Wolfgang Stoeßer

Erwin

Zuerst möchte ich mich einmal vorstellen. Ich bin 1955 geboren, habe vier einzelne angetriebene Räder, die von einem 115 PS starken Turbomotor angetrieben werden. Meine Verkleidung ist Rot lackiert außer den Kotflügeln, die hat man leuchtend Weiß gemacht, damit man mich auch als Feuerwehrauto besser erkennen kann. Erst hatte ich nur zwei Blaulichter über den Scheiben nach vorne hin auf dem Dach, die abwechselnd Blinkten. Mit den zwei Boschhörnern und den später dazugekommenen zwei großen Rundumblaulichtern habe ich immer freie Fahrt auf der Straße gehabt. Ganz schön stolz bin ich auch auf das verchromte blank geputzte Kühlergrill und dem stolz nach oben stehenden Mercedesstern.
Außer dem Fahrer und dem Kommandanten können noch vier Leute hinten Sitzen. Die gesamte Ausrüstung dafür befindet sich hinten wo auch der große 2500ltr.Wassertank ist. Auf dem Dach befindet sich noch eine 4.teilige Leiter, die zusammengesteckt 8 Meter lang ist. Damit konnten auch Leute aus dem 2.Obergeschoss oder Katzen aus dem Bäumen gerettet werden. Zur Not ist ja auch noch mein Kumpel, die ebenso alte Drehleiter mit einer 22 Meter langen Leiter. Selbst der kleine Krankenwagen der links von mir, aus den 60.Jahren, hat auch einen stolzen Mercedesstern.
Nun stehen wir hier über 10 Jahre und warten auf ihn, den auch schon alten Fahrer Herbert, damit er mich und die beiden andern mal wieder vor die Tür aus dem schon altem Gerätehaus an die Sonne lässt, den Staub abwäscht, und den hier und da aufkommenden Rost entfernt.
Neben an, im neuen Gerätehaus, die neuen großen Autos haben es viel besser. Die Garagen sind viel größer und haben große helle Glastüren, die wie von Geisterhand von alleine aufgehen. So kann man sie von Außen immer gut sehen, die großen roten Autos mit der neuesten Technik, den auffälligen gelben Streifen, den Frontblitzern, den großen blauen Blitzleuchten, und die starken mit Kompressor betriebenen Lufthörner auf dem Dach, die man schon Kilometerweit vorher hören kann.
Im letzten Jahr, als die Feuerwehr 100 Jähriges Jubiläum hatte, durfte ich im Festumzug ganz vorne mit Blaulicht und Martinshorn fahren, die alte Drehleiter und der alte Krankenwagen hinter mir. Die neuen großen Fahrzeuge mussten zum Schluss hinterher Fahren, das tat mir unheimlich gut. Die alten Leute staunten als sie mich sahen, bestimmt haben sie sich auch wieder an die alten Zeiten erinnert. Rechts und links standen tausende Beifall klatschende Leute. Andererseits hatte ich sie auch wieder verärgert, als ich ihnen den schwarzen rußigen Abgasqualm ins Gesicht pustete. Trotzdem war das der schönste Tag nach langer Zeit.

