Brigitte Lörgen

Angekommen

Für Mama

Es ist mal wieder Freitag. Woher ich das weiß? Na ja, sie putzt mal wieder. Dann gehe ich sofort in mein Körbchen und schlafe. Oder tue nur so. Ist auch nicht schlimm, wenn sie sich nicht mit mir beschäftigt. Ich suche mir eins von 3 Körbchen aus, alle sind schön, warm, weich und bequem. Ich schiebe also meine langen Hinterbeine vor, lege dann mein Kinn darauf und hänge meinen Gedanken nach oder schlafe wirklich ein. 7 Jahre bin ich schon hier bei ihr. Die Gedanken an mein früheres Leben werden immer weniger.

Frauchen meint, putzen muss sein. Ich haare nämlich. Ich finde ja dieses ewige Putzen unnötig, sinnvoller ist es doch Pappkartons zu zerfetzen, die versteckten Leckerchen in unserer Wohnung zu suchen oder Löcher in die Wiese zu buddeln, sich dann in vollem Lauf auf die Erde zu werfen und sich zu wälzen. Dabei muss ich darauf achten, nicht schmutzig zu werden, denn ich bin ein feines Fräulein, das sich nicht schmutzig macht. Igitt, schmutzige Pfoten oder nass wie ein Pudel, ich hasse es.

Eigentlich wollte sie einen mittelgroßen Hund, der nicht jagt und nicht haart. Aber als wir uns im Tierheim zu ersten Mal begegnet sind und ich sie mir angesehen hatte, habe ich direkt entschieden. Ich gab mir auch besonders viel Mühe und bin ständig an ihr und ihrer Freundin Bärbel, die jetzt auch meine Freundin ist, hochgesprungen, damit sie mich ja nicht übersehen und dort rausholen.

Damals konnte man mich nämlich noch übersehen, ich war rappeldürr und aufgrund meiner langen Reise durch halb Europa machte ich einen ziemlich kläglichen Eindruck. Mein Fell glänzte nicht, meine hübschen langen Beine waren krumm, doch ich war damals schon schnell und zäh. Meine Freundin Bärbel sagt immer ich bin der schönste Hund der Welt.

Mittlerweile bin ich so an die 15 Jahre und fühle mich super. Ja gut, bis auf meinen kranken Magen, das Herz und die wehen Knochen. Ein Hinterbein ziehe ich etwas nach und seit neuestem ist da was an meinem Vorderbein. Aber Frauchen und meine Bärbel achten sehr auf mich, kochen sogar für mich. Regelmäßig schleppen sie mich zum Tierarzt und zur Tierheilpraktikerin. Der Tierarzt fasst mich immer an, das mag ich überhaupt nicht- Da muss ich meine Zähne zeigen. Zur netten Tierheilpraktikerin gehe ich gerne, die hat ein bequemes Sofa, fast wie zu Hause. Auf’s Wasserlaufband muss ich auch noch. Brrr, das hasse ich, aber Frauchen sagt, da muss sein. Sie weiß doch wie sehr ich Wasser hasse. Bei Regen soll ICH raus? Wenn sie muss soll sie doch alleine gehen – ohne mich! Aber sie zieht mich einfach mit. Seit einiger Zeit muss ich einen Mantel anziehen, aber mein Kopf wird immer noch nass. Sie hat einfach kein Mitleid mit mir.

Wenn Freundin Bärbel mich abholen kommt freue ich mich sehr, weil wir durch die Wälder streifen, über die Felder laufen, dann schlägt mein Herz Purzelbäume, einfach nur herrlich. Zwischendurch bekomme ich immer eine Leckerei. Sie hat mich sogar schon mal mit in Urlaub genommen. Ich sag euch toll war das.

Kommen wir dann nach Hause steht schon das Näpfchen bereit und ich schlage mir den Bauch voll.

ein Hund hier, der seit Welpenzeit bei seinen Menschen ist und immer ein volles Töpfchen mit Futter hatte, weiß wie es ist, ständig hungrig zu sein. 8 Jahre habe ich dort im Süden gelebt und immer gehungert, zwischendurch lagen auch noch hungrige Kinder an meinem Bauch. Und ich habe versucht, ihnen mein letztes zu geben. Auf alle war ich sehr stolz. Nachts, wenn es kalt war musste ich uns mit Pappe zudecken, wir haben so gefroren. Brauche ich hier alles nicht mehr, kümmert sich Frauchen drum. Dafür habe ich jetzt andere Aufgaben. Z.B. die Ohren spitzen, wenn in unserer Futterküche mein Näpfchen klappert oder die Leckerchentüte knistert. Ich bin einfach nur verfressen. Frauchen meint, gut, dass ich eine schlanke Figur habe. Weiß nicht was das ist.

Viel gelernt habe ich hier auch, sogar in die Hundeschule musste ich, das war toll, nur die Lehrerin war doof. Mein Frauchen sagt immer, ich wäre so stur wie ein griechischer Esel. Das stimmt nicht, ich höre prima, ich weiß nur, was ich will. Ständig heißt es, lauf nicht auf die Strasse, bleibt stehen, es kommt ein Auto, nein Khedira nicht hier hin, dort auch nicht.

