Ulrich Gugenhan

Wasily Tereschenko

Wasily Tereschenko, der Bioroboter

 

Die Ähnlichkeit mit Ereignissen in der Vergangenheit sind zufällig

 

© Uli Gugenhan 05.06.2019

 

Oma Tereschenko und ihre Freundinnen waren sehr froh, das Wasily, sich um sie kümmerte. Er war ihr Goldschatz. Auch im ganzen Dorf half Wasily, wo er konnte. Seid dem er zwölf war, lebte er bei seiner Oma. Nun war er fast zwanzig, hatte die Schule hinter sich, und auch eine Lehre als Bäcker. Mit zwanzig, sollte er dann zum Militär. Man wollte ihn nicht weit weg schicken, er musste sich ja um seine Oma kümmern. Er liebte die Natur, und war oft am Fluss angeln. Die Fische teilte er im Dorf auf. Auch wanderte er stundenlang durch die Felder und den Wald. Er hatte ein altes Fahrrad gefunden, mit dem er immer pfeifend durch das Dorf fuhr. Seit kurzem hatte er ein Auge auf Olga geworfen, aber sie war noch zu jung. Nach dem Militär würde er sie heiraten. So war seine Welt in Ordnung. Seine Mutter war gestorben, als er zwölf war. Sein Vater war früher verschwunden und nie mehr aufgetaucht. Er war sehr tierlieb und konnte stundenlang auf der Weide vor dem Esel sitzen und ihn anschauen. Brauchte jemand Hilfe, war Wasily Tereschenko da. So hatte er immer viel zu tun. Langeweile kannte er nicht. Dort kam ein Kalb zur Welt, Wasily war da. Die Hündin bekam Junge, Wasily war dabei. Er war ein stolzer junger Mann, und freute sich auf den Wehrdienst für sein Vaterland. Nun war es Zeit, seine langen dunklen Haare abschneiden zu lassen. Sein Kopf war nun fast kahl und weiß. Er lachte nur. Nach vier Tagen war er auch auf dem Kopf braun gebrannt. Es war bald soweit. Er sollte so nah eingesetzt werden, dass er schnell bei Oma Tereschenko sein konnte. Man hatte mit dem Hauptmann reden können, Oma hatte gespart dafür, damals bei der Musterung. Er sollte in der Kombüse arbeiten , da er ja Bäcker war. Aber noch kam keine Nachricht. Er strich sein Fahrrad blau an, dann konnte er es leichter finden, wenn es im Gras lag. Im Nachbardorf hatte der Schmied ein Auto, er wollte Wasily dann mitnehmen. Aber noch kam der Schmied nicht, um ihn abzuholen. Wasily nahm sich ein Herz und sprach Olga an. Sie wurde rot, Wasily auch, aber da lachte er und Olga auch. Als sie dann, Hand in Hand durch das Feld gingen, erzählter er ihr seinen Plan. Er würde seinen Sold sparen und ihr dann ein kleines Haus bauen, sie heiraten und drei Kinder bekommen. Sie freute sich, und so trafen sie sich jeden Tag. Viele Tage später dachte Wasily Tereschenko, das man ihn vergessen hatte. So vergaß er es sogar, und hatte nur noch Augen für Olga. Sie gingen nun an der Hand und küssten sich zur Begrüßung auf die Stirn. So saßen sie am Fluss, als Oma Tereschenko, mit hochrotem Kopf angelaufen kam. Sie rief von weitem schon, dass sie da seien, sie wollten Wasily Tereschenko holen. Wasily hörte sie nicht, bis seine Oma vor ihm stand. Er war total verliebt in seine Olga. Als er seine Oma sah, war es ihm peinlich, das sie ihn und Olga zusammen sah. Aber dann begriff er, das sein Plan Olga zu heiraten, jetzt beginnen sollte. Er half Olga aufzustehen und rannte zurück ins Dorf. Als er um die Ecke kam, war er verblüfft. Da stand nicht der Schmied. Es waren sechs volle LKW Busse, und hinten drauf alles Jungs, wie Wasily. Ein Soldat sprang aus dem ersten, und fragte Wasily nach seinem Namen. Wasily war glücklich, endlich ging es los. Er nahm Haltung an, und sagte seinen Namen. Der Soldat sah in seine Liste, und tatsächlich, fand er Wasily Tereschenko. Er brüllte Wasily an, er sollte auf den dritten LKW springen, und das schnell. Wasily war unsicher, er hatte keine Kleidung, kein Geld eingesteckt, und Olga und Oma waren auch noch nicht da. Er kletterte schnell auf den dritten LKW, weil die Kolone schon anfuhr. Er konnte Olga und Oma gerade noch sehen, als sie um die Ecke bogen. Olga lief so schnell sie konnte, um ihren Wasily noch einmal zu sehen. Aber sie schaffte es nicht. Der Lkw war sehr voll, es war eng. Zum Glück saß er hinten am Ende des LKW. Es sollte ja nicht lange dauern, dachte Wasily und schaute in die Gesichter der Kumpanen. Sie waren jünger als Wasily und alle waren frohen Mutes. Jetzt würde man Männer aus ihnen machen. Sie hielten nach zwei Stunden an. Aber kein Junge stieg aus oder ein. Es wurden Säcke mit Essen und trinken hinein geworfen. Dann Säcke mit Militärkleidung. Da ging die Fahrt wieder weiter. Da war jetzt was los im LKW. Aber man teilte gerecht, und Wasilys Rock passte perfekt. Die Hose war etwas lang, er krempelte sie einfach nach innen um. Die Stiefel waren auch etwas zu groß, und schon gebraucht gewesen. Egal, Wasily konnte sie ja tauschen, wenn er da wäre.

