Corinna König

Josie - Mein Leben und ich TEIL 11

An den darauffolgenden Tagen ist nicht viel mit mir anzufangen. Die Geschichte mit Ben und Juliane macht mir unentwegt zu schaffen. Auch Daves Worte schrillen mir immer wieder aufs Neue durch den Kopf. Dass Ben sie noch lieben würde. Oder vielleicht noch lieben würde. Oder wie auch immer. Die ganze Sache bereitet mir schlaflose Nächte in rauen Mengen. Also beschließe ich an einem Samstag um 7:00 Uhr zum gegenüberliegenden Bäcker zu gehen und seufzend einen Milchkaffee zu trinken. Ich verziehe mich in eine abgelegene Ecke und beobachte die Leute, die im strömenden Regen am Fenster vorbeilaufen. Warum sind die denn alle schon wach?! Wenige Minuten später traue ich meinen Augen nicht: Da kommt tatsächlich Ben in die Bäckerei. Und zu meinem absoluten Entsetzen hat er Juliane im Schlepptau. Ich mache mich so klein es nur irgend möglich ist und lausche. Doch bis auf: "Zwei Kaffee bitte." und Bens: "Die gehen auf mich." kann ich nichts verstehen. Und schon sind die beiden wieder weg. Sie steigen zusammen in sein Auto und fahren weg. Ich bin total verwirrt. Was macht Juliane bei Ben? Und vor allem um diese unchristliche Uhrzeit? "Sie hat doch nicht... bei ihm übernachtet?!", murmele ich völlig entgeistert in meine halbleere Tasse. Ein tiefes Stechen macht sich in meiner Brust breit. Es ist also sozusagen offiziell: Ben bandelt wieder mit Juliane an. Es wird nicht mehr lange dauern, da wird er uns die Nachricht freudestrahlend überbringen. Ich darf gar nicht daran denken. In Windeseile füllen sich meine Augen mit Tränen. Ich bin so blöd. Hätte ich doch nur früher gemerkt, was Sache ist.

 

 

Ich verbringe noch einige Stunden dort und grübele weiter und weiter. Bis meine Mutter mich anruft: "Josie, wo bist du denn? Ich hab Anna dabei. Sie schläft doch heute bei dir." Das hatte ich völlig vergessen. "Ich bin in zwei Minuten da. War nur kurz beim Bäcker." In der Wohnung angekommen rennt meine Kleine mir in die Arme. "Josie. Wo hast du dich denn rumgetrieben?! Ich hab mich schon die ganze Woche auf heute gefreut." Meine Mutter hingegen sieht mir direkt an, dass etwas nicht stimmt: "Du siehst aber nicht gut aus. Ein bisschen durch den Wind. Was ist denn los?" "Ach, ich hab einfach nur schlecht geschlafen.", winke ich ab. Dass Anna hier ist, passt mir gut. Dann hab ich wenigstens Ablenkung und muss nicht dauernd über Ben und Juliane nachdenken.

 

 