Mein Frauchen! Als ich zu ihr kam musste ich sooo viel lernen. Jetzt wird kein Teppich, keine Decke mehr zerbissen. Hier habe ich das erste Mal eigene Decken und sogar Plüschtiere bekommen. Frauchen konnte damals rattenböse werden, z.B. wenn ich an unseren Mülleimer ging oder an ihr Essen. Ööha, da war was los. Auch das Essen auf den Straße ist tabu, dabei liegt da so viel schönes Futter rum, Stückchen von Pizza, einfach lecker, Pommes sogar Brötchen mit Wurst, die finde ich meist an der Kinderschule. Ich darf auch keine Mülltonne mehr umwerfen. Das macht aber Spaß und einen Höllenlärm und man kann dort drin rumwühlen.

Alles tabu.

Sie sagt immer, willst du krank werden! Nöö, ich doch nicht.

Ein paar Jahre sind Frauchen und ich morgens noch arbeiten gegangen, aber das brauchen wir jetzt nicht mehr. Dafür machen wir mittags immer einen schönen Ausflug, meist mit dem Auto und Freundin Bärbel. Oder wir fahren Straßenbahn, ich liebe das, weil wir uns immer ein neues Ziel suchen. Am schönsten ist es dort, wo viele Kaninchen leben, dann muss ich einfach nur schreien. Ihr wisst, mein Jagdtrieb. Frauchen hängt nur noch an der Leine und muss hinter mir her, denn ich bin ganz schön kräftig geworden. Hihi, ich habe 4 Kilo zugenommen.

Von der Leine lässt sie mich dann nicht mehr, denn ich höre ja nicht auf das was sie sagt. Nur ab zu darf ich jetzt ohne Leine laufen. Ewig heißt es: Khedira hier, nein nicht dort. Ich kann selbst auf mich aufpassen!

Überhaupt, muss ich auf sie aufpassen. Bei uns darf nämlich kein Fremder in die Wohnung. Da kann es schon mal vorkommen, dass ich an das Hosenbein gehe welches stört. Schon gibt es wieder Schimpfe. Ich will doch nur aufpassen.

Eigentlich kann ich mich gut benehmen. Wenn ich will. Sie nimmt mich überall mit hin. Darf ich mal nicht mit, bleibe ich auch alleine. Ich hüpfe dann in ihr Bett. Allerdings muss ich dann wie ein Spitz aufpassen, wenn sie zurückkommt, um rechtzeitig rauszuspringen. Mir ist es absolut schleierhaft, dass sie es immer merkt, wenn ich im Bett war. Sie fühlt an dem Plümo und sagt wieder in dem Ton, den ich kenne: Khedira, warst du wieder im Bett? Ich schaue sie aus meinen schönen braunen Augen an und sage: Neeeiiiin, ich doch nicht. Um sie dann glücklich zu machen drehe ich mich auf den Rücken und strecke ihr meine langen Vorderbeine entgegen. Wie einfach das geht!

Nur Silvester, da darf ich ins Bett, weil ich fürchterliche Angst vor den Knallern habe. Das ist die einzige Ausnahme.

Ab und zu gehe ich mal zu unserer anderen Freundin Karin. Die wohnt über uns und die kann mir nämlich gar nichts verbieten. Da darf ich alles! Karin hat einen Pflegehund, die Lisa und die ist meine allerbeste Freundin. Wir laufen und spielen zusammen, waren sogar schon zusammen in Urlaub. Wenn Lisa dabei ist brauche ich auch nicht so auf die anderen großen Hunde achten, denn Lisa klärt das schon. Ich bin sowieso nicht so gut auf andere Hunde zu sprechen. Kleinere sind mir angenehmer, aber bei den Großen kann es schon mal sein, dass ich böse werde und meine Zähne zeige. Direkt schimpft Frauchen mich wieder. Die meckert aber auch ständig.

Freundin Bärbel arbeitet auch mit mir und da weiß ich mich schon besser zu benehmen. Doch ab und zu gehen alle Hunde mit mir durch. Sicher, es gibt ein paar große und auch kleine Hunde, die liebe ich, z.B. der Vegas, der Louis, der Maik und die Bella. Ich rieche ja schon von weitem wer kommt. Passt der Duft mir nicht, bringe ich mich schon mal in Positur. Und los gehts!

Ich mache mir so meine Gedanken wie die Menschen überleben können mit ihren unterentwickelten Sinnen. Die Leckerbissen auf der Straße sehen sie erst ganz spät, Hunde riechen sie erst, wenn sie neben ihnen stehen. Überhaupt mein Frauchen! Sie sammelt sogar meine Häufchen ein und wirft sie in so hängende Tonnen. Dabei ist das doch schön daran zu schnuppern und für uns Hunde wichtig.

Ab und zu drückt sie ihr feuchtes Maul auf meinen Kopf. Was soll das, ich schlenze ihr doch auch nicht durchs Gesicht!

Sie besteht darauf mit mir zu schmusen. Nie hat einer mit mir geschmust, aber gut, um sie bei Laune zu halten, da muss ich wohl durch. Was tut ein Hund nicht alles für ein warmes Körbchen und immer einen satten Bauch. Naa jaa, ich mag sie ja auch – eigentlich.

Uuaahh, das Leben ist schön.

Khedira

(ein griechischer Jagdhund)

 

NS: wir hoffen, wir haben unsere Kleine noch lange, sie hat einen bösartigen Tumor am Vorderbein.

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