Sabine Brauer

Nur einmal noch

Es ist fast auf den Tag genau dreiundfünfzig Jahre her. Ich, noch nicht ganze Elf , war mit Oma im Schuhgeschäft. Im Nebenzimmer war ein Spielzeugladen und es zog mich dort magisch hin. Hier konnte ich träumen und staunen. Was es nicht alles zu sehen gab. Ich hatte schon davon gehört, dass es Sprechpuppen geben sollte, doch bisher fand ich das unangebracht. Nichts für mich, dachte ich mir. Die Verkäuferin packte gerade neue Ware aus und nahm eine Puppe aus dem Karton, zog an einem Ring auf dem Rücken und eine liebliche Stimme fragte: „Hast du mich lieb? krrrr.“

Wie angewurzelt blieb ich mit offenem Mund an der Ladentheke stehen und verliebte mich in diese Stimme. Von da an hatte ich nur einen Wunsch. Diese Sprechpuppe, Bärbel war ihr Name sollte mein werden. Doch der Preis war utopisch für unsere Verhältnisse. Mama wollte mich davon überzeugen, dass man mit elf Jahren schon viel zu alt für Puppen ist. Für sie war das Thema gegessen. Mit einer gewissen Strenge in der Stimme sagte sie: „Eines ist gewiss, du bekommst Bärbel nicht!“ Manch heimliche Träne wurde fortan in mein Kopfkissen geweint. Die Welt schien mir auf einmal dunkel und das Leben nicht mehr lebenswert, ohne dieses Puppenkind. So ging die Zeit bis Weihnachten ziemlich trist für mich vorbei.

 

Der heilige Abend kam. Wir durften das Weihnachtszimmer betreten. Meine Mutter zog mich zu sich, denn sie wusste, wie mir zumute war. Mein Blick schweifte über die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum. Kein Karton war dabei, in dem eine (meine) Puppe sein könnte. Wir hörten die Weihnachtsgeschichte, alle sangen Lieder, nur mir war der Hals zugeschnürt und ich brachte keinen Ton heraus. Mama brach es schier das Herz, ihre kleine Maus so unglücklich zu sehen und zuckte die Schultern, ein winzig kleines Lächeln umspielte ihre Lippen und ihr Blick ging zu dem Tisch, auf dem der Tannenbaum stand. Mit einem Satz sprang ich von ihrem Schoß, hob die Decke vom Tisch hoch, die bis auf dem Boden hing. Und dort saß sie! Nein, es war nicht Bärbel, aber das Gesichtchen glich dem der Bärbel doch sehr, nur hatte sie blonde Zöpfe statt dem schwarzen Bubikopf und war etwas kleiner. Schnell holte ich sie hervor und drückte sie überglücklich an mein Herz. Es war auch ein Ring an ihrem Rücken. Ich zog daran und die gleiche liebliche Stimme fragte: „Hast du mich lieb? krrr.“

Bist du nun zufrieden? Das ist Bärbelinchen , sie wollte unbedingt, dass du ihre Puppenmutti wirst.“, meinte Mama. Nun konnte auch ich jubeln. Übermütig sauste ich immer wieder die Treppe rauf und runter und sang lauthals:“ Welchen Jubel, welche Freude bringt die liebe Weihnachtszeit.“

 

Heute habe ich mir bei Ebay Schildkrötpuppen angesehen und da sah ich ein Bärbelinchen. Beim Schreiben sitzen die Tränen der Rührung ganz locker und ich wünschte, ich könnte sie noch einmal an mein Herz drücken, doch mein Puppenkind ist schon viele Jahre im Puppenhimmel.

 

© Sabine Brauer

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.11.2018. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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