Christiane Mielck-Retzdorff

Endlich eine echte Tierfreundin

 

 

Fiona liebte schon als Kleinkind Tiere. Kaum konnte sie laufen, war sie von dem Schaufenster der nahen Zoohandlung kaum weg zu prügeln. Sie quengelte ständig nach einem eigenen Haustier. Also schenkten ihr die Eltern zum dritten Geburtstag einen Hamster. Ihre Liebe zu dem kleinen Kerl war aber zu erdrückend. Tagelang weinte das kleine Mädchen über den Verlust, so dass ihre Eltern beschlossen, ein etwas robusteres Tier, ein Meerschweinchen, anzuschaffen.

Da dieses meistens in einem Käfig in der Drei-Zimmer-Wohnung im vierten Stock hockte, wollte Fiona ihm auch mal den Blick auf die weite Welt gönnen und setzte ihn auf die Bank vor dem offenen Fenster. Das Tier namens Felix freute sich so sehr über den Ausblick, dass es den Drang zu fliegen verspürte und in die Tiefe stürzte. Erneut war das Mädchen untröstlich.

Zum Glück hatten sich die Eltern entschieden, in einen Außenbezirk der Großstadt zu ziehen, wo sie auch das dringende Bedürfnis ihrer Tochter nach einem neuen Haustier befriedigen konnten. Die Katze hieß Minka, hatte einen ausgeprägten Spieltrieb, doch wusste sich auch mit ihren Krallen gegen zu viele Zärtlichkeiten von Fiona durchzusetzen.

Das Katzenklo stand unter dem Waschbecken im Gäste-WC. Die Eltern hatten ihrer Tochter früh beigebracht, die Türen zu Toiletten stets geschlossen zu halten. So beraubte Fiona eines Tages der Katze die Möglichkeit, ihr Klo aufzusuchen, weshalb sie in der Wohnung ihr Geschäft verrichtete. Die Eltern waren entsetzt und beschlossen diesem Treiben durch den Einbau einer Katzenklappe Einhalt zu gebieten, was auch gelang. Doch Minkas Freiheitsdrang war offensichtlich so groß, dass sie ihr gemütliches Heim mit dem vielen Spielzeug und dem ausgewählten Futter verließ, um dem Ruf der Wildnis auf nimmer Wiedersehen zu folgen.

Fionas der Wunsch nach einem Hund blieb unerfüllt, auch wenn sie tränenreich versprach, sich ganz allein um diesen zu kümmern. Todunglücklich suchte sie das örtliche Tierheim auf, um dort zukünftig mit den heimatlosen Hunden spazieren zu gehen. Doch dann begannen Jungs mehr und mehr ihr Interesse zu wecken. Ihre Tierliebe trat bis zur ersten großen Enttäuschung in den Hintergrund. Aber nun erkannte sie, dass nur Tiere ihrer Liebe wert waren.

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Schule, machte sie eine Lehre und bekam anschließend in einer alteingesessenen Firma einen gutbezahlten Job im Büro. Als sie erfuhr, dass ihr Chef nicht dagegen hatte, wenn sie einen Hund mitbrachte, solange dieser den Betrieb nicht störte, erinnerte sie sich an das Tierheim und suchte sich dort ein älteres Tier aus, weil diese selten bis nie vermittelt werden konnten.

Täglich ging sie mit ihrem Hund in einem extra für den Freilauf eingezäunten Gelände spazieren, wo sie etliche andere Hundebesitzer kennenlernte. Diese sprachen immer wieder ihre Anerkennung dafür aus, dass Fiona so selbstlos heimatlose Kreaturen bei sich aufnahm, deren Lebenserwartung nur begrenzt war. Starb einer ihrer Hunde, folgte ihm bald ein ebenfalls älterer Tierheiminsasse.

Fiona wunderte sich anfangs darüber, dass immer mehr Hunde auf der Freilauffläche nicht nur ein Halsband trugen sondern auch ein Geschirr um ihren Körper, an dem ständig eine sehr lange Laufleine befestigt war. Deren Besitzer waren sichtlich stolz darauf, sich eines armen Straßenhundes aus einem süd- oder osteuropäischen Lande angenommen zu haben. Während die Tiere mit den langen Leinen im Schlepptau herumtollten, die sich oft um einen Busch wickelten oder diese sich untereinander verknoteten, was von den Menschen behoben werden musste, standen die Besitzer zusammen, sprachen über ihre Erfahrungen und beweihräucherten sich gegenseitig wegen ihrer selbstlosen Entscheidung für einen ehemaligen Straßenhund. Fiona gehörte plötzlich nicht mehr dazu.

Eines Tages sprach sie eine Frau in dem Hundeareal an und kritisierte sie als verantwortungslos wegen ihres alten Hundes aus dem Tierheim. Fiona war sprachlos. Die Frau fuhr fort, dass es den Tieren in deutschen Institutionen doch sehr gut ginge, sie medizinische betreut würden, ihr Fell wenn nötig von Fachleuten gepflegt wurde und die Nahrung auf ihre Bedürfnisse abgestimmt war. Engagierte Tierschützer kümmerten sich täglich um die Tiere. Also sollte man gerade ältere Hunde nicht ihrer vertrauten Umgebung entreißen. Das wäre grausam. Ein alter Baum darf nicht mehr verpflanzt werden.