Wir sind gerade dabei, mit Linda zusammen das Abendessen vorzubereiten, als mein Handy klingelt. Ich nehme es aus meiner Hosentasche und starre einfach auf das Display. "Josie. Du musst schon erst abheben, bevor du telefonieren kannst.", witzelt Linda. Doch dann sieht sie meinen Gesichtsausdruck und hakt besorgt nach: "Wer... wer ist es denn?" "Ben. Es ist Ben." "Na los, geh ran.", hetzt sie mich und auch Anna ist ganz versessen darauf, dass ich mit ihm spreche: "Ja. Geh ran. Und sag ihm liebe Grüße. Er kann doch auch zum Essen kommen. Ich mag ihn so gerne." Ich nehme ab und verziehe mich in mein Zimmer. "Ben. Hey." "Josie. Jetzt wollt ich gerade auflegen." "Ja, sorry. Hab mein Handy nicht gleich gefunden." "Was machst du denn morgen Nachmittag?" "Ähm... ich weiß nicht. Wieso?" Seine Frage verwirrt mich vollends. "Naja mein Opa feiert morgen seinen Geburtstag und er hat gemeint, ich kann dich gerne mitbringen. Er hat doch so einen Narren an dir gefressen." Ja. Danke. Opa Herbert vielleicht. "Also ich weiß nicht." "Komm schon. Er würde sich total freuen. Ich würd dich um 14:00 Uhr abholen." Natürlich würde ich unwahrscheinlich gerne mitkommen. Aber alles sträubt sich in mir, sodass ich ihm antworte: "Tut mir leid, aber ich hab heute Anna über Nacht hier. Da werd ich wahrscheinlich nicht so viel Schlaf abbekommen. Wir schauen ganz viele Filme und essen Süßigkeiten, da wird sie total aufgedreht sein. Und sie wird auch erst morgen Nachmittag abgeholt." "Schade..." Ein bisschen enttäuscht klingt er tatsächlich. "Und wenn du nachkommst? Ich kann dich abholen!" "Ben, dann würdest du ja insgesamt zwei Stunden sinnlos durch die Gegend fahren.", merke ich schnippisch an. Doch seine Antwort macht mich schwach: "Das wärs mir wert." Für kurze Zeit herrscht Stille in der Leitung. Doch ich bleibe standhaft und sage ab. "Sorry. Geht wirklich nicht." "Okay, dann..." Ich spüre, dass Ben verunsichert ist. Er war sich scheinbar sicher, dass ich zusage. "... dann sehen wir uns die Tage sicher mal, oder?" "Ja bestimmt. Mal in der Mittagspause kurz oder so." Die beiden Mädels quetschen mich natürlich umgehend aus. "Warum willst du denn nicht mit?" "Meine kleine Schwester ist mir da halt wichtiger." Da meint die kleine Göre: "Aber zeitlich hätte das doch gut gepasst. Mama und Papa holen mich morgen Mittag ab." "Sei still und rühr lieber die Nudeln um." Lindas Gesichtsausdruck nach zu urteilen, versteht sie nur Bahnhof. Aber sie weiß auch noch nicht, was sich heute bei Bäcker zugetragen hat.

 

 

Am nächsten Tag klingelt meine Mutter pünktlich um 12:00 Uhr, um Anna abzuholen. Sie schaut mich ganz eindringlich an. "Wo ist denn Papa?" "Der wartet im Auto. Gestern Abend hat er sich den Rücken verrenkt und war sich nicht sicher, ob er die Treppe hier raufkommen würde. Sieh doch mal nach ihm, Kleines." Anna verabschiedet sich herzlich von mir und poltert zu Joe. Da ergreift meine Mutter die Chance und spricht mich auf mein Verhalten - und Aussehen - an: "Josie jetzt sag mir bitte, was mit dir los ist! Dich bedrückt doch irgendwas. Du siehst richtig fertig aus." "Mama, ich hab ne kurze kurze Nacht hinter mir. Ich bin einfach müde. Deshalb seh ich auch so kacke aus." "Du weißt genauso gut wie ich, dass das nicht stimmt." Ich will nicht so recht mit der Sprache rausrücken, da bohrt sie weiter nach: "Es ist wegen Ben, oder? Ich hab ihn länger nicht mehr gesehen. Und du hast auch schon länger nichts mehr von ihm erzählt." "Er hat mich gestern angerufen." "Was wollte er denn?" Ich erzähle ihr also kurz und knapp, weshalb er sich gemeldet hat. "Aber warum wolltest du denn nicht mit? Du magst doch seine Großeltern so gerne!" "Ich hab ihn gestern beim Bäcker gesehen. Mit seiner Ex." "Diese Juliane, von der du erzählt hast? Läuft da wieder was?" "Das hab ich mich auch gefragt. Aber wenn man 1 und 1 zusammenzählt, dann..." "Na und?" "Was meinst du?" "Mäuschen, selbst wenn er wieder mit seiner Ex anbandeln sollte! Na und? Wieso hätte er dich sonst eingeladen, mitzukommen? Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Lass dich doch von ihr nicht entmutigen." "Aber..." "Nichts aber! Du gehst jetzt duschen, ziehst dich schön an, schminkst dich, richtest dir die Haare und dann auf zu Ben. Wen kümmert schon diese Juliane?!" Ihre Entschlossenheit bringt mich zum Staunen. "Außerdem ist doch gar nicht gesagt, dass sie bei ihm übernachtet hat. Oder ob was gelaufen ist. Das sind doch alles nur Mutmaßungen. Entweder, du ignorierst sie einfach, oder du fragst ihn ganz geradeaus! Alles andere bringt nur Sorgenfalten." Ich bin ganz gerührt von Ihrer Kampfansage und falle ihr um den Hals. "Mama, du bist die Beste."

