Brigitte Dannenberg-Pape

Endlich Frühling oder unerwünschter Besuch

Eine laue Frühlingsluft wehte über die Terrasse bis zu dem kleinen Loch unter der Terrassentür – Fridolins Höhleneingang. Fridolin war gerade erwacht, räkelte sich im Bett und atmete so tief ein, dass seine Barthaare zitterten. „Was für eine angenehme Luft, es wird Frühling“, murmelte er vor sich hin und seufzte zufrieden. Endlich waren die düsteren, kalten Zeiten vorbei, jetzt würde er wieder öfter in den Garten gehen können. Durch’s hohe Gras huschen, nach etwas Essbarem suchen oder einfach nur so in der Sonne dösen.

Bei diesen verlockenden Aussichten hielt es ihn nicht mehr länger im Bett. Entschlossen sprang er aus dem Bett und tapste in die Küche, um Wasser für seinen Vogelbeer-Früchtetee aufzusetzen. Gerade als er Cornflakes in eine Schüssel schüttete, klingelte sein Handy. Wer war das denn und schon so früh? Fridolin schaute auf’s Display – ach, Balthasar sein Cousin.

Seit seinem letzten Besuch im Herbst waren schon wieder viele Monate vergangen. Damals war sein Besuch ja sehr aufregend gewesen. Fridolin konnte sich noch gut erinnern, wie Balthasar mit den Vorderpfötchen in eine Mausefalle geraten war und er ihn unter größten Mühen befreit hatte. Anschließend hatte er seine Verletzungen liebevoll versorgt und die halbe Nacht seinem Gejammer zugehört. Bei allem Verständnis, manchmal war Balthi wirklich nervig.

Fridolin runzelte die Stirn und zögerte, den Anruf entgegenzunehmen. Wenn der ihn nun wieder besuchen wollte… na egal, nicht rangehen wäre auch unhöflich. Frido meldete sich und schon plapperte Balthasar am anderen Ende munter drauflos. „Hey, Frido, Du alte Rinde, was geht? Alles im Lack? Du, ich bin gerade mit meiner neuen Harley unterwegs und dachte, ich schneie mal bei Dir rein! Brauch noch ca. eine Stunde, vielleicht auch weniger. Helles Blondes wäre schön oder ein Kaffee reicht auch. Wie geht’s Dir denn überhaupt? Nun sag doch mal was!“

Fridos schlimmste Befürchtungen waren wahr geworden, ach Du lieber Mäusegott, das auch noch! Frido holte tief Luft, bevor er seinem Cousin zögerlich antwortete:“ Äh, ja hallo, Balthi, nee, alles gut, aber Du kannst natürlich gerne kommen, aber blöderweise habe ich gleich einen Ter…“, weiter kam er nicht. „ Quatsch, Termin, den kannste auch verschieben! Wo ich doch gerade hier in der Nähe bin! Also alles klar, bis gleich Alter!“ Klick – Stille – Balthi hatte einfach aufgelegt. Frido stöhnte laut auf und schmiss das Handy frustriert auf’s Sofa – so ein verdammter Mäusemist! Das, nein, der hatte ihm gerade noch gefehlt! Balthasar, dieser Chaot, der würde doch wieder alles durcheinander bringen, sich stundenlang breitmachen, den Kühlschrank leeressen und Unsinn anstellen. Mit Fridos guter Laune war es schlagartig vorbei, Appetit auf Frühstück war ihm auch vergangen. Was sollte er nur tun?

Angestrengt grübelnd kaute er auf seiner Unterlippe. Er wollte seinen Cousin auf keinen Fall sehen, geschweige denn in seine Höhle einladen. Abhauen, einfach verschwinden - das war die Lösung. Aber wohin? Ach, er könnte doch mal eine kleine Wanderung über die Felder machen. Seinen Freund Enno hatte er ewig nicht besucht. Enno lebte als Feldmaus ziemlich weit von ihm entfernt in einer gemütlichen Höhle, direkt neben dem Feldweg.

Superidee!! Schnell packte Frido seinen Rucksack mit dem nötigsten – ein Müsliriegel und 1 Flasche Beerensaft – löschte das Licht und krabbelte nach oben zum Ausgang. Vorsichtig lugte er durch die Öffnung, ob die Luft rein war. Man konnte ja nie wissen, ob der dumme Köter da draußen irgendwo nutzlos herumlungerte. Die Sonne schien warm auf die Steine, die Vögel zwitscherten, ansonsten alles ruhig. Kein Mensch und kein Hund zu sehen. Toll, er konnte los.

Als er sich gerade durch den Eingang nach draußen quetschte, tauchte plötzlich an der Hausecke ein Mensch auf. Huch, wer war das denn? Zum Haus gehörte der aber nicht, er trug gelbe Kleidung und schleppte ein Riesenpaket in Richtung Gartenschuppen. Ach, der Postbote wahrscheinlich! Jetzt hatte er den Schuppen erreicht, öffnete die Tür und ließ das Paket mit einem Plumps auf den Holzboden fallen.

Plötzlich hatte Frido einen Geistesblitz! Warum so weit latschen, war eh zu warm und er hatte eigentlich gar keinen Bock darauf. Er würde sich einen netten Tag im Schuppen machen. Jo, das war es doch. Nun aber schnell – Frido huschelte schnell durch das hohe Gras und schlüpfte im letzten Augenblick durch die Schuppentür, bevor der Postbote sie wieder schloss. Geschafft! - er war in Sicherheit, hier würde ihn sein doofer Cousin nie finden.

