Sabine Brauer

Eine Kerze für dich

Ewigkeitssonntag, melancholisch blickte ich zurück auf Menschen die mal waren, die in meinem Leben eine Rolle spielten und dachte, wie schön es wäre, allen eine Kerze zu spenden und mich dann an den Hoffnungslichtern zu erfreuen.

 

So ging ich den Weg zurück bis in meine Kindheit und begegnete meinem heißgeliebten Opa. Nach einem schweren Unfall war er an den Stuhl gefesselt und hatte immer Zeit für mich. Er war mein Wegbegleiter bis ich 10 Jahre alt war. Ihm habe ich es zu verdanken, dass ich an einen liebenden Vater im Himmel glauben kann. Oft saß ich auf der Ofenbank zu seinen Füßen und hörte ihm zu, wie er aus der Bibel vorlas. Wir sprachen auch über den Tod. Es waren fröhliche Stunden, nicht von Leid geplagt. Die kleine Sabine versprach ihrem Opa, wenn sie zuerst gehen müsse, würde sie ihm die Zeitung bringen. Als Engel natürlich und er wüsste dann, sie denkt an ihn. Ich erinnere mich nicht daran, ihn mal klagen gehört zu haben. Eine Kerze für Opa.

 

Einige Jahre später starb Marie als junges Mädchen, eine „Freundin“, die eine körperliche Behinderung hatte und starre Korsetts, die bis hinauf an den Kopf reichten um ihr Kinn noch mit zu stützen, tragen musste. Deshalb verbrachte sie einen Großteil ihrer Kindheit in Krankenhäusern. Wenn sie wieder nach Hause kam, sprach sie nur hochdeutsch, was ich ziemlich blöd fand und es sie auch merken ließ. Es wird ihr weh getan haben, doch war ich damals nicht dafür empfänglich. Heute bereue ich manche Gemeinheit, die ich ihr angedeihen ließ, weil sie anders war. Gerne würde ich ihr sagen, dass sie mir dennoch lieb war. Eine Kerze für Marie.

 

Jung verheiratet, kommt mir Theo entgegen. Wie immer, großspurig, torkelnd, dumme Witze auf den Lippen und dem dringenden Wunsch, mit Schnaps abgefüllt zu werden, obwohl er mit dem Auto unterwegs ist.

Er war ein Arbeitskollege meines Mannes und ich hatte die Befürchtung, er würde auch ihn an den Alkohol bringen. Deshalb zeigte ich ihm offen meine Geringschätzung. Kein freundliches Lächeln, kein gutes Wort hatte ich für ihn übrig. Als sein Herz aufgab, weil er gegen den Sprit nicht mehr ankam, er war damals vielleicht Ende Dreißig, habe ich Dankgebete gesprochen. Heute morgen verspüre ich auch darüber Reue. Hätte ich ihm nicht eine Tasse Tee machen können, statt zuzulassen, das die Männer mit der Schnapsflasche im Wohnzimmer verschwanden? Nie habe ich danach gefragt, weshalb Theo dem Trunk erlegen war. Kein Verständnis, nur Verurteilung meinerseits. Mir geht durch den Sinn, dass Gott auch diesen Menschen genauso liebt wie mich und er jeden Menschen annimmt, der ihn sucht. Deshalb bitte ich auch hier um Vergebung für unterlassene Hilfe und den Entzug von Liebe und Freundlichkeit. Eine Kerze für Theo.

 

Weiter in meinen Gedanken versunken, bemerkte ich die vielen Gräber, die sich im Laufe meines Lebens angesammelt haben. Mehr als ich Kerzen habe. An alle, die dort liegen habe ich schöne und weniger schöne Erinnerungen. Durfte Stütze sein und habe an ihnen versagt. Eine Kerze stellvertretend für Eltern, Oma, Schwiegereltern, Schwägerin, weitere Familienangehörige, Freunde und für meine Kinder. Hoffnungslichter für mich, weil Jesus Schuld vergibt und ewiges Leben schenkt.

Text und Bild © Sabine Brauer

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.11.2018. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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