Manfred Gries

Verwandtschaft

Angefangen hat alles mit der Geburt. Man kommt auf die Welt und schon sind sie da, die lieben Verwandten. Keine Spur von der „Gnade der Erstgeburt“. Onkel, Tante, Oma, Opa – je nachdem wie vermehrungs-trächtig die einzelnen Geschlechter waren. Die natürlichen Verwandten sind schon da, wenn du auf die Welt kommst.

Neben den natürlichen Verwandten gibt es dann auch noch die, die mit der Ehe in dein Leben treten. Wie sagt eine liebe Freundin von mir immer? „Der, was der Schwager von meinem Mann seinem Onkel ist.“ Und darum soll es hier gehen. Um die lieben Verwandten, die nicht gleichen Blutes sind mit uns.

Natürlich habe ich mich mal wieder geärgert, warum auch sonst würde ich mir Luft machen. Grundsätzlich sind mir ja alle Menschen sympathisch, solange sie nicht zu Heilig Abend mein Wohnzimmer bevölkern. Versteht den Autor nicht miss. Er liebt seine Verwandten. Aber hin und wieder sollten sie ihn auch mal lieben. „Nee, wat ein scheener Baum“. Schwiegermutter kam aus der Küche und hatte ihr freundlichstes Gesicht dabei. Okay, der Backofen war vor ihrem Erscheinen nicht gesäubert worden - wir machen so etwas extra - aber dass dann gleich dieses verunstaltete Etwas, das ich am 23. noch erlegen konnte, „scheen“ wurde, das war wohl der Einstieg zur Weihnachtsfeier. „Vielleicht solltest du einen Malermeister mit der Renovierung des Hauses beauftragen“. Mein Schwager setzte die Kette der Negativ-Beurteilungen fort. Was da wohl noch kommen würde?

Und während die 3 Weihnachtsbraten, zwei hatte ich gekauft, einen die Schwiegermutter, nun vor die Entscheidung gestellt wurden, wer in die Kühltruhe und wer in die Mägen gelangt, brachten die Kinder den Tisch ins Wohnzimmer. „Nee was ein scheener Tisch“. Keine Angst, dieser Spruch fiel nicht, denn unser Tisch ist wirklich nicht schön. Aber mit einer sauberen Tischdecke kann man vieles überspielen. So nahm das Geschehen seinen Lauf. Der Braten schmeckte etwas trocken, vom Brot war zuviel abgeschnitten und überhaupt wären wir besser alle zu Hause geblieben. Das mit dem Brot war eine besondere Spitze, denn ich hatte gegen den Willen der beiden ein ganzes Baguette für 5 Personen aufgeschnitten. „Das isst doch eh keiner“ war die einhellige Meinung der Verwandten. „Und dann vertrocknet das nur“.

Gegen Ende der Bratenschlacht begann mein ältester Sohn ein Baguette Stück nach dem anderen zu essen. „Hat dir der Braten nicht geschmeckt?“ „Doch, aber ich habe noch Hunger“. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, denn ich kenne meinen Sohn. Warum das Essen so schnell beendet war, weiß wohl keiner von uns. Aber nach dem Mahl beginnt hier die Bescherung und so fand sie auch statt. „Nee, also, das kann ich jetzt wirklich nicht annehmen. Den Drucker bezahle ich dir“, erklang es aus der Kehle meines Schwagers. Ich sah den „scheenen“ Baum an und erwiderte: „Ein Geschenk ist ein Geschenk“... Ihr könnt euch den weiteren Verlauf des Abends vorstellen. Nachdem alle Geschenke ausgepackt und Bemerkungen gefallen waren, verbrachten wir – meine Kinder, die Verwandten und ich – den restlichen Teil des Abends mit Spielen. Mein Schwager mag Spiele sehr und wenn man mit ihm spielt, denkt er nicht mehr an „scheene Bäume“ und Backöfen. Und wenn es ihrem Sohn gut geht, ist auch meine Schwiegermutter zufrieden. Zwei Fliegen mit einer Klappe, nun, was will man mehr.

Tags darauf sind sie in aller Frühe gefahren. „Nächstes Jahr feiern wir aber Weihnachten bei uns“, meinten die beiden. „Nächstes Jahr ist noch lang hin“ war meine Erwiderung.



Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Manfred Gries).
Der Beitrag wurde von Manfred Gries auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.08.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Manfred Gries als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Fange an zu Träumen von Klaus Thomanek



Die CD ist eine Eigenproduktion mit Texten und Melodien, die von Klaus Thomanek selbst verfasst und komponiert wurden. Die Lieder sind eine Reise durch verschiedene Stationen seines Lebens.
Sie laden gleichzeitig ein zum Fröhlich sein, wie auch zum Träumen und Nachdenken.
Alle Texte der im April dieses Jahres erschienenen CD sind in deutscher Sprache und mit sehr harmonischen Melodien untermalt.
Acht neue Lieder sind bereits arrangiert und warten darauf, auf einer neuen CD zu erscheinen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Besinnliches" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Manfred Gries

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Attacke um Mitternacht von Manfred Gries (Impressionen)
Der Arztbesuch 2 von Klaus Lutz (Besinnliches)
Ihr Freund, der Baum von Christa Astl (Zauberhafte Geschichten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen