Jürgen Skupniewski-Fernandez

Sternenblume

„Ich bin nicht schön, so spricht die Sternenblume, doch Menschen mag ich, und Menschen lieb ich. Nietzsche schrieb allerdings in seinem November Gedicht: Doch Menschen tröste ich.“ Cecilia lehnte sich an den Stuhl ihres Jugendstilschreibtisches im Schatten des Salons. Links von ihr gab das große, hohe Fenster einen klaren Blick auf den nächtlichen Himmel frei. Ihre Augen waren auf Gilbert gerichtet, der es sich auf dem Sofa bequem machte und ein langstieliges Rotweinglas in der rechten Hand hielt. Gilbert sah durch die Flamme, durch die vor ihm brennende Kerze hindurch, auf Cecilias vollgeformte Silhouette. Dann schaute er durch das Fenster hinauf zum leuchtenden Sternenmeer. „Sternenblume…, ich bin nicht schön“, wiederholte er mit sanfter Stimme. Cecilia nahm auf dem Sofa neben Gilbert Platz, umfasste sanft seine rechte Hand und entnahm ihr das Rotweinglas. Sie führte es sacht an ihre Lippen und trank einen Schluck. Gilbert schaute ihr zu. Er lehnte sich zurück während Cecilia das Glas abstellte. Dann berührte sie mit ihrer rechten Hand Gilberts Nackenwirbel. Gilbert schnurrte wie ein Kater, der gerade gekrault wurde und ergab sich ihren sanften Berührungen. Cecilia lehnte sich ebenfalls zurück. Beide schauten sich an. „Wie kommst Du jetzt gerade auf Nietzsches Gedicht?“, fragte er sie. „ Ich weiß es nicht. Es kam mir gerade so in den Sinn. Es ist Herbst. Wir haben eine klare Sternennacht und Du füllst mit Deiner Aura jeden Winkel dieses Hauses“. „Tu ich das?“ fragte er und wartet auf Bestätigung. Cecilia kannte dieses gestellte Jungengesicht und nickte lächelnd. „Soll ich Dir auch ein Glas holen“, fragte er sie daraufhin. „Bitte“. Gilbert stand auf gab ihr einen Kuss auf die Stirn und verließ den Salon. Cecilia sah durchs Fenster und suchte nach Sternen, nach Sternenblumen. Dabei flüsterte sie gedankenversunken: „Dies ist der Herbst, der bricht mir noch das Herz. Fliege fort, fliege fort.“ Sie hatte es ihm noch nicht gesagt. Sie wollte erst noch einmal diese tiefe Ruhe spüren, die letzten Stunden vergessen und den sich bereits anbahnenden Schmerz noch nicht zulassen. Der konnte warten. Gilbert kehrte mit einem gefüllten Rotweinglas zurück. „Komm, lass uns zum Fenster gehen und gemeinsam nach der Sternenblume suchen“, und strecke seine Hand aus. Cecilia lachte, nahm das andere Glas vom Tisch und beide gingen zum Fenster. Er schlang seinen linken Arm um ihre Hüfte. Beide schauten auf den Himmel. „ Du musst nicht denken, dass ich nichts gemerkt habe“, sagte er ohne sie dabei direkt anzuschauen. Cecilia schwieg. Sie schaute ihn an. Dann sagte sie mit fester Stimme: „Wir haben wieder unser Kind verloren“, dabei rollten ihr die Tränen über die Wangen. Er erwiderte schweigend ihren Blick, wischte ihre Tränen aus dem Gesicht und drückte sie fest an sich.

 

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Emotionale Welten von Jürgen Skupniewski-Fernandez



In den Gedichten hat der Autor das lyrische "Ich" durch ein vorwiegendes lyrisches "Du" bzw. "Wir" ersetzt, was eine kollektive Nähe zum Geschehenen hervorruft.
Die sehr eindrücklichen Beschreibungen leben von den vielen Metaphern und Vergleichen.
Eine klare und leicht verständliche Sprache sowie wohlgeformte Reime ermöglichen dem Leser einen guten Zugang zu den Gedichten.
Etwas für Lyrik-Liebhaber und jene, die gerne über das Leben philosophieren. Eine kleine poetische Reise, die den Leser zum Verweilen und zum Nachdenken über den Sinn des Lebens einlädt.

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