Reiter waren mit ihren riesigen Tiere dem Aufruf gefolgt und sahen nun in gespannter Erwartung den Befehlen ihres Anführers entgegen. Obwohl Sid noch jung an Jahren war, hatte er sich durch seinen Mut und sein Geschick im Umgang mit den Bären den Respekt der hartgesottenen Bärenreiter verdient. Er galt als besonnen, loyal und fintenreich, so daß die Bärenreiter vermuteten, daß er einen guten Grund hatte, sie inmitten der Nacht zu diesem Treffpunkt zu bestellen. Sid kam daher nach einer kurzen Begrüßung auch ohne lange Umschweife gleich zur Sache:

Männer, danke daß ihr gekommen seid. Ein längst vergessen geglaubter Feind hat Einzug in dieses Land gehalten und den Krieg zu uns getragen. In diesem Moment wird die Festung der Bruderschaft, unserer langjährigen Verbündeten, von einer Armee von Kreaturen angegriffen, wie sie furchteinflößender nicht sein könnten.“

Ein aufgeregtes Raunen ging bei diesen Worten durch die Menge, und auf vielen der hartgesottenen Gesichter konnte Sid Zweifel oder ungläubiges Staunen entdecken. Auffordernd hob er die Hände, worauf sich wieder Ruhe einstellte, auch wenn es vielen auf den Nägeln brannte, ihren Anführer mit Fragen zu überhäufen.

Ich selbst habe es von Gelon, dem obersten Hofmagier der Bruderschaft erfahren, der auf dem Weg zur verfluchten Insel ist, um den Bann zu erneuern. Doch er ist nicht sicher, ob ihm dies gelingen wird. Unsere Unterstützung im Kampf gegen das Böse ist daher dringend erforderlich, denn das Schattenreich ist wieder auferstanden und trachtet wie einst danach, dieses Land in Dunkelheit und Verzweiflung zu treiben. Böse Mächte haben es dem Feind ermöglicht, den Bann zu durchbrechen, der die Kreaturen der Finsternis von unserer Welt fern gehalten hat. Aber nun sind sie wieder unter uns und könnten schon morgen in unsere Dörfer einfallen und unsere Familien töten. Zahlreich sind sie, grausam und gnadenlos. Wenn wir uns heute nicht gegen sie stellen und Seite an Seite mit der Bruderschaft gegen sie kämpfen, werden wir uns schon bald allein auf uns gestellt gegen die Horde behaupten müssen. Ein Stück weiter unten habe ich bereits Spuren von Kriegsrössern entdeckt. Wir haben keine Wahl, wenn wir nicht untergehen wollen.“

Er schwieg einen Moment und wartete, bis er sicher war, daß jedes Augenpaar gebannt an seinen Lippen hing.

Was genau soll das bedeuten? Wir haben keine Wahl?“, fragte Bergon, ein stämmiger Mann mit flachsblondem Haar, der Sid sogar noch um eine Handspanne überragte. Seine gewaltige Pranke umfaßte einen stabilen Eichenschaft, der an beiden Seiten mit gefährlichen Stahlspitzen versehen war. Es gab niemanden im Clan, der ihm mit dieser Waffe ebenbürtig war. Dafür war er ein lausiger Bogenschütze.

Wir ziehen in den Krieg. Für die Freiheit!“, erwiderte Sid mit fester Stimme. Er wußte, daß er viel von seinen Männern verlangte. Nach den Schilderungen Gelons würden sie sich mit einer gewaltigen Streitmacht anlegen. Aber Sid hatte nicht vor, sich dem Feind offen im Kampf zu stellen, sondern aus dem Hinterhalt anzugreifen und dort zuzuschlagen, wo es niemand vermuten würde. Angreifen und wieder Abtauchen, bevor der Feind sich auf die neue Situation einstellen konnte. Nur so hatten sie eine Chance. Im offenen Kampf würden sie trotz der Kampfkraft der pelzigen Kolosse hoffnungslos unterliegen.