 

 

Ich folge also ihrem Ratschlag und mache mich für die Geburtstagsfeier fertig. Auf dem Weg zu Ben - ich liege super in der Zeit - überlege ich die ganze Zeit, worüber wir während der einstündigen Fahrt reden könnten. Eigentlich unnötig, denn zwischen Ben und mir hat es noch nie an Gesprächsstoff gemangelt. Aber meine Nervosität macht mir ja oftmals einen Strich durch die Rechnung, also grüble ich weiter. Die Tür ist offen, also gehe ich rein. Es sind laute Stimmen im Hausgang zu hören, die von Stockwerk zu Stockwerk lauter werden. Bis ich schließlich ganz oben bin und einen jungen Mann vor Bens Türe stehen sehe. Ich muss erst überlegen, doch dann fällt mir ein, dass das Tom sein muss. Julianes (Noch)Ehemann. Ich verstecke mich also hinter der Ecke und höre ihrem Streitgespräch zu. "Ich hab noch was vor. Also lass mich mit deinen haltlosen Anschuldigungen in Ruhe und verpiss dich!" Ben ist sichtlich sauer. Aber auch Tom scheint eine unheimliche Wut im Bauch zu haben: "Du bist das Letzte. Weißt du, dass du damit eine Familie zerstörst?" "Ich? Ich zerstöre sicherlich nicht deine Familie! Du bist doch derjenige, der dauernd nur in der Kneipe hängt und Frau und Kind alleine lässt." "Hat sie dir das so gesagt?" "Natürlich! Denkst du, wir reden nicht?!" Und wieder sticht es in meiner Brust. Sie scheinen sich viel näher zu sein, als ich gedacht hätte. "Und das gibt dir das Recht, mit meiner Frau in die Kiste zu steigen?!" Mit einer Wucht holt Tom aus und schlägt Ben so, dass ihm die Lippe aufplatzt. Ich kann nicht glauben, was ich da höre. Ben hat tatsächlich mit Juliane geschlafen? Er hält sich die Wange und schaut Tom verbittert an: "Du hättest es nicht anders verdient. Und jetzt verpiss dich endlich!" Das war also die Bestätigung. Sie hatten tatsächlich Sex. Als ich sehe, dass Tom das Haus wieder verlassen will, stürme ich hektisch nach unten, damit ich unbemerkt bleibe.

 

 

Auf dem Heimweg kommen mir mehr und mehr Bilder in den Kopf. Bilder, die ich nicht sehen will. Die ich verdrängen möchte. Doch sie kommen immer wieder zurück. Ich frage mich, wieso Ben mich zum Geburtstag eingeladen hat. Ob er sich mich wohl "warmhalten" will. Ob er mich doch nur als Betthäschen gesehen hat, bis er und Juliane wieder zusammenkommen? Eine Mischung aus Enttäuschung, Trauer und Wut macht sich in mir breit. Ich will erst mal niemanden sehen oder sprechen...

 

 

Das Wochenende geht für meinen Geschmack viel zu schnell um. Ich verkrümele mich in meinem Bett und schwindele Linda vor, ich wäre krank. Ich möchte ihr nicht verraten, dass Ben mit seiner Ex rumvögelt. Auch meiner Mutter möchte ich es nicht sagen. Keinem. Und auch nicht dran denken. Wie fast jeden Abend schreibt Ben mir eine "Gute-Nacht-Nachricht". Zum ersten Mal seit er dieses kleine Ritual eingeführt hat, antworte ich nicht. Linda setzt sich zu mir ans Bett und stellt mir eine Tasse Tee auf den Nachttisch: "Hier, der ist für dich. Sag mal, meinst du, du kannst morgen überhaupt arbeiten?" Die Ablenkung kann ich gut gebrauchen - meine vier Wände lassen mich fast durchdrehen. "Ja klar. Es ist schon wieder viel besser. Ich geh früh schlafen und dann bin ich morgen wieder fit."

