Norman Dunfield

Die letzten 42 Tage der Menschheit

Es ist ein kühler Novembermorgen. Die Luft ist klar und die Sonne
zeigt ihre Rundungen in schrägem Einfallswinkel am blauen Himmel.
Das Leben in den Straßen und Gassen ist bereits erwacht. Alles
nimmt seinen ganz alltäglichen Lauf. Doch plötzlich verändert sich
schlagartig das Tageslicht. Alle schauen zum Himmel. Manche
glauben, den Beginn einer Sonnenfinsternis zu erkennen. Niemand
weiß jedoch, warum diese Veränderung so unvermittelt schnell
erfolgte. Der Optiker von der anderen Straßenseite kommt aus
seinem Laden und verteilt geschwärzte Brillen an die Passanten.
Jedoch auch dadurch kann man nichts Eindeutiges erkennen.
Jedoch steht fest: Irgend etwas muss auf der Sonne passiert sein.

Da es sich offenbar nicht nur um eine regional abgegrenzte Erscheinung
handelt, werden weltweit sämtliche Himmelswissenschaftler durch diesen
ominösen Vorgang aufgeschreckt. Die Neugier jedes Einzelnen wartet auf
eine Erklärung.

Sehr bald ist klar, dass es sich um eine unausweichliche Katastrophe
handelt. Durch eine Hypereruption auf der Sonne wurden etwa 10 % von
deren Masse abgesprengt und ins All geschleudert. Laut ersten Berechnungen
rast dieser Glutball mit einer Geschwindigkeit von ca. 150.000 KMh direkt auf
die Erdumlaufbahn zu und wird diese in 42 Tagen kreuzen, und zwar genau an
der Stelle, an der sich die Erde zu diesem Zeitpunkt befinden wird.
Abwehrpläne gibt es nicht, denn der abgesprengte Teil der Sonne ist etwa
zehnmal so groß, wie die Erde. Unser Planet wird bei dem bevorstehenden
Crash einfach gefressen.

Bereits in 36 Tagen wird das Sonnenfragment die Erde stärker erwärmen,
wie die eigentliche Sonne im Hochsommer. In 38 Tagen wird die Hitze
unerträglich. Die Natur verdorrt, die Wälder brennen, die Ozeane
verdampfen. In 40 Tagen beginnt die Erde zu glühen. Selbst die tiefsten
Rückzugsorte werden keinen Schutz mehr bieten. Restliches Leben wird
binnen Sekunden zu Asche. Den 42. Tag wird daher niemand mehr erleben.

Ab sofort sollte sich niemand mehr Sorgen über Schulden, Forderungen oder
die Einkellerung von Kartoffeln machen. Auch Ausgaben für Weihnachtsgeschenke
kann man sich getrost sparen. Wichtig ist zunächst nur eine Bevorratung mit
Kaltgetränken, zumal man sich um die Leergutrückgabe sicherlich nicht mehr
kümmern muss. Streusalz und Schneeschieber werden in den nächsten Tagen
sicherlich zu ungeahnten Tiefpreisen angeboten, und für Strafgefangene wird
der Ausdruck "In der Zelle schmoren" bald eine völlig neue Bedeutung erlangen.

Was übrig bleibt, ist ein aufregender Tag ohne Zukunftsperspektive. Nutzen wir
also die letzten kühlen Tage, bevor es viel zu warm wird. Allerdings gibt es auch
eine gute Nachricht: Niemand muss mehr in qualvoller Kleinarbeit die Geburtstage
seiner Lieben in den Kalender des nächsten Jahres übertragen.

In 42 Tagen wird der liebe Gott sicherlich froh darüber sein, dass er seinen Fehler
"Schöpfung" endlich korrigieren konnte.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.02.2019. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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