So fuhren sie den ganzen Tag. An einer Kreuzung mussten sie sich in eine Kolone einreihen. Es fuhren jetzt dreißig Lkw, voll mit jungen Männern. Am nächsten Morgen, bekamen sie wieder zwei Säcke mit Essen rein geworfen. Die LKW waren die ganze Nacht durchgefahren, und es waren nun gut fünfzig LKW in einer Reihe. Wasily und seine Kumpel sangen nun Heimat Lieder, Kinderlieder. Sie waren voller Erwartung und Stolz. Sie waren die neue Generation Soldaten. Sie würden das Vaterland verteidigen und das bis zum bitteren Ende.Langsam tat sein Rücken weh, auch die anderen Jungsoldaten hatten Probleme. Immer kam einer, der seinen Hintern raus hielt, um seine Notdurft zu verrichten. Wasily wurde so von hinten nach vorne und zurück gedrängt. Auch er musste es einmal tun, es war ihm sehr peinlich, da der LKW dahinter, mit drei Soldaten im Führerhaus, zu guckten. Als er wieder musste, ging er in der Nacht. So fuhren sie nun drei Tage und es waren immer mehr LKW. Alle wussten, das der Plan, sie ab zu setzen, nicht mehr funktionierte. Da plötzlich kamen sie zum Stillstand. Sie konnten nichts sehen. Immer wieder fuhren sie an, und hielten. Dann sollten sie aussteigen. Wasily streckte sich, und auch die anderen machten kleine Übungen. Dann sollten sie sich in zweier Reihen aufstellen. Warum der Soldat so brüllte, verstand Wasily nicht. Ein Junge weinte, Wasily sprach ihm Mut zu. Sie gingen los. Hier war echt was los. Viele LKW und Krankenwagen. Unglaublich viele Soldaten, alle sehr jung. Einige aus anderen LKW sprachen ganz anders, als er. Er und sein Nachbar gingen stolz und versuchten im Gleichschritt zu gehen. So gingen sie in ein großes Zelt. Dort, musste man wieder den Namen sagen, und wurde dann in eine andere Reihe gestellt. Wasily wurde da von seinen Kumpeln getrennt. Die jungen Soldaten, mit denen er zusammen stand, konnte er nicht verstehen. Sie sahen aus wie Asiaten. Aber alle hatten eine stolze Haltung. Dann in das nächste Zelt, es wurde immer wärmer. Sie bekamen nun Bleiplatten umgehangen. Auf auf dem Kopf waren dünne Platten an der Mütze. Nun sollten sie sich im Halbkreis aufstellen. Ein Hauptmann stellte sich vor sie. Sie seien die Speerspitze des Landes, die Verteidiger des Vaterlandes und Diener, unerschrocken und mutig. Dann wünschte er uns viel Glück. Dann gingen wir wieder in zweier Reihen weiter. Wasily stöhnte, die Übung war schwierig, da das Blei auf ihn drückte. An dem Gebäude, wo sie ankamen, es war wohl eine Fabrik, kamen junge Soldaten heraus gestolpert und man nahm ihnen das Blei ab. Sie sahen nicht gut aus, und der eine, oder andere wurde direkt in einen Krankenwagen gesteckt, der heulend davon fuhr. Sofort stand ein weiterer Krankenwagen bereit. Dann war Wasily Tereschenko an der Reihe. Er und sein Asiatischer Nebenmann, bekamen nun kleine Geräte, die laut knarrten. Wasily wusste gar nicht, was das sein könnte. Fragend sahen sie sich an. Dann