Manfred Gries

Zwiebelsuppe und Liebe

Der Hofer lächelte seine Kunden heute fröhlich an, die ältere Dame reichte ihm einen Schilling (damals kannte man diese Währung noch) für den Einkaufswagen und so, für alles Kommende gewappnet, suchte der Koch aus Leidenschaft das Dosenregal auf. “Ich-find-deine-Stimme-schön“ erwartete ihn gegen 13:00 Uhr in der kleinen Gartenanlage, ausgehungert von einem arbeitsreichen Vormittag. Da musste etwas Kräftiges her. Zwiebelsuppe stand auf dem Speiseplan, Zwiebelsuppe mit Brot und Salat. Vorbei an der Gemüseabteilung, Zwiebeln und grünen Salat greifend, richtete sich sein Auge auf die herrlichen Dosensuppen, die, schnell zubereitet, den Gaumen der Unwissenden
erfreuen. Rasch noch ein Baguette erkämpft und dann zur Kasse. Etwas machte ihn unruhig, aber er konnte das Gefühl nicht definieren. So beeilte er sich, denn draußen wartete der Hund. Hunde dürfen nicht in den Hofer.

Das Gartentor öffnend überfiel es ihn siedend heiß: Eine kräftige Rindsbouillon zur Verlängerung des mageren Doseninhaltes fehlte. Aber das war nun nicht mehr zu ändern, der Hund hatte seinen Fressnapf aufgesucht und die Zeit wurde knapp. Bald würde sie erscheinen und dann musste alles bereit sein. Also nichts wie ans Werk. Vielleicht ließ sich alles ja auch mit reinem Leitungswasser zu einer Delikatesse verarbeiten. Öl in den Topf, die Zwiebeln angedünstet, mit Wasser übergossen und dann den herzhaften Geschmack von Dosen-Zwiebelsuppe dazu. Das Anrichten des Salates geschah so nebenbei. Ein zauberhaft gedeckter Tisch, geschnittenes Baguette und zwei Teller luden zur Mahlzeit ein, als “Ich-find-Deine-Stimme-schön“ heimkam. Liebevoll teilte sie ihm mit, wie anstrengend ihr Vormittag gewesen sei und der Glanz auf ihrem müden Antlitz, der sich beim Anblick des köstlichen Mahles einstellte, ließ ihn die Rindsbouillon vergessen.

“Mahlzeit“, sagte sie fröhlich und der erste Löffel Zwiebelsuppe verschwand in ihrem süßen Mund. “Das schmeckt aber köstlich, Kuckuck, wie hast du das nur fertig gebracht?“ Er
schmunzelte: “Ich habe die Zwiebeln selbst geschnitten.“ Bewunderung füllte die kleine Küche und fast hätte der Hund sich an dem Mahl beteiligt, als zwischen einem Salatblatt und einem Stück Baguette die Frage aus ihrem Mund quoll: “Kannst du mir das Rezept verraten?“ Etwas zögernd holte er die Dose aus dem Müllsack, auf der klar lesbar die einzelnen Bestandteile des Menüs beschrieben waren. Gott sei Dank war der Hund noch mit seinem Napf beschäftigt, sonst hätte ihn die Salatschüssel getroffen, die nicht eingeplant in Richtung des Kochs segelte und Dank dessen guter Reaktion im Wohnzimmer ihr Zerschellen vollendete. Eine Mischung aus Wut und Liebe war auf dem Gesicht von “Ich-find-deine-Stimme-schön“ zu lesen. Der Koch öffnete eine Flasche Bier und beobachtete sie beim Aufkehren der Scherben. Natürlich bereitete er den Salat erneut zu. Immerhin hatte es im Haushalt mehrere Schüsseln. Liebe geht durch den Magen und wer einmal geliebt hat, weiß das.

Ich liebe diese herrlichen Spätsommer Tage in Wen. Wenn das Käutzchen ruft und die Spiegeleier in der Pfanne braten. Von diesen Ereignissen gibt es einige zu berichten...Wiener GeschichtenManfred Gries, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.08.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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