 

 

Und so ist es auch. Fit kann man das zwar nicht nennen, aber immerhin kann ich aufrecht stehen. Sara sieht mir auch sofort an, dass es mir nicht gut geht. "Sag mal Josie, bist du krank? Du siehst gar nicht gut aus." "Doch doch. Bin schon wieder auf dem Weg der Besserung." "Ja. Sie war gestern wirklich flachgelegen, aber sie wollte heute unbedingt auf die Arbeit." Dabei piekst sie mir zwinkernd in die Rippen: "Oder eher in die Mittagspause, was?!" Eine blöde Anspielung auf Ben. Doch ich kann es ihr nicht verübeln. Sie weiß ja nicht, was tatsächlich in mir vorgeht. Ich lasse die Bemerkung unkommentiert und fange mit meinen Akten an. Doch in der Mittagspause muss ich mich dem Übel stellen: Wir gehen wie gewohnt in die Bar. Ben hat Schicht. Als wir reinkommen, rechnet er gerade am Tresen ab. Dave kommt direkt zu uns und begrüßt uns und natürlich seine Freundin herzlich. Den Geldbeutel hinter der Bar verstaut lässt auch Ben sich an unserem Tisch blicken: "Hey Mädels. Alles klar?" Während Linda und Sara artig antworten und freundlich sind, blicke ich betrübt aus dem Fenster. Für Ben ist das scheinbar eine Einladung, sich zu mir zu setzen. "Gehts dir nicht gut?" Er legt dabei seine Hand auf meinen Oberschenkel und kommt mir ziemlich nahe - zu nah für meinen momentanen Zustand. "Doch wieso?!" "Du siehst irgendwie nicht fit aus." Am liebsten würde ich wegrennen oder ihn anschreien oder mich einfach in Luft auflösen, doch die Vernunft siegt: "Gestern hab ich ein bisschen gekränkelt, aber mir gehts schon etwas besser." Da schaltet Linda sich wieder ein: "Ja. Sie war gestern wirklich flachgelegen, aber sie wollte heute unbedingt auf die Arbeit." Ben reißt den gleichen blöden Spruch: "Oder eher in die Mittagspause?" Dabei grinst er mich total charmant an. Doch mir blitzt wieder so ein Bild vor meinem inneren Auge auf und ich finde sein Grinsen aus Wut eher überheblich. Schnaufend antworte ich: "Träum weiter!" Mit dieser Abfuhr hat er nicht gerechnet. Das kann man förmlich von seinem Gesichtsausdruck ablesen. Ohne noch ein Wort zu sagen verschwindet er wieder hinter den Tresen. "Sag mal, wieso keifst du ihn denn so an?", will Sara - zugegeben berechtigterweise - wissen. "Ach, das hat mich einfach genervt. Ich hab Kopfweh und bin nicht zu Späßen aufgelegt." Als wir die Bar verlassen bemerkt Sara, dass Bens Lippe verletzt ist: "Mensch Ben. Was hast du denn da gemacht?" Doch ehe er antworten kann, grätscht Dave dazwischen und haut ihm kräftig gegen die Schulter: "Unser lieber Ben hat auf Opas Geburtstag ein paar Bierchen zu viel gehabt und ist knallhart gegen die Tür gerannt." Eher eine knallharte Lüge! Ich weiß genau, wie das passiert ist. Und es waren weder Alkohol, noch eine Tür im Spiel. Doch ich sage nichts. Er starrt mich an. Ich reagiere nicht. Er sucht eindringlich Blickkontakt. Doch ich drehe mich weg. "Naja, ich musste ja nicht fahren. Josie, du wolltest ja nicht nachkommen. Und da waren wir so in unserer Runde gesessen und es war so lustig, dass wir eben ein paar Bierchen zu viel erwischt hatten." Ich schaue ihn an und erwidere: "Dann hätte ich ja eh nur gestört. So, wir gehen jetzt. Sonst kommen wir zu spät in die Kanzlei." Ich merke, wie Ben mir fragend hinterher schaut, aber ich drehe mich nicht nochmal um.

 

 

Einige Tage geht es so auch weiter. Wenn wir unsere Mittagspause in der Bar verbringen, spreche ich nur das Nötigste mit Ben. Meine Freundlichkeit hält sich dabei in Grenzen. Wenn er mir schreibt, ignoriere ich es meistens. Dabei blutet mir zwar das Herz, aber ich empfinde es als reinen Selbstschutz. Auch die Worte, die meine Mutter zu mir gesagt hat, sind für mich nicht mehr aufzugreifen. Von wegen nicht einschüchtern und entmutigen lassen. Die beiden sind letztlich miteinander im Bett gelandet. Wer weiß, wie oft mittlerweile. Ich will gar nicht dran denken.