Wieder einmal war einige Zeit vergangen, und war gerade so eingeschlummert, als mein Fahrer Herbert mich vor die Garage fuhr um mich zu Waschen. Als er mein Führerhaus sauber machte, streichelte er mir behutsam über das Armaturenbrett, und sagte traurig;" Vielleicht ist es das letzte mal, denn einer von euch dreien muss hier heraus, da für den neuen Rettungswagen in der neuen Wache kein Platz mehr ist."
Herbert hatte gerade den Schwamm zum 1.ten male ausgewrungen, als die Sirene auf dem Dach laut losheulte. Da ich ja draußen stand, konnte ich sehen wie Herbert zur neuen Wache herüber lief. Die Tore öffneten sich wie von Geisterhand leise nach oben. Schnell kamen die Feuerwehrleute mit dem Auto, dem Fahrrad oder gar zu Fuß an und sprangen nachdem sie sich im Gerätehaus umgezogen hatten in die Feuerwehrwagen. Als erster jagte Herbert mit dem neuen Tanklöschwagen mit lauter Druckluftfanfare und den grell blitzenden Blaulichtern um die erste Ecke. Das Lufthorn war so laut, das man es noch lange hören konnte. Dann Fuhr auch die neue Drehleiter und der Krankenwagen hinterher.
Es dauerte gar nicht lange da sah ich sie alle wiederkommen.
Als Herbert wieder zu mir zurückkam, konnte man ihn schimpfen hören;" So ein Mist! Schon wieder ein falscher Alarm. Was denken sich die Leute? Oder sind es ungezogene Kinder?" Kaum hatte er zu ende Gesprochen, da...
Da ging schon wieder die Sirene.
Zum Glück waren fast noch alle Feuerwehrleute da, die sofort in die Fahrzeuge sprangen.
Die Drehleiter und auch der Krankenwagen verließen mit Blaulicht und Sirene schnell die Wache. Doch das neue Tanklöschfahrzeug was vorhin noch als erster herausfuhr stand immer noch da.
Da sah ich wie Herbert verzweifelt immer wieder den Starterknopf drückte, der jedoch nur ein leises Klacken von sich gab. Da kam auch schon über Funk die nachfrage von der Zentrale warum sie nicht ausrücken würden, denn ein Wohnhaus stände voll in Flammen. Aber auch das ließ den neuen Tanklöschwagen nicht erweichen anzuspringen. Alle rutschten schon auf ihren Plätzen nervös hin und her. Dann kam Herbert die rettende Idee;" Los rüber zum alten Erwin!"
.Das war meine Chance, denen werde ich es jetzt mal zeigen.
Kaum hatte der Letzte die Türe zugezogen, und Herbert den Starterknopf gedrückt, drehte mein Motor in voller Drehzahl durch und hinterließ beim Abfahren eine dicke schwarze Rauchwolke, die fast die gesamte Garage ausfüllte. Was aber die alte Drehleiter und den Krankenwagen kräftig zum Husten brachten..
Herbert brauchte gar nicht so fest auf mein Gaspedal treten, ich hätte auch so alles hergegeben. Quietschend und Ätzend legte ich mich in jede Kurve, denn man brauchte in der Einsatzstelle dringend mein Wasser.
Ja ..das war wie in alten Zeiten, wo ich sogar nachts durch die Sirene geweckt wurde.
So manches Mal kam es auf Sekunden an, die über Leben und Tod entscheiden. Viele Brände habe ich schon gesehen und das Feuer mit meinem kalten Wasser verschreckt, so das es vergaß weiter zu Brennen.
Beim letzten Waldbrand wurde es mir durch das zu schnell herankommende Feuer so heiß, dass beinahe mein schöner roter Lack schwarz verbrannt währe.
Selbst im Winter als der 8 Jährige Paul im Eis eingebrochen war, bin ich ohne zu rutschen noch rechtzeitig angekommen. Da war ich aber mächtig ins Schwitzen gekommen, trotz der klirrenden Kälte. Ach, was waren das noch Zeiten, und jetzt soll ich verschrottet werden?
Doch da, von weitem konnte ich schon die schwarzen Rauchwolken sehen, legte mich noch einmal knarrend in die letzte Kurve, und kam mit quietschenden Bremsen an der Einsatzstelle zum Stehen. Alle staunten als sie mich sahen und freuten sich, denn sie brauchten dringend das Wasser was ich ja immer bei mir hatte. Mit diesem Wasser konnten die Feuerwehrleute in das brennende Haus vordringen und noch eine bereits bewusstlose Person aus dem Haus Retten.
Das war wieder einmal Rettung in letzter Sekunde.
Als wir an der Wache zurückkamen, streichelten mir alle lieb die Motorhaube, am meisten Herbert.
Bevor er die Garagentür behutsam schloss, sagte er leise zu mir;" Dich, geben so schnell nicht ab, dafür sorge ich!"
Und so wurde bei der nächsten Versammlung der alte Krankenwagen zum verschrotten ausgewählt.
Seit der Zeit, machte Herbert immer die Garagentür auf, damit ich wenigstens sehen kann wie sie wieder einmal losfahren müssen. So ist es für mich nicht mehr so langweilig...und vielleicht.vielleicht brauchen sie mich auch mal wieder?

Euer Erwin

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.08.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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