Heinz Werner

Respekt? Ja – aber bitte auch vor unserer Sprache


Respekt? Ja – aber bitte auch vor unserer Sprache
(für E-stories - März 2019)

Es ist ja eine bekannte Untugend, immer häufiger und immer unpassender Anglizismen zu verwenden, auch wenn es dafür treffende und präzise deutsche Wörter gibt. Mich stört das. Leider schrecken auch sogenannte Qualitätsmedien nicht davor zurück – schade. Soll das ein Beweis für Modernität oder Weltoffenheit sein, für Urbanität oder gar für Bildung?
Ich spreche hier ausdrücklich nicht von den Fällen, die aufgrund globaler Vernetzung im Wirtschafts- oder Berufsleben Englisch zwingend erfordern oder von Firmen, deren Geschäftspartner im Ausland sitzen und nur in Englisch kommunizieren können. Ja, ich wünsche mir mehr Fremdsprachenkenntnisse in Deutschland und bin sehr dafür, bereits in Grundschulen mit dem Erlernen mindestens einer, wenn nicht mehrerer Sprachen zu beginnen. Auch da, wo durch ein englisches Wort oder einen Begriff kurz und präzise ein Sachverhalt treffend erklärt wird, ist absolut nichts dagegen einzuwenden. Ich bin weit davon entfernt, Anglizismen pauschal zu verdammen.

Peinlich aber wird es, wenn die Frau eines gerade in Ungnade gefallenen Fußballspielers ihre Unterstützung und ihr Mitgefühl in Englisch kundtut oder wenn ein ebenfalls betroffener Kollege seinen Dank für eine ermutigende Nachricht an Kinder oder Fans ebenfalls in Englisch veröffentlicht (...you brightened my day...). Lächerlich wirkt es, wenn dieselben Leute oder andere Sportgrößen oder selbsternannte Möchtegern-Promis uns über ihre Gedanken oder ihre Gefühlslage im Urlaub oder sonst wo informieren. Wen interessiert das und weshalb in Englisch? Fällt uns auf, dass sich keiner mehr entschuldigt, sondern alle nur sorry sind? Müssen wir es hinnehmen, dass auch in Nachrichten oder Zeitungen nur noch von Low-Cost-Carriern, von Check-in Prozessen, von Timing und Meetings, von Highlights, Counter und Feedback gesprochen wird? Muss jeder Laden ein Store sein, gibt es nur noch Boarding Cards oder Backends? Ist es in Ordnung, wenn der Vorstandsvorsitzende einer deutschen Bank seine Hauptversammlungsrede in Englisch hält, obwohl gerade diese Bank immer betont, wie sehr sie in Deutschland verankert ist und wie sehr sie deutsche Tugenden schätzt und ihre Heimatbasis stärken will? Ich weiß, dass die Mehrheit der Aktien von Ausländern gehalten wird – aber es gibt Simultanübersetzungen, und ich glaube, eine Hauptversammlung einer urdeutschen Institution in Deutschland kann durchaus in Deutsch abgewickelt werden. Übel kann einem werden, wenn auf Veranstaltungen oder bei Einladungen Anglizismen oder englische Halbsätze nur so durch den Raum schwirren:You know what I mean, it was easy, it really turned me on, how good to meet you, let`s go to the briefing … etc. etc.
Was wollen die Leute damit beweisen? Wie weltoffen sie sind, wie weitgereist und kosmopolitisch, wie cool? Kommt ihnen wenigstens ab und zu mal in den Sinn, wie abgehoben und überheblich sie sind, wie billig und töricht, wie absolut lächerlich sie sich machen? Vor allem dann, wenn ihr Englisch – was oft der Fall ist – sehr mäßig und rudimentär ist. Was soll man davon halten, wenn eine österreichische Reporterin in Deutschland ein deutsches Tennismatch kommentiert und das Interview für einen deutschen Sender mit einem deutschen Spieler in Englisch führt? Warum meinen – mehr oder weniger kompetente – Kommentatoren uns mit Anglizismen beeindrucken zu müssen, die nur wenige hier verstehen. Da wimmelt es nur so von.“..seine pace stimmte nicht, am Anfang war er (oder sie) overpaced, das target wurde aus den Augen verloren oder man solle sich den Lauf nochmals downloaden“. Warum wird selbst in Kleinstädten, die nicht unbedingt der Nabel von Urbanität, Weltoffenheit oder Modernität sind, in Shopping-Welten (Einkaufswelt wäre auch gut) eingeladen oder Makler bieten Immobilien „For rent“ an und nicht „Zu vermieten“? Unverständlich und einfach gedankenlos! Nicht weniger geistlos und arrogant ist der Gebrauch vieler unnötiger Anglizismen seitens Politiker, Finanzjongleuren (Banker) oder anderer „Spezialisten“. Ich habe den Verdacht, dass damit Wissen und Spezialkenntnisse vorgetäuscht werden, die es nicht gibt und die auch mit einem guten deutschen Wortschatz zu erklären wären. Leider mangelt es oft gerade diesen Herrschaften daran und an der Fähigkeit, die Ausdruckskraft und Vielseitigkeit der deutschen Sprache gekonnt anzuwenden.

Sprache hat auch mit Identität und Kultur zu tun. Vom Philosophen Descartes stammt der Ausspruch „Ich denke, also bin ich“. Damit meint er die Beziehung zwischen Denken, Sprache und Identität. Soweit in einer Sprache gedacht und interagiert wird, soweit wird eine Person durch diese Sprache geprägt. Sprache hat also eine eigene Kultur und spiegelt die Identität ihres Sprechers wider (Nacira Bourega – algerische Germanistin).
Ist es ketzerisch zu fragen: Wie sieht es demnach mit der Kultur, der Identität – besser der Identifikation- vieler unserer Landsleute aus? Heutzutage wir von allen für alles Respekt eingefordert. Wie wäre es, liebe Politiker und selbsternannte Eliten, mit mehr Respekt vor unserer Sprache? Eine Sprache, die noch immer eine der meistgesprochenen in Europa ist,
nach Landessprache und Englisch sogar die meistgesprochene.

Heinz Werner

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.03.2019. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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