 

 

Eines Abends will Linda ihrer Neugier ein Ende bereiten und fragt, wieso ich denn Ben so abweisend behandeln würde. "Was meinst du denn?" "Naja Josie. Eigentlich war abgesprochen, dass du ihn dir jetzt schnappen solltest. Du bist doch in ihn verliebt oder?" "Also... ich glaub, ich hab mich da in was verrannt." "Verrannt? Du veräppelst mich! Du warst doch über beide Ohren in Ben verknallt. Das ist doch nicht plötzlich weg!" Leider nicht. Aber ihr gegenüber will ich es nicht zugeben und beschönige es lieber. Schon allein, damit sie sich keine Sorgen um mich macht: "Jaaa das ist irgendwie merkwürdig. Aber vielleicht passt es halt einfach nicht mit uns." "Da muss ich dir entschieden widersprechen. Vielleicht muss man euch beiden Idioten ja nur ein bisschen auf die Sprünge helfen...", tippt sie sich mit dem Finger aufs Kinn. "Nein Linda. Bitte nicht. Keine Einmischungen. Weder von dir, noch von Sara oder Dave oder sonst wem. Wenn überhaupt, dann kriegen wir das alleine hin. Und wenn nicht, dann soll es halt nicht sein. Aber eins sag ich dir gleich: Du solltest dir keine zu großen Hoffnungen machen." "Ich versteh dich nicht..." Linda sieht mir an, dass ich nicht in Plauderlaune bin und fragt glücklicherweise nicht weiter nach.

 

 

Am nächsten Abend sind Linda und ich am Verhungern und bereiten gerade unser Abendessen zu, als Dave klingelt. Zu meinem Entsetzen hat er Ben dabei. Ich werfe Linda einen vernichtenden Blick zu. Immerhin stinkt das ja quasi nach ihr. Das hat sie sicherlich eingefädelt, damit Ben und ich Zeit miteinander verbringen. Aber nicht mit mir. Ich tue so, als wäre alles in Ordnung. "Ich hoffe, ich störe nicht?!", fragt Ben verunsichert. "Nein, wieso denn?" "Quatsch Ben. Du störst überhaupt nicht. Nimm dir auch nen Teller. Josie und ich haben eh zu viel gekocht vor lauter Hunger." Da will Ben sich nochmal vergewissern und legt seinen Arm um mich: "Gerne. Aber selbstverständlich nur, wenn es eurer Hoheit nicht zuwider ist, dass ich mich dazugeselle?" "Schon gut. Setz dich.", antworte ich gleichgültig. Die Stimmung beim Essen ist eher durchwachsen. So richtig gute Laune will nicht aufkommen. Alle merken, dass etwas nicht stimmt, aber keiner spricht es laut aus. Da startet Dave einen neuen Versuch: "Ach Ben. Du bist ja aus einem bestimmten Grund mitgekommen, stimmts?!" "Jaaa! Genau. Wegen unserer Weihnachtsfeier." "Weihnachtsfeier?" "Ja wir veranstalten in zwei Wochen eine Weihnachtsfeier in der Bar. Mit Weihnachtsbaum, Glitzerkugeln, Zipfelmützen,..." Ben wirft ein: "Mistelzweigen!!" und zwinkert mir dabei zu. Doch auch diese Bemerkung lasse ich unter den Tisch fallen. Ehe das Gespräch wieder komplett ins Stocken gerät, erklärt Dave uns, worauf die beiden eigentlich raus wollten: "Naja Sandy meint, sie wird es nicht alleine schaffen, alles rechtzeitig zu dekorieren. Deshalb wollten wir fragen, ob ihr eventuell helfen könntet." Linda ist im siebten Himmel: "Ja gerne! Klar! Da freu ich mich schon drauf. Ich liebe Weihnachten!" Meine Begeisterung hingegen lässt zu wünschen übrig: "Ich muss mal schauen, ob ich Zeit hab." "Wieso solltest du denn keine Zeit haben?!", will Linda Dusselkopf wissen. "Kann ja sein. Ich muss erst mal schauen." Beim Abspülen versichert Linda mir halbwegs panisch, dass sie wirklich nicht wusste, dass Ben mitkommt. Ich glaube ihr. Sie hatte es immerhin versprochen. "Aber warum willst du denn nicht helfen? Hast du was gegen Sandy?" "Was?! Nein! Natürlich nicht!"