Neugierig schaute Frido sich um – was hier alles lagerte: Gartengeräte, Fahrräder, Blumentöpfe, gefährlich blinkende Messer und Scheren und – tatsächlich! – eine Mausefalle. Das war ja wohl unerhört! Vorsichtig wieselte Frido um das gefährlich schwarze Teil herum. Wo konnte er es sich denn mal gemütlich machen? Ah, da vorne an der Tür entdeckte er ein Vogelhaus, das hatte im Winter auf der Terrasse gestanden, er konnte sich gut daran erinnern. Ab und zu hatte er sich dort heimlich an den leckeren Sonnenblumenkernen, Nüssen und Kernen bedient.

Er krabbelte schnell hinein und – welch‘ ein Glück! – hier lagen doch tatsächlich noch ein paar Reste vom Vogelfutter. Frido biss in einen Sonnenblumenkern – hm, etwas muffig, aber ging noch. Lecker, endlich Frühstück, sein Magen knurrte schon laut und vernehmlich. Nachdem er das letzte Krümelchen vertilgt hatte, machte er ein Bäuerchen und streckte sich behaglich in einer Ecke des Hauses aus. Gar nicht so schlecht hier, es war warm und gemütlich, das Holz des Vogelhauses duftete angenehm. Aber was das Wichtigste war: kein Balthi in Sicht, der ihn stören konnte. Hier würde er ihn niemals finden.

Langsam wurden Fridos Augen schwer, er gähnte herzhaft, streckte sich und schlief zügig ein. Er träumte von Sonnenwiesen, Urlaub mit seiner Freundin Frida und allerlei anderes Zeug, was Mäuse eben so träumen.

Irgendwann schreckte er aus dem Schlaf hoch und blickte sich verwirrt um. Ach ja, er war im Schuppen, richtig, auf der Flucht vor Balthi. Wie spät mochte es wohl sein? Im Schuppen war es mittlerweile dämmrig und wesentlich kühler. Er musste Stunden geschlafen haben. Mist, er hatte sein Handy vergessen, sonst wüsste er jetzt wenigstens, wie spät es ist. Eigentlich konnte er jetzt auch nach Hause zurück, Balthasar war bestimmt schon lange auf dem Rückweg.

Frido packte seinen Rucksack und wanderte zur Tür und – die war ja geschlossen! Daran hatte er heute Morgen gar nicht gedacht, wie kam er denn nur hier wieder raus? Wie dumm konnte man nur sein, schimpfte Frido halblaut vor sich hin! Hatte er seinen Verstand denn vollkommen ausgeschaltet, vor lauter Panik und der Vorstellung, dass Balthasar ihn nerven wollte. Er sehnte sich nach seiner warmen, gemütlichen Höhle und Hunger hatte er auch schon wieder.

Verzweifelt irrte Fridolin durch das Gartenhaus, auf der Suche nach einer kleinen Öffnung, durch die er entwischen könnte. Aber solange er auch suchte, es war alles rappeldicht! Fridos Verzweiflung wuchs mit jeder Sekunde und er fühlte schon einen dicken Kloß im Hals. Langsam füllten sich seine Augen mit Tränen, er schniefte laut durch die Nase. Hier würde er also elendig verhungern, gefangen zwischen Gartengeräten und altem Plunder. Was für ein Schicksal!

Quatsch, Frido wischte sich die Tränen ab: „Reiss Dich zusammen, Frido, „sagte er halblaut zu sich selber. „Ein stolzer Mäuserich heult nicht und außerdem gibt es immer eine Lösung!!“

Er hatte diese Mutmachformel kaum zu Ende gedacht, als sich die Schuppentür öffnete. Blitzschnell duckte sich Frido hinter das Vogelhaus. Ein Mensch stand in der Tür und bückte sich nach dem Riesenpaket, das dort ja noch immer lag.

Das war die Chance, Frido packte seinen Rucksack fester und flitzte blitzschnell durch die Tür bevor sie zugemacht wurde! Geschafft! Eine riesengroße Erleichterung überkam ihn, glücklich rannte er auf die Terrasse in Richtung seines Höhleneingangs. Aber halt, was war das? Frido bremste seinen Lauf erschrocken ab. Im Halbdunkel konnte er vor seiner Tür eine Gestalt erkennen, die jetzt eine Taschenlampe anknipste und ihm direkt ins Gesicht leuchtete.

Wie erstarrt blieb Frido im Lichtkegel stehen und blinzelte irritiert in die Helligkeit. Ängstlich fing er an zu zittern, als plötzlich eine ihm wohlbekannte Stimme losdröhnte: „Da biste ja, Du alter Sack! Wo hast Du Dich denn rumgetrieben? Warte schon den ganzen Tag auf Dich. Man habe ich Kohldampf, Bier wäre auch nicht schlecht, bin schon ganz ausgetrocknet. Übrigens, kann ich bei Dir pennen? Rückfahrt im Dunkeln ist uncool! Nun steh‘ da nicht so rum wie ausgestopft, sag mal was, komm in die Pötte! Was is nun?“

Fridolin erwachte aus seiner Erstarrung und gab sich einen Ruck. „ Hallo Balthi, schön Dich zu sehen. Tut mir wirklich leid, bin aufgehalten worden. Komm doch rein! Klar, kannst Du bei mir schlafen! Zu essen ist bestimmt auch noch da,“ brachte Fridolin mit knirschenden Zähnen heraus.

Na, das mit seiner Flucht hatte ja bestens geklappt! Jetzt hatte er seinen Cousin doch noch auf dem Hals! Aber als er auf Balthasars strahlendes Gesicht schaute, war er eigentlich schon wieder versöhnt. So schlimm war er ja nun auch nicht. Nach einer herzhaften Umarmung verschwanden die beiden in der Höhle.

Wie dieser Abend nun verlief und ob Balthi wieder nur Unsinn verzapft hat, davon erzähle ich Euch ein anderes Mal.

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