Ich gehe davon aus, daß du einen Plan hast“, unterstellte Arum, ein untersetzter, bärtiger Mann von dreißig Jahren, der sich auf einen mächtigen Kriegshammer stützte. Früher war Arum Schmied gewesen, bis er eines Tages hinter seiner Schmiede am Waldrand ein verwaistes, hungriges Bärenjunges gefunden und von Hand groß gezogen hatte.

Das hatte sein Leben verändert.

Das kleine Pelzknäuel mit Namen Zottel war zwar mit den Jahren zu einer gewaltigen, grauen Muskelberg herangewachsen, aber das Band zwischen Mensch und Bären war geblieben. Da sich die Tätigkeit als Schmied aber nur schwer in der Gesellschaft eines ausgewachsenen Bären ausüben ließ, hatte er schließlich seinen Beruf an den Nagel gehängt, sein Dorf verlassen, war dem Clan beigetreten und hatte es nie bereut. Er hatte zwar keine Waffenausbildung genossen, verstand es aber, seinen Schmiedehammer in tödlicher Weise zu schwingen, so daß er gerne in die Reihen der Bärenreiter aufgenommen worden war, zumal sein Tier ein wahres Prachtexemplar war. Die grauen Augen des ehemaligen Schmieds, mit dem Sid inzwischen freundschaftlich verbunden war, ruhten nun auf ihm und warteten auf eine Erklärung.

Selbstverständlich habe ich einen Plan“, erwiderte Sid erwartungsgemäß und erläuterte den aufmerksam zuhörenden Kriegern sodann die Einzelheiten. Beifälliges Gemurmel erklang, als Sid zum Ende kam.

Der Plan ist gut!“

Anerkennend schlug ihm Bergon auf die Schulter. Auch die anderen bekundeten ihre Zustimmung.

Dann laßt uns aufbrechen und keine Zeit verlieren. Die Schlacht tobt jenseits dieser Berge, und unsere Unterstützung wird dort dringend gebraucht.“

Ein vielstimmiger Schlachtruf schallte darauf durch den nächtlichen Wald. Dann begaben sich die Krieger zu ihren Tieren, die unruhig brummten, als würden sie erahnen, was auf sie zukam.

 

Polternd fiel die Rampe auf den Mauerkranz. Sofort brüllte Wengor heisere Befehle, um die Abwehr zu formieren, während er zugleich mit erhobenem Schwert auf die Stelle zulief, wo finster aussehende Dämonen mit Schwertern, Prügeln, Äxten und Krummsäbeln über die Rampe auf den Mauerkranz zu stürmten. Eine Handvoll Männer mit Piken und langen Schwertern stellte sich dort todesmutig dem übermächtigen Feind.

Links und rechts dieser neuen Front schossen Armbrust- und Bogenschützen Pfeile und Bolzen in die Menge der wogenden Leiber und bemühten sich, feindliche Schützen rechtzeitig auszuschalten. Etliche Dämonen fielen dem Beschuß zum Opfer und stürzten von der Rampe in die Tiefe. Andere wurden von Piken aufgespießt oder Langschwertern getötet.

Aber auch auf der Seite der Verteidiger gab es Verluste. Wengor sah einen alten Soldaten, der schon seit Jahren unter seinem Befehl diente, blutüberströmt zu Boden sinken. Ein anderer stürzte mit der Pike in der Hand von den Zinnen der umkämpften Front, nicht jedoch, ohne zuvor noch zwei Widersacher mitzunehmen. Wengor knirschte bei diesem Anblick vor Verzweiflung mit den Zähnen. Dann endlich hatte er den hart umkämpften Abschnitt erreicht. Mit einem heiseren Schrei stürzte er sich in die Schlacht. Sein Schwert wütete unter den Feinden und hielt blutige Ernte. Leichtfüßig wich er angreifenden Klingen aus, drehte sich zur Seite, tänzelte wie ein junger Mann, um im nächsten Moment wie eine Viper zuzustoßen. Ein Dämon nach dem anderen sank so tödlich getroffen zusammen und stürzte von der Rampe in die Tiefe. Dies gab den Verteidigern an seiner Seite neue Hoffnung, zumal nun auch noch der grimmige Zwerg auftauchte, dessen Axt eine todbringende Melodie pfiff. Krummsäbel, Dolche und stachelbewerte Keulen wurden einfach beiseite geschlagen, bevor die scharfe Doppelklinge Gewebe, Knorpel und Muskeln durchtrennte. Angesichts derart tatkräftiger Unterstützung stürzten sich die Verteidiger mit neuem Elan in die Schlacht. Hin und her wogte der Kampf, und die Rampe wurde nach und nach schlüpfrig vom Blut der Getöteten, doch noch immer war es keinem der Dämonen gelungen, einen Fuß auf die Mauer zu setzen. Jeder Vorstoß scheiterte an einem scheinbar unüberwindbaren Bollwerk aus Axt und Schwertern.