 

 

Es war nicht anders zu erwarten: Linda konnte mich überreden, mitzuhelfen. Wir sind also Freitag Abend während des normalen Geschäftsbetriebs in der Bar am Weihnachtsbaum schmücken und Mistelzweige aufhängen. Meine miserable Laune ist wohl keinem entgangen. Als ich auch noch an der blöden Bar stehe und mit dem blöden Mistelzweig nicht an diesen blöden Leuchter rankomme, drehe ich halbwegs durch. So sehr ich mich auch strecke, ich bin einfach zu klein. Plötzlich stellt sich jemand ganz dicht hinter mich, legt mir eine Hand auf die Hüfte und nimmt mir mit der anderen den Mistelzweig aus der Hand. Das kann ja nur Ben sein. Ich drehe mich also um und will gerade lospoltern, als ich sehe, dass es gar nicht Ben ist. "Du sahst etwas verzweifelt aus, da wollte ich dir helfen." "Oh, vielen Dank." Der Typ sieht eigentlich echt gut aus. Dunkles lockiges Haar, gute Statur, hübsches Gesicht. Das Ziegenbärtchen ist jetzt nicht so mein Ding, aber jeder wie er will. "Sag mal kleiner Weihnachtshelfer, was hat dir denn die Weihnachtsstimmung so verhagelt?!" Ich merke, wie ich knallrot anlaufe. "Was... was meinst du?" "Naja, ich beobachte dich jetzt schon seit einer Weile und deine Miene wird immer grimmiger." Wie peinlich. Jetzt hat der mich auch noch schmollen sehen. "Ach, das ist... mir gar nicht aufgefallen." Er muss lachen und stellt sich vor: "Ich bin Jonas. Arbeitest du jetzt hier?" "Ich heiße Josie. Nein, ich helfe nur aus. Wegen der Weihnachtsfeier morgen. Kommst du auch?" "Na wenn ich weiß, dass du hier bist, dann werd ich natürlich auch vorbeischauen." Und wieder ein Rot-Ton mehr, den man in meinem Gesicht zählen kann. "Ja, also dann... sehen wir uns morgen?!" "Klar. Bis dann." Schelmisch grinsend dreht er sich um und geht. Plötzlich tippt er mir nochmal auf die Schulter und drückt mir ein Küsschen auf die Wange. Fragend schaue ich ihn an. "Naja, wir stehen ja unter einem Mistelzweig." Er geht wieder zurück an seinen Tisch, wo ihn seine Kumpels triumphierend abklatschen. Ich muss schmunzeln und will schließlich weitermachen, als ich unachtsam Ben anremple. "Huch. Entschuldige." Er schaut mich böse an. Keinen Ton bringt er raus. Da mache ich mich von seinen Blicken unbeeindruckt weiter ans Werk. Linda kommt wie von der Tarantel gestochen auf mich zugestürmt: "Was war das denn?" "Was meinst du?" "Dieser Kerl da!" "Jonas? Er hat mir NUR geholfen, den Mistelzweig aufzuhängen." "Und das Küsschen?" Ich wiederhole meinen Satz mit anderer Betonung: "Nochmal: Er hat mir nur geholfen, den MISTELZWEIG aufzuhängen. Verstehst du?" Sie hält sich den Kopf und meint: "Ben schäumt vor Wut." "Was redest du denn da?" "Er hat euch genauestens beobachtet. Und seinen Groll hat er an einer armen Limette ausgelassen. Die solltest du mal sehen. Von der ist nahezu nichts mehr übrig!", fuchtelt sie wild mit den Armen rum. Dass Ben sich ärgert ist die reinste Genugtuung für mich.

 

 

