Heinz-Walter Hoetter

Das Gleichnis mit dem Geldschein

Auf dem Marktplatz einer großen Stadt stand ein alter Mann vor einer großen Menschenmenge, die sich um ihn herum versammelt hatte, um andächtig seinen interessanten Erzählungen zu lauschen. Kurz vor dem Ende seiner Rede zog er plötzlich einen Geldschein aus der Tasche und hielt ihn weit nach oben in die Luft.

Dann rief er mit lauter Stimme: "Wer von euch diesen 50 Mark Schein haben möchte, der hebe einfach die Hand."

Kurz darauf gingen alle Hände schlagartig nach oben. Fast alle riefen gleichzeitig ICH, denn jeder wollte die Geldnote haben.

Der Alte bat die Zuschauer, ihre Hände wieder runter zu nehmen. Dann klemmte er den 50 Mark Schein in seine geschlossene Faust und zerknitterte ihn so stark, dass er wie ein altes Stück Papier aussah.

"Wer von euch will diesen Schein jetzt noch?" rief er in die Menge.

Und wieder gingen fast alle Hände nach oben. Jeder wollte den zerknüllten 50er Schein trotzdem haben, denn er hatte ja nicht an Wert verloren.

Plötzlich warf der alte Mann den zerknüllten Geldschein vor sich in den Dreck, trat sogar noch absichtlich darauf herum, hob ihn danach auf und riss ihn grinsend vor aller Augen in vier Teile auseinander. Ein dumpfes Raunen ging durch die Menge, weil der 50 Mark Schein jetzt so gut wie unbrauchbar geworden war.

"Wer von euch möchte diese kaputte Banknote haben?" frage er die Leute abermals und wartete ab, was geschehen würde.

Und siehe da, es gingen immer noch etliche Hände nach oben, obwohl der 50 Mark Schein total kaputt und voller Schmutz war.

Nach einer kurzen Pause ergriff der alte Mann dann wieder das Wort und sprach mit lauter Stimme: "Meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer! Ihr werdet von mir jetzt wohl wissen wollen, was ich euch mit dieser kleinen Vorstellung um den Geldschein hier sagen wollte. Nun, das ist einfach zu erklären. Es kommt manchmal vor, dass wir in unserem Leben durch irgendwelche Ereignisse aus der Bahn geworfen werden oder durch negative Vorkommnisse sprichwörtlich im Dreck landen. Wir hadern dann mit unserem Schicksal, weil wir uns schlecht behandelt fühlen. In solchen Situationen kommen wir uns vielleicht sogar wertlos vor, halten unser Leben für gescheitert und sind verbittert. Das muss aber nicht sein. Denn, egal was auch immer mit uns passiert, jeder einzelne von uns verliert niemals an Wert, gleichgültig, was auch immer in seinem Leben geschieht. Nun, hat der 50 Mark Schein vielleicht an Wert verloren, obwohl ich ihn zerknüllte, ihn mit Dreck besudelte und am Ende auch noch zerriss? Nein! Er hat trotz der schlechten Behandlung seinen Wert behalten. Gleiches gilt für uns Menschen. Jeder von uns trägt in sich einen unzerstörbaren Wert. Die Schöpfung kennt kein wertloses oder sinnloses Leben. Das Gegenteil davon ist der Fall. Das Leben eines jeden einzelnen von uns muss als Geschenk der Liebe betrachtet werden. Wir haben den Auftrag, etwas sinnvolles daraus zu machen. Auch wenn wir vielleicht in den Schmutz fallen oder uns das Schicksal schwer zusetzt und nicht selten sogar in die abgrundtiefe Verzweiflung treibt, so verändert sich der Mensch im Kern nicht, weil sein ursprünglicher, unveränderbarer Persönlichkeitsanteil, nämlich die Seele, unsterblich ist. Sie bleibt so, wie sie von Anfang an war. Ihr habt ja gesehen, was ich mit diesem Geldschein hier gemacht habe. Trotzdem hat er sich im Wert nicht verändert, obwohl er von mir fast bis zur Unkenntlichkeit beschädigt wurde. Denkt immer daran, was ich euch mit diesem Gleichnis sagen will. Jeder einzelne Mensch behält seinen Wert, egal was auch immer mit ihm geschehen mag, sei es nun von guter oder böse Natur.“



 

ENDE

(c)Heinz-Walter Hoetter

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.02.2019. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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