Die offizielle Definition lautet: „Diskriminierung bezeichnet eine Benachteiligung oder Herabwürdigung von Gruppen oder einzelnen Personen nach Maßgabe bestimmter Wertvorstellungen oder aufgrund unreflektierter, z.T. auch unbewusster Einstellungen, Vorurteile oder emotionaler Assoziationen.“
Wer dies mindestens zweimal gelesen und dann auch verstanden hat, dem eröffnen sich plötzlich ganz neue Horizonte. Wie spannend könnte das eigene Leben plötzlich sein, wenn man sich ein bisschen diskriminiert fühlen darf. Das macht doch was her. Die Definition „Diskriminierung“ lässt sich in beliebige Richtungen deuten und auslegen, je nach eigener Maßgabe, die Wertvorstellungen ändern sich sowieso fast permanent.
Manuela fühlt sich diskriminiert, weil sie eine Frau ist. Frauen sind nun mal das schwache Geschlecht.
Manfred fühlt sich diskriminiert, weil er ein Mann ist. Männer sind alle Machos und Chauvinisten.
Evi fühlt sich diskriminiert, weil sie eine Nur-Hausfrau ist. Die arbeitet doch nicht wirklich.
Heiner fühlt sich diskriminiert, weil er ein Männer-Model ist. Der hat Sexappeal, aber nix im Hirn.
Hannelore fühlt sich diskriminiert, weil sie jeden Tag badet. Die verschwendet kostbare Wasserreserven.
Holger fühlt sich diskriminiert, weil er Vegetarier ist. Ein richtiger Mann haut sich Fleisch rein.
Michaela fühlt sich diskriminiert, weil sie gertenschlank ist. Sie hat bestimmt Magersucht.
Joachim fühlt sich diskriminiert, weil er Motoradfahrer ist. Das sind doch alles Rocker.
Beate fühlt sich diskriminiert, weil sie Blümchensex mag. Sie ist eben eine verklemmte Tante.
Leon fühlt sich diskriminiert, weil er noch zuhause wohnt. Er ist ein verzogenes Muttersöhnchen.
Ute fühlt sich diskriminiert, weil sie noch nie einen Freund hatte. Die kriegt doch keinen ab.
Martin fühlt sich diskriminiert, weil er Hausmann ist. Er ist ein Weichei und ein Warmduscher.
Ulrike fühlt sich diskriminiert, weil sie Hundebesitzerin ist. Die macht doch nie die Haufen weg.
Wolfgang fühlt sich diskriminiert, weil er Journalist ist. Der lügt doch wie gedruckt.
Luise fühlt sich diskriminiert, weil sie Briefe schreibt. Die ist doch hinter der Zeit zurückgeblieben.
Rainer fühlt sich diskriminiert, weil er in einem Kindergarten arbeitet. Der ist doch kein richtiger Mann.
Clara fühlt sich diskriminiert, weil sie Nudistin ist. Die hat doch kein Schamgefühl.
Ludger fühlt sich diskriminiert, weil er gerne strickt. Der ist doch bestimmt schwul
Gabriele fühlt sich diskriminiert, weil sie Psychotherapeutin ist. Die braucht doch selbst einen Therapeuten
Ach, es ist doch schön, wenn man sich wenigstens ein bisschen diskriminiert fühlen darf. Man hat plötzlich einen ganz anderen Status in der Familie, im Freundeskreis und bei Bekannten. Die Menschen hören zu, zeigen sich emotional betroffen, regen weltanschauliche Problemdebatten an, wollen sogar für ein „ADP“ (Anti-Diskriminierungsprogramm) demonstrieren. Wer sich wenigstens ein bisschen diskriminiert fühlen darf, dem wird Mitgefühl zuteil, echte Anteilnahme sogar. Und vor allen Dingen Lob. Er hat sich als diskriminiert geoutet, dazu gehört ein bewundernswerter Mut. Er geht „offensiv“ damit um, ein Beweis menschlicher Größe. So eine Diskriminierung kann auch ihre Vorteile haben. Ach, wie ist das schön!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.03.2019.
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