Samstag Abend: Die Weihnachtsfeier ist in vollem Gange. Ich sitze mit Linda, Sara und Sascha an der Bar und frage mich allmählich, wo Jonas wohl bleibt. Das Gespräch mit ihm hat mir ja schon geschmeichelt. Ben hat sich bislang noch keine Zeit nehmen können, sich mit uns zu unterhalten. Der Laden brummt richtig. Er kommt gerade mit dem leeren Tablett von einem Tisch und hält kurz bei uns an. "Sorry, heut ist echt die Hölle los." "Das macht doch nichts, Ben. Vielleicht wirds ja später etwas ruhiger.", besänftigt Sara ihn. Da streicht er mir über den Rücken und flüstert mir zu: "Du siehst toll aus kleiner Grinch." Er zwinkert mir zu und will mir zu verstehen geben, dass ich nicht so fies dreinschauen soll. Ich will gerade antworten, als plötzlich Jonas vor mir auftaucht und mich mit Küsschen links, Küsschen rechts begrüßt: "Hey Josie. Du siehst bombe aus." Kichernd bedanke ich mich. Die Situation wirkt irgendwie merkwürdig. Bens Ärger ist schon fast sichtbar. Ich kann es mir nicht verkneifen und zwicke Ben auf: "Wer ist jetzt hier der Grinch?!" Doch er reagiert gar nicht auf mich. Stocksauer schaut er Jonas an. Jonas lächelt wiederum mich an. Ich weiß gerade nicht, wo ich am besten hinschauen soll. Da wirft Jonas Ben einen überlegenen Blick zu uns meint: "Ich nehm ein Bier." Ohne ein Wort dampft Ben ab. Das Bier bekommt Jonas im Übrigen von Mike.

 

 

Es gelingt mir, mich richtig gut zu amüsieren. Immer wieder tanze ich mit Jonas. Wir trinken zusammen ein paar Shots und unterhalten uns. Er wirkt sehr oberflächlich auf mich. Will mit seiner Protzkarre angeben und checkt nebenbei andere Mädels aus. Aber als Ablenkung für heute Abend ist er gut genug. Als er uns die nächste Runde bringt, merkt Ben an: "Hör mal, du solltest vielleicht ein bisschen weniger trinken. Du willst doch heute sicherlich noch länger durchhalten, oder?!" "Pff, heb dir deine Sprüche für jemand anderen auf." Okay ich habs selber gehört. Die Ansage war vielleicht etwas zu kratzbürstig. Ich will mich grade entschuldigen, da verzieht Ben sämtliche Gesichtszüge, faucht: "Jetzt reichts mir!" und ehe ich mich versehe, wirft er mich über seine Schulter und trägt mich nach unten in den Lagerraum. "Heeey! Sag mal spinnst du?!? Was soll das? Lass mich runter!" Unten angekommen setzt er mich wieder ab. "Was soll denn das?" "Das frage ich dich: WAS SOLL DAS?" Ben ist außer sich. "Was meinst du? Ich hab Spaß!" "Das mein ich nicht! Natürlich bin ich nicht erfreut, darüber, dass du mit diesem Milchknilch rumtänzelst, aber das ist nicht der springende Punkt." "Sondern?" "Wie du mich seit einiger Zeit behandelst! Beziehungsweise wie du mich nicht behandelst! Ich bin ja wie Luft für dich! Und wenn du dich mal dazu herablässt, mit mir zu reden, dann kommt eine Abfuhr nach der anderen. Was hab ich dir getan?" "Ja tut mir leid. Der Spruch grad eben war ein bisschen viel." "Josie jetzt sag schon. Was ist los zwischen uns? Neulich war doch noch alles gut!" "Ben, ich..." Ich kann es nicht aussprechen. Ich kann es einfach nicht. "Neulich, bei euch auf der Couch. Ich denke, wenn Linda uns nicht unterbrochen hätte, dann..." Unversehens falle ich ihm ins Wort. "Das tut doch nichts zur Sache." "Seit Wochen zerbreche ich mir den Kopf, was ich dir so Schlimmes angetan haben könnte. Womit ich diese Distanz zwischen uns gebracht hab. Aber ich weiß es nicht. Vor Kurzem hätten wir fast nochmal miteinander gepennt und seit meiner Geburtstagsfeier bist du so ekelhaft zu mir. Wieso?" Sein Anschiss zeigt Wirkung. Ich bekomme ein richtig schlechtes Gewissen. Doch dann fällt mir wieder die Szene beim Bäcker ein. Und die, als Tom ihm eine gescheuert hat. Und wieder koche ich innerlich hoch. "Ben, es ist so wie es ist! Akzeptier das!" Ich drücke mich an ihm vorbei und reagiere nicht, als er mir noch hinterher ruft: "Und wenn ich das nicht will?!"

