Heinz-Walter Hoetter

Das perfekte Verbrechen

Als die junge Sekretärin Laura Schmid aus dem Bus stieg, war es draußen bereits schon dunkel geworden. Sie war auf dem Weg nach Hause und hatte heute ein paar Stunden länger arbeiten müssen, weil sie für ihren Chef noch einige wichtige Unterlagen fertig stellen musste. Es war ziemlich spät geworden, als sie die Firma endlich verlassen konnte.

Der Bus setzte sich mittlerweile wieder mit laut aufheulendem Motor in Bewegung. Die junge Sekretärin stand nun allein an der Bushaltestelle und blickte hinüber zu dem kleinen Friedhof, der sich direkt gegenüber der Bushaltestelle befand.

Gleich hinter dem Friedhof lag eine neue Stadtrandsiedlung, wo sich Laura und ihr Freund Jochen letztes Jahr zusammen eine geräumige Eigentumswohnung gekauft hatten. Seit dem sie mit ihrem Freund hier in die neue Wohnung eingezogen war, versuchte sie immer rechtzeitig noch vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause zu sein, was allerdings oft nicht gelang.

Um zu ihrer Wohnung zu gelangen musste sie entweder den vor ihr liegenden Friedhof umrunden oder ihn direkt durchqueren. Laura grübelte einen Moment darüber nach, was sie diesmal machen sollte.

Der vor ihr liegende Gottesacker kam ihr stets unheimlich vor, obwohl sie eigentlich genau wusste, dass die Toten den Lebenden nichts mehr anhaben konnten. Es sind eben stets die gruseligen Gedanken über die Geister verstorbener Personen, die sich viele Menschen über die Orte derartiger Begräbnisstätten machten, die bei ihnen immer wieder tief sitzende Ängste auslösten.

Die junge Frau stand also nun vor der Entscheidung schnell nach Hause zu kommen und über den Friedhof zu gehen oder den längeren Weg um ihn herum zu wählen.

Laura entschied sich diesmal dafür, den Friedhof zu durchqueren, auch deshalb, weil sie endlich einmal ihre unterschwellige Angst vor diesem unliebsamen Ort besiegen wollte.

Als sie vor dem schmalen Eingang des Friedhofes, direkt unter dem schummrigen Licht der mit Efeu bewachsenen Laterne stand, konnte sie sogar von hier aus den düster wirkenden Ausgang auf der anderen Seite sehen. Der gerade Weg maß vielleicht nicht mal an die einhundert Meter. Was sollte also auf dieser kurzen Strecke schon passieren?

Also lief die junge Frau los. Doch schon nach ein paar Metern schien es ihr, als hörte sie plötzlich ein Geräusch hinter sich, das ausgerechnet von jenem Eingang kam, den sie gerade hinter sich gelassen hatte.

Laura blieb stehen und drehte sich um. Hatte sich da nicht gerade ein Busch bewegt? Oder war es vielleicht nur der Wind gewesen, der mit dem verzweigten Ästen des weit ausladenden Busches spielte?

Da, schon wieder.

Ein Schatten verließ den Busch und huschte an der Friedhofsmauer entlang. Dann war er auch schon wieder verschwunden. Das war mit Sicherheit nicht der Wind gewesen, dachte Laura.

"Da versucht man einmal, seine eigene Angst zu überwinden und dann passiert einem das", sagte die junge Frau ängstlich mit halblauter Stimme zu sich selbst, griff im gleichen Moment in ihre Tasche und holte ihr Handy raus. Schnell war die Nummer ihres Freundes gewählt.

Es knackte ein paar mal im Lautsprecher des Handys, dann sagte eine männliche Stimme: "Hier ist Jochen. Bist du es, Laura?"

"Ja, ich bin es. Ich musste heute länger arbeiten und habe die Abkürzung über den kleinen Friedhof genommen. Aber irgend etwas stimmt hier nicht. Ich habe den komischen Eindruck, dass ich verfolgt werde. Ich kriege echte Angst. Kannst du schnell kommen und mich abholen, Jochen?"

"Ja natürlich. Ich bin schon unterwegs, Laura. Mach', dass du von dem Friedhof runterkommst. Ich bin gleich bei dir", antwortete ihr Freund aufgeregt. Dann beendete er das Gespräch.

Die junge Frau rannte los, so schnell sie nur konnte. Kurz vor dem Ausgang hielt sie plötzlich inne. Eine schattenhafte Gestalt in der Dunkelheit versperrte ihr den Weg, der zum Friedhof hinaus führte.

Wahnsinnig vor Angst rief die junge Frau mit schriller Stimme: "Wer ist da? Was wollen sie von mir? Mein Freund kommt gleich und holt mich hier ab. Er muss jeden Moment hier sein."

Wortlos kam die ominöse Gestalt auf einmal direkt auf sie zu. Wie gelähmt vor Schreck stand Laura da, als zwei kräftige Hände wie eiserne Schraubstöcke nach ihrem Hals griffen und ihr die Luftröhre brutal zudrückten.

Wie aus weiter Ferne vernahm sie halb wahnsinnig vor Entsetzen die Stimme ihres Freundes.

"Ich bin es Liebling. Dein Freund Jochen. Endlich kann ich dich loswerden, ohne dass es einer merkt. Nach deinem Tod fange ich ein neues Leben mit einer anderen Frau an. Ja, auf diese günstige Gelegenheit habe ich schon lange warten müssen. Endlich ist es soweit. Alles läuft perfekt. Morgen findet hier auf dem Friedhof eine Beerdigung statt. Das Grab ist fast drei Meter tief und niemand wird bemerken, dass du da unten mit drin liegst. Ich werde dich da rein werfen und gut mit Erde zudecken. Es wird danach aussehen, wie eine ganz normale Grabsohle. Dann kommt später der Sarg oben drauf, was die ganze Sache dann noch perfekt abrundet. Niemand wird je vermuten, dass du da unten im Grab unter einer fremden Holzkiste liegst. Nicht einmal der Totengräber."

Der Mann lachte auf einmal leise vor sich hin wie ein Irrer.

Die junge Frau verlor nun gänzlich das Bewusstsein und bekam nichts mehr davon mit, als sie drei Meter tiefer auf dem harten Boden des offenen Grabes brutal der Länge nach aufschlug. Kurz darauf wurde ihr lebloser Körper mit schwerer, lehmiger Erde bedeckt.

Einige Zeit später.

Lauras Freund Jochen verließ mit einer Dreck verschmierten Schaufel in der Hand heimlich den kleinen Friedhof und verschwand wie ein Schatten in der Dunkelheit der Nacht.

 


 

ENDE

(c)Heinz-Walter Hoetter

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.08.2018. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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