Wilhelm Westerkamp

Nachts am Schreibtisch

Das fahle Licht meiner Tischlampe fiel grell auf meinen exquisiten Schreibtisch – auch wenn um mich herum alles dunkel war – war es ja bereits tief in der Nacht, so tickte aber mein mechanischer Wecker unablässig und
dieses stupide Ticken störte mich, ja, es störte mich sogar sehr, so dass ich ihn mit großer Wucht gegen die Wand meines Zimmers warf und er in tausend Stücke zersprang. Dass nervige Ticken hatte nun also sein Ende gefunden. Dennoch steckte mir diese drastische Aktion in meinem sensiblen Nervenkleid und so verspürte ich eine Art von Wut in mir, die mein bleiches Gesicht ganz rot werden ließ.
Nach kurzer Verschnaufpause fing ich zu schreiben an – aber keine Briefe etc. - sondern ich schrieb wie besessen in mein Tagebuch - sehr schnell und hektisch - so dass ich meine eigene Schrift kaum mehr entziffern konnte - doch dies war nur von sekundärer Natur. Denn ich wollte mir den Frust der vergangenen Jahre von der Leber schreiben und so kam doch einiges zusammen und vieles Emotionales drang an die Oberfläche, das ich beinahe dreißig Seiten handschriftlich verfasst hatte; bis der Kugelschreiber mir plötzlich aus der Hand glitt und er quer über den Block kullerte und dann vom Schreibtisch fiel und auf dem Boden zersplitterte und anschließend toten Stille herrschte.
So auf meinem Bürostuhl sitzend, hinter meinem antiken Schreibtisch, war ich von der vielen Schreiberei doch etwas Müde geworden und starrte bewegungslos ins Leere. Doch pötzlich musste ich meine Brille rasch beiseite legte, weil mir auf einmal die Augen fürchterlich brannten und sie dadurch stark gerötet waren und deshalb unheimlich juckten. So ging ich schnell in mein Badezimmer und beugte mich über das Spülbecken und drehte den Wasserhahn auf und spülte mir die Augen mit klarem Wasser aus, damit das Brennen endlich aufhörte. Dies gelang aber nicht! Sondern es dauerte fast noch eine geschlagene Stunde, ehe ich beschwerdefrei war und meine Brille wieder aufsetzen konnte.
Derweil waren es bereits 3 Uhr früh, als ich bemerkte, das sich eine bleierne Müdigkeit auf meine Augen legte, so dass ich nicht mehr an meinen Schreibtisch zurückkehrte, sondern mich in mein geräumiges Bett legte und vor Erschöpfung auch sehr bald einschlief . Dabei vergaß ich buchstäblich, was sich alles Ungewöhnliche in der Nacht ereignete, was sicher auch besser so war.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.02.2019. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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