Das alte Jahr geht langsam zu Ende; es war trüb, grau in grau. Keine Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen, sondern eine lange und einsame Talsohle, die es zu durchqueren und durchzuhalten galt.
Private Probleme in der Ehe, im Kreis lieber Freunde und guter Bekannte Tod, Krankheit und Arbeitslosigkeit. Ein langes trübes Tal. Aber das nächste Jahr wird anders ... die Horoskope versprechen Gutes und verheißen Glück. Es kann nur besser werden; denn die Hoffnung stirbt zuletzt.
Kurz vor Weihnachten Karten schreiben, kleine Geschenke einpacken. Die Ente kaufen oder die Gans, das Rotkraut, die Klöße, Wein und einen Cognac. Mythos Weihnachten - das Fest der Liebe. „Stille Nacht, heilige Nacht.“ Soziologen und Psychologen haben wissenschaftlich untermauert, dass gerade zu den Feiertagen die Suizidrate der Alleinstehenden am höchsten ist, Ehen zerbrechen und Familien sich bis ins Mark zerstreiten. „Oh, du Fröhliche ...!“
Aber dann Silvester! Der Champagner ist im Kühlschrank, die Lachs-Schnittchen sind vorbereitet. Um 0.00 Uhr geht man auf den Balkon, die Terrasse oder in den Garten, lässt Chinakracher laut kreiselnd pfeifen und Leuchtraketen in den Himmel steigen. Es vertreibt die bösen Geister, wie man sagt.
Und wenn eine Leuchtrakete einen phosphoreszierenden bunten Stern in den Dunst der Nacht entlässt, dann ist man voller Optimismus: das nächste Jahr wird besser, kann nur besser werden. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Am nächsten Morgen, dem Neujahrstag, kehrt man verkatert die Reste der letzten Nacht zusammen: die Papphülsen der Chinakracher, die verkohlten Stäbe der Leuchtraketen, die Scherben der letzten Flasche Champagner. Man entsorgt sie im Restmüll. Es gibt nur keinen Restmüllcontainer für private oder berufliche Altlasten.
Das Neue Jahr beginnt. Man ist optimistisch, voller Hoffnung. Es wird alles besser werden - die Hoffnung stirbt zuletzt. Es wird Mitte Januar, Mitte Februar, Mitte März. Die Frühjahrsblüher stehen wie tapfere Soldaten im noch winterlichen Blumenbeet; die Traubenhyazinthen strahlen mit ihren kleinen blauen Blüten im grauen Nichts, der Florist bietet die ersten bunten Primeln und die gelben Narzissen feil. Ein blühender Sonnenstrahl auf dem Weg ins Neue Jahr.
Zu Ostern schmückt man die noch kahlen und blattlosen Äste einer Weide oder Forsythie mit bunten Eiern - das Jahr ist noch jung, man ist noch optimistisch. Es wird alles besser werden, in diesem Jahr.
Irgendwann entwickelt das Neue „alte“ Jahr, sich der Mitte bald zuneigend, eine Eigendynamik (für ein Kind ist ein Jahr endlos, für einen Erwachsenen nur eine sehr kurze Lebensspanne), die auf einer weitere Talsohle zusteuert: man wird vom Ehepartner betrogen, die beste Freundin lässt sich scheiden, die Schwester erleidet eine Fehlgeburt.
Juli und August - die Sonne versengt die Blumenbeete, den Rasen, die Wiesen und Felder. Die Natur scheint ausgetrocknet, dürr und tot. So wie der Neujahrs-Optimismus. Und die Hoffnung? Sie ist immer noch nicht gestorben. Im Oktober wird man den Rasen noch einmal mähen, zum letzten Mal in diesem Jahr, dann die Blumenzwiebeln für das nächste Frühjahr setzen. Anfang November dann Haus und Garten bestellen.
Im Dezember Weihnachtskarten schreiben, kleine Geschenke packen, die Ente oder die Gans kaufen, Rotkraut oder Klöße, Wein und Cognac.
Silvester noch mehr Leuchtraketen, die phosphoreszierende Sterne versprühen, damit das nächste Neue Jahr ein richtig gutes Neues Jahr wird. Die Hoffnung stirbt zuletzt ….
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.12.2018.
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