Frau Seltenfröhlich und Herr Mürrisch verbrachten ihre letzten Lebensjahre im Altenheim „Kunterbunt“. Sie wohnten beide im 4. Obergeschoss und konnten sich gegenseitig nicht ausstehen. Eine Tages passierte es: Herr Mürrisch wollte die Frühlingsluft genießen und Frau Seltenfröhlich, die vom Wochenmarkt kam, betrat das Altenheim, als der gnädige Herr es verlassen wollte. Frau Seltenfröhlich sagte: „Guten Morgen, Herr Mürrisch!“ Doch dieser erwiderte: „Wenn ich sie sehe, ist das kein guter Morgen!“ Und Frau Seltenfröhlich antwortete: „Ja, es weht ein eisiger Wind!“ Danach trennten sich ihre Wege.
Herr Mürrisch dachte auf seinem Spaziergang: Immer wenn ich aus meinem Zimmer auf den Flur gehe, schaue ich, ob mir diese „Nervensäge“ nicht über den Weg läuft. Ausgerechnet am Hausausgang muss ich ihr begegnen. Damit dies nicht wieder vorkommt, werde ich mit meinem Spaziergang zukünftig zehn Minuten später beginnen.
Und Frau Seltenfröhlich gingen folgende Gedanken durch den Kopf, als sie mit dem Fahrstuhl in das 4. Obergeschoss fuhr: Dass ich diesem „Saukerl“ ausgerechnet am Hauseingang begegnen muss. Ich bin ja so vorsichtig, wenn ich mein Zimmer verlasse, damit ich ihm nicht begegne. Ich werde zukünftig 10 Minuten später vom Wochenmarkt ins Altenheim kommen, damit er mir nicht wieder über den Weg läuft.
Da Frau Seltenfröhlich und Herr Mürrisch denselben Entschluss fassten, konnte es nicht ausbleiben, dass sie sich ein paar Tage später am Hauseingang begegneten. Frau Seltenfröhlich kam gerade ins Altenheim herein, als Herr Mürrisch aus dem Fahrstuhl trat. Frau Seltenfröhlich sagte: „Guten Morgen, Herr Mürrisch, heute auch 10 Minuten später!“ Herr Mürrisch antwortete: „Wenn ich das gewusst hätte! Warum hab‘ ich so etwas verdient?“ Sie erwiderte: „Die Sonne scheint, Herr Mürrisch. Deshalb machen sie nicht so ein grimmiges Gesicht.“ Darauf kam von ihm die Antwort: „Wenn ich sie sehe, geht die Sonne nicht auf, sondern unter!“ Sie entgegnete: „Deshalb wundere ich mich, sie zu treffen, denn sie gehen doch schlafen, wenn die Sonne untergeht.“ Danach gingen sie ihre eigenen Wege.
Heimbewohner/innen, die ins Altenheim zogen, durften ihre Haustiere mitbringen, wenn sie in ihrem Zimmer gehalten werden konnten. Ein Landwirt, der in das Altenheim ziehen wollte, hatte dies missverstanden und wollte sein Pferd mitbringen. „Es dürfe doch kein Problem sein, Heu und Hafer für einen braven Gaul zu bekommen. Außerdem wolle er nicht auf seinen morgendlichen Ausritt verzichten“ erklärte er der Heimleitung, die eine Aufnahme ablehnte. Eine Heiminsassin durfte ihren Papagei mitnehmen und in ihrem Zimmer halten. Doch die Dame hatte verschwiegen, dass dieser Vogel eine besondere Eigenart hatte. Er rief laut: „Feuer! Es brennt, es brennt!“, dass es mehrere Heimbewohner/innen hören konnten, auch wenn die Zimmertür geschlossen war. Als mehrmals die Feuerwehr mit mehreren Löschfahrzeugen ausgerückt war, um den Brand im Altenheim zu löschen, es sich aber jedesmal herausstellte, dass es falscher Alarm war, musste die betagte Dame ihren Sprechvogel woanders unterbringen.
Auch Frau Seltenfröhlich und Herr Mürrisch hatten ihre Haustiere ins Altenheim mitgebracht. Bei ihr war es eine Katze und beim ihm ein weißer Spitz. Frau Seltenfröhlich hatte Frau Gabriele Blees, die an der Rezeption, die sich am Eingang des Altenheimes befand, tätig war, zwei Tage zuvor von ihrer
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Katze erzählt. Dabei hatte Frau Blees ihr auch die neue Praktikantin vorgestellt, die den Vornamen Lilli hatte. Frau Seltenfröhlich dachte nun: Ich werde jetzt morgens nicht mehr zum Einkaufen in die Stadt gehen, sondern dies nachmittags tun, damit ich diesem „Griesgram“ nicht nochmals begegne. Ich werde der Frau Blees meine Katze zeigen. Dabei werde ich auch die neue Praktikantin näher kennenlernen, die sehr nett, aber noch ein wenig scheu ist.
Und Herr Mürrisch dachte: Ich werde jetzt nicht mehr morgens meine Spaziergänge machen, sondern dies nachmittags tun, damit ich dieser „Kratzbürste“ nicht wieder begegne. Ich werde meinem Spitz das Altenheim zeigen, damit er den Weg findet, wie er in mein Zimmer kommt, wenn er mir einmal entlaufen ist.
Frau Seltenfröhlich ging eines Tages morgens an die Rezeption zu Frau Blees und zeigte ihr und der neuen Praktikantin, die, wie sich herausstellte, mit Nachnamen Grimm hieß, ihre Katze und Frau Blees sagte: „Ja, Frau Seltenfröhlich, das ist wirklich eine liebe Katze!“ Die neue Praktikantin sprach: „Wie sie so lieb schaut und so zutraulich ist!“ Doch dann ging plötzlich die Fahrstuhltüre auf und Herr Mürrisch trat mit seinem Hund heraus. Er hatte gerade einen Schritt aus diesem getan, als der Hund plötzlich laut zu knurren anfing und sich von der Leine losreißen wollte. Die Katze von Frau Seltenfröhlich fauchte heftig und diese konnte sie kaum halten. Herr Mürrisch konnte seinen Hund nur mit großer Mühe festhalten und wäre fast hingefallen. Doch dann sagte er, als er Frau Seltenfröhlich sah: „Hätte ich mir gleich denken können, dass sie dastehen, als mein Hund wild wurde. Sie sind für ihn genauso ein rotes Tuch, wie sie eines für mich sind!“ Frau Seltenfröhlich erwiderte: „In Spanien werden rote Tücher bei Stierkämpfen verwendet, um den Stier zu reizen. Genauso hat ihr Hund reagiert.“ Herr Mürrisch sagte darauf: „Das ist eine Unverschämtheit, Frau Seltenfröhlich! Frau Blees, muss ich mir das gefallen lassen?“
Die junge Praktikantin, die ansonsten sehr schweigsam war, musste laut lachen und sagte dann: „Wenn ihr den Mund halten würdet, wärt ihr ein Herz und eine Seele!“
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.03.2019.
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