Marko Jovicic

Dumm gelaufen

Neulich war ich in der Stadt unterwegs. Ich wollte mir etwas zu essen kaufen und machte einen Abstecher zur Nordsee. Also das Restaurant, nicht die tatsächliche Nordsee. Da bestellte ich mir einen Shrimpsalat. Die servieren da den Salat in einer Tortillabowle, das ist quasi der Brotersatz. Jedenfalls setzte ich mich nach der Bestellung an den Tisch und begann zu essen.
Plötzlich kam ein Mädel rein und grüßte mich. Ich war etwas perplex, da ich sie gar nicht kannte. Ich habe leicht mit dem Kopf genickt und mich wieder meinem Salat gewidmet. Äußerlich war ich ruhig aber meine Gedanken überschlugen sich. Ich kramte in meinen Erinnerungen nach dem Gesicht, aber da war nix. Das Mädel war mir völlig unbekannt. Sie hat gemerkt, dass ich sie einerseits nicht ignorieren wollte, beiden aber klar war, dass man sich nicht kennt. Doch das störte sie gar nicht. Sie kam lächelnd auf mich zu und setzte sich zu mir.
Ok, jetzt war ich auch äußerlich irritiert. Sie begann mit Smalltalk, dass sie sich freut mich zu sehen, wie es im Job läuft, usw. Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte, aber ich ging erstmal darauf ein. Sie hat mir meine Verwirrung zweifelsohne angesehen, aber das störte sie nicht weiter. Im Gegenteil, sie wirkte fast dankbar, dass ich mit ihr Konversation betrieb. Naja, oder sowas ähnliches.
Als ich mich allmählich mit der Situation angefreundet hatte, beschloss ich nun etwas offensiver zu werden. Ich wollte rausfinden, was hier eigentlich gespielt wurde. Also drehte ich den Spieß um und wollte sie wiederum mit Fragen ködern. Und schon bei der ersten Frage hatte ich Erfolg. Das merkte ich daran, dass sie irritiert den Kopf zur Seite legte und die Stirn runzelte. Außer einem "Äääh..." kam auch nix von ihr. Sie verabschiedete sich prompt und verließ das Restaurant. Ich aß in Ruhe meinen Salat auf und war stolz auf mich, dass ich eine peinliche Situation elegant gelöst hatte.

Am nächsten Tag ging ich zu meinem Vorstellungsgespräch. Eine Mitarbeiterin führte mich zum Personalbüro und bat mich kurz Platz zu nehmen. Ich war nervös. Vor meinem geistigen Auge ging ich den Schlachtplan durch. "Sei freundlich, nicht schleimig, bleib ruhig, halte Augenkontakt, aber nicht starren, lass die Hände aus den Taschen." Die Tür ging auf und ich wurde hinein gebeten. Die Personalchefin stand vor mir.
Mir fiel die Kinnlade herunter. Das Mädel vom Vortag! Sie hat mich natürlich wieder erkannt, aber von ihrer verstörten Haltung war keine Spur mehr zu sehen. Wir gingen in ihr Büro. Ich merkte, dass mein Mund immer noch offen stand. Ich starrte sie an. Dann merkte ich, wie mir das Blut in die Wangen schoss. "Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen," meinte sie. Wie bitte? Sie bei mir? "Ich habe sie gestern ein wenig überfallen. Mir ist erst später eingefallen, dass sie mich ja gar nicht kennen können. Nun, ich habe sie von Ihrem Bewerbungsfoto wiedererkannt und sie spontan angesprochen."
Jetzt war alles klar. Ich Vollidiot hab mal wieder mein Maul zu weit aufgerissen. Nun blieb mir nichts anderes übrig, als mich zu entschuldigen und zu gehen. Wenigstens in der Niederlage wollte ich Anstand zeigen. Doch bevor ich etwas sagen konnte, meinte sie nur lächelnd: "Und um auf Ihre gestrige Frage zu antworten: Nein, ich schwitze nicht beim kacken."

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.10.2018. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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