ging es eine Treppe hoch, die Geräte wurden viel lauter. Oben stand ein dicker Soldat, und sagte uns, wir sollten das Dach aufräumen. Einfach alles runter schmeißen, an der einen Seite. Wasily verstand ihn kaum, sein Gerät knarrte nun unheimlich laut. Wir sollten uns beeilen, wir sollten nicht länger als neunzig Sekunden arbeiten, also ganz schnell. Wasily wusste nicht warum, neunzig Sekunden waren für ihn keine Zeit. Dann sagte der dicke Soldat, er würde mit der Stange alle neunzig Sekunden schlagen, wenn wir das hörten, sollten wir wieder hinein kommen. Also gingen die beiden durch die dicke Stahltür, und der dicke Soldat, schloss sie schnell hinter ihnen. Wasily brauchte einen Moment, dann hatte er schon einen schweren Brocken heruntergeworfen. Der dicke Soldat schlug auf das Metall. Wasily hatte es gehört, aber er hatte im Kopf, Vaterland, Ehre, Rum und arbeitete weiter. Er war gut, da hörte er das weitere Schlagen. Der Asiat war schon beim ersten Geräusch gegangen. Da schmiss Wasily noch einen Brocken hinunter und ging zurück zur Stahltür. Diese öffnete sich, und zwei Soldaten kamen heraus, das Geräusch ertönte und Wasily ging die Treppe herunter. Es ging ihm nicht gut. Er schwitzte stark, und hatte Probleme zu gucken. Als er unten ankam, fiel er die letzten Stufen herunter. Man nahm Wasily Tereschenko nun, und legte ihn in einen Krankenwagen. Dieser fuhr sehr schnell mit der Sirene. Wasily Tereschenko dachte nur an Olga, und seine Oma. Dann war alles schwarz für ihn. Wasily wurde wach, als man ihn auf eine Trage legte. Wieder schwarz. Er sah Leute in Plastikanzügen um sich, sie schnitten seine Kleidung auf, und stopften sie in einen Sack, den sie sehr schnell wegbrachten. Da sagte ein Mann zu dem anderen. Sie kommen alle von dem explodiertem Kraftwerk, sie seien die Bioroboter, und dieser war statt neunzig Sekunden, vier Minuten auf dem Dach. Der Mann schüttelte den Kopf. Wasily Tereschenko dachte an seine Olga, sein Häuschen, seine drei Kinder. Ein Junge und zwei Mädchen, so schön wie seine Olga. Dann schwarz. Er schaut auf ein Plastikzelt um sein Bett. Alle haben Plastik an. Dann sah er plötzlich nichts mehr. Schwarz. Er hatte keine Schmerzen, er sah Olga und seine Oma nicht in den Plasikanzügen, die auf ihn guckten und bitterlich weinten. Wasily Tereschenko wäre in einer Woche zwanzig geworden. Sie beerdigten das, was von ihm übrig war auf der Wiese, wo er immer gerne in der Sonne lag und träumte. Oma Tereschenko und Olga brachten weinend frische Blumen an sein Grab.

 

Keiner der Bioroboter überlebte seinen Einsatz. Nach drei Wochen waren alle tot. Auch der dicke Soldat mit der Eisenstange. Die atomare Belastung für diese Bioroboter, wie die eigene Regierungsspitze sie nannte, war sofort tödlich. Es waren dreihundert Wasilys, die für ihr Vaterland gestorben waren. Sie waren geopfert worden.

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