Aus dieser Warte hatte Fiona ihr Handeln nie betrachtet. Sie war verunsichert. Verständnisvoll legte die Frau den Arm um sie und drückte ihr eine Visitenkarte in die Hand. Fiona könnte sich getrost an sie wenden, wenn ihr gegenwärtiger, schon recht alter Lebensgefährte das Zeitliche gesegnet hatte. Sie würde ihr dann eine bedauernswerte Kreatur aus dem Ausland vermitteln, wo die Hunde hungern mussten, geschlagen wurden und in Tötungsstationen landeten. Sich um diese gequälten Geschöpfe zu kümmern, zeichnete eben eine echte Tierfreundin aus.

Zwei Monate später verstarb Fionas Hund. Nun wollte sie echte Tierliebe zeigen und nahm das Angebot der Frau an. Gerade lebte in einem Zwinger bei ihr nur ein erst kürzlich eingetroffener Straßenhund aus Spanien, von Tierschützer aus einer Tötungsstation befreit. Es war ein mittelgroßer, schwarzer Rüde, ca. 5 Jahre alt, mit strubbeligem Drahthaar. Er sah gefährlich aus mit seinen prächtigen, weißen Reißzähnen, die er gleich präsentierte, als er Fiona zur Begrüßung anknurrte.

Die Vermittlerin beruhigte Fiona mit den Worten, dass mit ihrer jahrelangen Erfahrung mit Hunden dieses genau das richtige Tier für sie sei. Unerfahrenen Leuten hätte sie dieses Tier gar nicht angeboten. Fiona fühlte sich geschmeichelt.

Der Hund mit Namen Bonzo trug bereits Halsband und Geschirr mit Laufleine. Die beiden Frauen holten ihn aus dem Zwinger und gingen mit ihm, die zwei Leinen wie Zügel in der Hand, spazieren. Dabei gebärdete sich Bonzo temperamentvoll, lauffreudig und neugierig. Fiona merkte ihm an, dass er die Freiheit witterte und bereit für die Jagd nach Futter war. Aber mit Liebe und Zuwendung würde sie Bonzo schon an sich binden. Willig zahlte sie die Vermittlungsgebühr von 500,- €, deren Höhe sich dadurch rechtfertigte, dass der Hund gechipt und geimpft war. Nur seine Kastration war noch in Planung.

Stolz, nun endlich eine echte Tierfreundin zu sein, nahm sie ihn mit nach Hause. Die Laufleine entfernte sie dort auf Anraten der Vermittlerin nicht. Als sie nur kurz zum Duschen ging, gelang es Bonzo bereits, ihr ganzes Sofa zu zerfleddern. Vermutlich hatte er Hunger. Also füllte sie seinen Napf mit extra nahrhaftem Futter, das er gierig verschlang.

Anschließend ging sie mit ihm zum Hundeauslauf, um allen zu zeigen, dass auch sie die Herausforderung, sich eines ausländischen Straßenhundes anzunehmen, nicht scheute. Allerdings benahm er sich anderen Hunden gegenüber sehr angriffslustig, weswegen sie ihn nicht von der Leine ließ. Tröstend erklärten ihr die anderen Hundebesitzer, dass dieses Verhalten für die traumatisierten Geschöpfe normal sei. Anfangs sollte Bonzo lieber einen Maulkorb tragen.

Da er auch in Fionas Wohnung alles zerbiss, was er in die Fänge bekam, hielt sie es für besser, ihm den Maulkorb nur beim Fressen abzunehmen. Leider knurrte er auch in ihrer Firma jeden Menschen bedrohlich an, der sich ihm näherte. Also forderte ihr Chef Fiona auf, das gefährliche Tier in ihr Auto zu sperren.

Doch sie war mehr als glücklich. Von allen Hundebesitzern wurde sie für ihre Entscheidung gelobt. Das arme Tier musste in seiner Heimat schrecklich misshandelt worden sein. Sich seiner anzunehmen, bezeugte wahre Tierliebe. Zwar war es sinnvoller, Bonzo erstmal immer und überall an der Leine zu führen und einen Maulkorb tragen zu lassen, aber irgendwann würde er schon erkennen, wie gut er es nun hatte. Die Narben seiner Bisswunden trug Fiona wie Trophäen, hörte immer wieder bewundernde Worte ob ihres selbstlosen Einsatzes, ihrer Geduld und ihres großmütigen Verständnisses für den bedauernswerten Bonzo.

Das sprach sich herum, weswegen Fiona bald der Job als oberste Landestierschützerin angeboten wurde. Freudig stimmte sie zu. Allerdings war ihre Tätigkeit mit häufigen Reisen sogar ins Ausland verbunden. Deswegen gab sie Bonzo in dem ihr bekannten Tierheim ab. Endlich durfte sie ihre Berufung als echte Tierfreundin ausleben und ihre Eltern waren sehr stolz auf sie.

 

 

 

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