Christiane Mielck-Retzdorff

Wörtliche Gleichstellung

 

 

Der vierzigjährige und erfahrende Moderator Sebastian Schulz erhielt das Zeichen, dass er mit der Sendung beginnen konnte. Das Lächeln des Erfolgreichen im Gesicht schaute er in die Fernsehkamera.

„Liebe Zuschauer, ich begrüße Sie zu unserer Sendung „Politik aktuell“. Heute ist unser Gast die Bundesgleichstellungsbeauftragte Lydia Schmitz-Katze. Herzlich willkommen.“

Als Profi hatte er lange geübt, den Namen „Schmitz-Katze“ möglichst unbeeindruckt auszusprechen, denn anfangs plagten ihn bei der Nennung immer wieder Lachkrämpfe. Doch auch diesmal konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Schulz, ich danke Ihnen für das freundliche Empfang.“

„Welche Reformen wollen Sie als neue Gleichstellungsbeauftragte vorantreiben?“

„Wie bekannt ist, habe ich auf dem Gebiet des Linguistik promoviert und werde mit Nachdruck das Reform unseres Sprechens vorantreiben. Wie die Menschen Worte gebrauchen, beeinflusst wesentlich ihr Denken. Deswegen dürfen Hauptworte, wie im Englischen praktiziert, kein Geschlecht haben. Auch Begriffe wie Vater und Mutter, Sohn oder Tochter gehören abgeschafft. Das Erzeuger und das Gebärende bekommen das Nachwuchs oder das Kind.“

Der Moderator, selbst Vater von zwei Söhnen schluckte, versuchte aber sachlich zu bleiben.

„Doch allein die Namen sagen schon etwas über das Geschlecht eines Menschen aus.“

„Richtig, und auch das muss geändert werden. Also schlage ich zum Identifizieren der Menschen eine Kombination aus geschlechtsneutralen Buchstaben und Zahlen vor. Das ist im digitalen Zeitalter auch angemessener. Es bedarf natürlich eines gewissen Übergangszeit. Doch die Bürger werden sich schnell daran gewöhnen.“

Sebastian Schulz gruselte es bei der Vorstellung, seine geliebte Ehefrau Ann-Marie nur noch R2-D2 nennen zu dürfen. Er riss sich zusammen.

„Frau Schmitz-Katze…“

Der Moderator wurde unterbrochen.

„Bitte lassen Sie das „Frau“ weg. Damit unterstreichen Sie mein Geschlecht, womit Sie das Basis für Vorurteile schaffen.“

„Entschuldigen Sie bitte. Nun wird aber in der deutschen Sprache der Plural von allen Substantiven mit dem weiblichen Artikel „die“ gebildet. Ist das nicht eine ungerechte Bevorteilung des Weiblichen?“

„Richtig, auch dieses muss geändert werden. Ich arbeite schon an einem Ersatzvorschlag.“

„Wenn Sie all diese Korrekturen verlangen, müssten zuerst die Schulbücher umfassend überarbeitet werden. Dadurch entständen immense Kosten.“

„Das ist mir klar, Schulz, aber für das Durchsetzen der Gleichstellung aller Bürger in Deutschland darf uns nicht zu teuer sein.“

„Was soll mit den schon existierenden, literarischen Werken geschehen, in denen Worte und Menschen oft an die Formen weiblich und männlich gebunden sind?“

„Diese Relikte müssen als Symbole früherer sprachlicher Verfehlungen markiert werden, doch sie behalten ihr historisches Wert.

Der Moderator war von dem Interview sichtlich genervt, wollte aber unbedingt in der Argumentation des Gastes eine Lücke finden.

„Egal, ob wir mit einem männlichen oder weiblichen Erwachsenen sprechen, gebrauchen wir das „Sie“. So verläuft es auch in unserem Gespräch. Doch auch diese Anrede hat einen weiblichen Beigeschmack.“

„Richtig, deswegen sollten wir das „Siezen“ grundsätzlich abschaffen und uns mit dem neutralen „Du“ anreden. Auch das würde die Gleichstellung vorantreiben, Rangordnungen auflösen. Niemand in englischsprachigen Gebieten hat ein Problem damit.“

„Das mag so scheinen, aber ist es nicht richtig, dass sich Personen beim Gebrauch der englischen Sprache immer Siezen, das „Du“ also abgeschafft wurde? Bei Shakespeare finden wir noch die ursprüngliche Anrede.“

Sebastian Schulz lächelte voller Stolz über sein Wissen.

„Zwar haben Sie Recht, Schulz, doch das ist niemandem mehr bewusst. „You“ klingt ja auch wie „Du“. Es geht doch darum, jungen Menschen schon mit der Sprache beizubringen, dass Geschlechter und Rangordnungen in ein modernes Gesellschaft nichts mehr zu suchen haben.

„Es tut mir leid, Frau- Entschuldigung- Schmitz-Katze, aber unsere Sendezeit ist abgelaufen. Ich bedanke ich für das informative und nachdenklich stimmende Gespräch. Es folgen die Nachrichten.“

 

 

 

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