 

 

Natürlich ist für mich die Stimmung erst mal im Keller. Passend zu Linda. Sie mault schon die ganze Zeit rum, dass sie solche Kopfschmerzen hat. Sie hängt nur an der Bar rum. So kennt man sie sonst überhaupt nicht. Normalerweise ist sie die Erste auf der Tanzfläche und gleichzeitig auch die Letzte. Nachdem ich ihr ein bisschen den Kopf getätschelt hab, kommt Jonas wieder an und zerrt mich auf die Tanzfläche. Das ist jetzt genau das Richtige. Ich will heute Spaß haben und feiern. Es dauert zum Glück nicht lange, bis Jonas mich wieder von Ben und dem Krisengespräch ablenkt. Er bestellt noch ein paar Shots. Die Stimmung wird ausgelassener und ich werde feierwütiger. Allmählich wird Jonas jedoch etwas aufdringlich, aber ich glaube, das liegt lediglich am Alkohol. Seine Hände wandern beim Tanzen nur von meiner linken zur rechten Pobacke und wieder zurück. Immer wieder will er mich küssen, doch ich drehe mich gekonnt weg. Das würde mir dann doch entschieden zu weit gehen. Die anderen schauen sich das Schauspiel noch eine ganze Zeit lang an, doch irgendwann wird es ihnen doch zu bunt. "Josie, fahr mal nen Gang runter. Du kennst den Kerl doch gar nicht.", warnt Linda mich. "Da hast du Recht Lindaleinchen. Deshalb geh ich jetzt auch alleine auf Toilette. Ohne Jonas. Bin gleich wieder da." Auf der Treppe merke ich erst, dass ich viel zu viel getrunken hab. Ich wanke ziemlich stark und hangele mich von Stufe zu Stufe. Zu allem Überfluss kommt Ben mir gerade mit einer Kiste Bier entgegen. Ich reiße mich nach Möglichkeit zusammen, dass er mir meinen Pegel nicht anmerkt, doch vergebens. Er kennt mich mittlerweile zu gut. "Josie, du bist ja völlig betrunken." "Dasss bin ich gar nicht!" "Sag mal, füllt dieser Typ dich ab?" "Und wenn schooon!", wedele ich mit den Händen vor seinem Gesicht rum. Ben hält mich an den Schultern fest: "Ich finde, du solltest jetzt nichts mehr trinken. Nur noch Wasser. Hörst du?" "Du bist nicht mein Freund, Ben. Du hassst mir nichts zu sagen!" "Pass bloß auf mit dem Typen." "Jonasss? Der ist harmlos!" "Ich kenn ihn. Der schleppt hier regelmäßig Weiber ab." "Das machst du doch auch...", höre ich mich sagen. Ben ist entsetzt über meine Aussage: "Was?!?" Ich pirsche mich an ihm vorbei und verschwinde schließlich auf die Toilette. "Ich muss jetzt mal, Ben. Ciao."

 

 

Nachdem ich mir Mühe geben musste, nicht in die Kloschüssel zu fallen, feiere ich oben ungestört weiter. Ben lässt mich dabei nicht aus den Augen. Als er von Mike hört, dass ich nochmal einen Mexican Sunset und zwei Shots bestellt hab, kommt er mit einem Wasserglas zu mir. Dass Jonas weiter an mir rumfuchtelt findet er dabei gar nicht lustig. "Was ist das denn?" "Das ist Wasser! Ich denke, du hattest vorerst genügend Shots und Cocktails." "Wasss soll ich denn mit Wasser?! Das kannst du deiner Juuulessss geben. Werdet glücklich mit eurem Wasser." "Ja Alter. Verzieh dich endlich.", mault Jonas ihn an. Ben kommt vor lauter Wut fast Dampf aus den Ohren. Aber davon lass ich mich nicht beeindrucken und feiere weiter. Wie sich später herausstellen sollte, leider etwas zu feuchtfröhlich. Ich weiß nur noch, dass Linda, Dave und die anderen irgendwann weg waren und Jonas eindeutig viel zu anhänglich wurde, sodass Ben mich "retten" musste. Jonas wollte die ganze Zeit, dass ich mit zu ihm komme, aber soweit konnte ich noch denken und wollte das nicht. Es gab dann wohl eine Rangelei, aber so richtig erinnern kann ich mich nicht mehr.

 

 

Am nächsten Vormittag schlage ich zögerlich meine Augen auf. Mein erster Gedanke: Mir platzt der Schädel. Ich sehe mich kurz um und stelle fest, dass ich in meinem Bett liege. Aber was höre ich da neben mir? Wer atmet denn da? Da liegt jemand in meinem Bett?! Oh bitte lass es nicht Jonas sein!!!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.01.2019. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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