Trotzdem war jedem der Soldaten bewußt, daß sie hier auf verlorenem Posten kämpften. Für jeden getöteten Gegner quollen zwei weitere aus der Tiefe des Turms an die Oberfläche, wohingegen auf ihrer Seite kein Nachschub zu erwarten war. Inzwischen war ihre Verteidigungslinie beträchtlich gelichtet, aber der Wille, sie zu halten, war ungebrochen, denn anderenfalls wäre die Festung verloren.

Aber die Chancen standen unbestreitbar schlecht.

Auf breiter Länge lief der Feind nach wie vor mit Sturmleitern und Greifhaken gegen den Festungswall an. An einigen Stellen, wo es ihm gelungen war, auf die Zinnen zu gelangen, kam es bereits zu wilden Handgemengen. Wengor, dessen Schwert weiterhin wie ein Derwisch unter den Angreifern wütete, entdeckte plötzlich die zwei Jugendlichen, die ihm beim Ausschütten von kochendem Wasser aufgefallen waren. Diesmal trugen sie zwei große, tönerne Gefäße, in denen das brennbare Pech gelagert wurde und gestikulierten wild, um auf sich aufmerksam zu machen. Sofort erkannte Wengor, welche Chance sich ihm so unverhofft bot. Offensichtlich war es den beiden gelungen, noch einen Rest an Pech aufzutreiben. Nun mußte es ihnen nur noch gelingen, damit die Rampe und den oberen Teil des Turms zu tränken und das Ganze anzuzünden.

 

Vor Urzeiten mußte es auf der Insel einen gewaltigen Vulkanausbruch gegeben haben, der den Kegel des Vulkans vollkommen abgesprengt hatte. Michael erinnert sich, daß er auf seinem letzten Griechenlandurlaub etwas ähnliches über die Insel Santorin und Nissyros bei Kos gehört hatte. So etwas in der Art mußte auch dieser Insel vor langer Zeit widerfahren sein.

Von seinem erhöhten Standpunkt aus glitt sein Blick über einen gewaltigen Krater von mehreren Kilometern Durchmesser, dessen Wände steil abfielen. Stellenweise zog sich der dichte Pflanzenbewuchs vom Rand des Kraters bis zum Grund hinab, an anderer Stelle waren die Kraterwände hingegen kahl wie auf dem Mars.

Von dem Plateau führte ein schmaler, kaum erkennbarer Pfad zum Kraterboden hinab, der gut und gern dreihundert Fuß unter ihnen lag und größtenteils mit dichter Vegetation bedeckt war. Mit einem beklommenen Gefühl im Magen registrierte Michael, daß er damit unterhalb des Meeresspiegels lag.

Das Ungewöhnlichste, das seinen Blick anzog, befand sich exakt in der Mitte des Kraters. Inmitten eines unbewegten Sees, der wie ein polierter Spiegel wirkte und die Schwärze der Nacht reflektierte, ragte ein glänzender, pechschwarzer Monolith auf, der den Eindruck erweckte, als hätten die Götter ihn persönlich an dieser Stelle in die Tiefe der Erde gerammt. Eine schmale, hölzerne Brücke führte vom Ufer des düsteren Sees zu einer steinernen Plattform von mehreren Metern Durchmesser hinüber, die den Sockel des Monolithen oberhalb der Wasserlinie umgab.

Ich schätze, das ist wohl unser Ziel“, flüsterte Michael ehrfurchtsvoll, den der Anblick zutiefst beeindruckt hatte.

Gelon nickte.

Ja, das ist er. Der magische Pfeiler, der so tief in der Erde hinab reicht, daß er zugleich die Flussbette von vier gewaltigen, magischen Strömen durchteilt, die sich an dieser Stelle kreuzen. Nirgendwo auf der Welt ist die Magie größer, als an diesem Ort, sofern man es versteht, sich ihrer zu bedienen. Nur hier war es daher möglich, die Magie zu formen, die erforderlich ist, um eine magische, unüberwindliche Mauer zwischen unserer Welt und der unserer Feinde zu schaffen. Und das Artefakt ist der Schlüssel dazu.“

Dann sollten wir zusehen, daß wir es auch benutzen. Der Mond steht bereits hoch am Himmel, und ich wage nicht darüber nachzudenken, wie es um die Bruderschaft in diesem Moment steht“, sagte Glyfara mit der ihr typischen Nüchternheit. Erneut nickte Gelon.

Du hast recht. Laßt uns aufbrechen, es ist noch ein gutes Stück Weg bis nach unten.“

Mit festem Schritt betrat er den schmalen Pfad, gefolgt von Glyfara. Michael, den ein ungutes Gefühl beschlich, warf einen letzten Blick zurück zu dem düsteren Tunnelausgang. Irgend etwas sagte ihm, daß dieser letzter Abschnitt des Abenteuers noch einige unliebsame Überraschungen für ihn parat halten würde. Dann wandte er sich ab und beeilte sich, die Gefährten einzuholen.

 

Das Bild, das sich Sid und seinen Getreuen bot, als sie den höchsten Punkt des niedrigen Bergkamms erreichten und in das Tal hinab spähten, war beängstigend. Der Talboden rund um die Festung wimmelte vor Kreaturen, die gegen die Festungswälle anrannten. Im Osten machte Sid sogar einen Belagerungsturm in der Nähe der Festungsmauer aus, und im Süden drang eine gewaltige Streitmacht auf das Tor vor. Sie führte etwas mit sich, das der Bärenreiter auf diese Distanz nicht genau erkennen konnte, er vermutete aber, daß es sich dabei um einen Rammbock handelte. Das schwere Dröhnen der Kriegstrommeln und das blecherne Schnarren der Hörner, zu deren Klängen sich die Horde vorwärts wälzte, war sogar hoch über dem Tal zu vernehmen und verursachte allen eine Gänsehaut.

Dies hier war deutlich schlimmer, als sie es erwartet hatten.

Und wo fangen wir jetzt an?“, fragte Arum, der rechts von Sid auf seinem Bären saß und finster ins Tal hinab spähte. „Beim Belagerungsturm oder beim Tor?“

Das Tor ist der größte Schwachpunkt. Sollte es fallen, wird der Feind die Festung einfach überrennen. Wir werden uns daher in westlicher Richtung vorarbeiten und dann von Süden her seine Flanke angreifen, für Chaos sorgen und wieder in der Nacht verschwinden, bevor er sich auf die neue Situation einstellen kann.“ Mit der rechten Hand tätschelte er den muskelbepackten Rücken seines Bären, der unruhig tänzelte. Seine feine Nase nahm selbst über diese Entfernung den Geruch von Blut und Tod wahr. Ein leises, tiefes Grollen verriet seine Unruhe, das sich auch unter Sids tätschelnder Hand nicht legte. Das Raubtier in ihm war erwacht, und das wollte töten und Beute machen.

Bleibt nur zu hoffen, daß sie die Festung bis zu unserem Eintreffen halten werden."

 

Wird noch immer fortgesetzt...aber das Ende der Geschichte und möglicherweise das einiger der Gefährten naht...

Danke für Eure Treue und Geduld....und bleibt nun auch noch bis zum Schluss dran

Euer

Klaus-Peter

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.08.2018. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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