Der mondäne Ort Bad Schöckingsweiler verfügt noch über ein paar Hektare Brachland, das zu überbauen beschlossene Sache der Stadtverwaltung ist. Zunächst soll ein «Haus der Eintracht» errichtet werden, nicht zu pompös, eher gediegen. Es soll ein Hort sämtlicher im Land grassierenden Kulturen werden. Vorträge sollen stattfinden, Diskussionen, Filmvorführungen, Seminare. Räume für Handarbeiten, Basteleien und Tischtennis sollen im Kellergeschoss her- und eingerichtet werden.
Es ist ein strahlendblauer Julimorgen, als honorige Personen zum ersten Spatenstich aufgeboten sind. Es sind der Bürgermeister und Kämmerer in Personalunion Herr Doktor Pirmin Senkelried, die Integrationsbeauftragte Mina Rett, der Trikotagenfabrikant Alois Engschnürler, die Intendantin der Städtischen Komödie und Lehrbeauftragte an der Volkshochschule, Alice Lachnochmal sowie Baurat Fred Schürfenthal.
Jeder bemächtigt sich eines Spatens und wartet geduldig auf den Einsatzbefehl. Letzteren zu erteilen ist der Erste Kameramann des Lokalfernsehens befugt.
Und los geht es. Mit Feuereifer übt sich die kleine Schar im Ausheben einer Grube. Dabei stösst der Baurat auf einen harten Gegenstand. Es ist eine silbern glänzende Glocke, etwa ein Viertelmeter hoch, bei vielleicht zwölf Zentimetern lichter Weite. Aber wo ist der Klöppel, das obligate Teil einer anständigen Glocke? Frau Lachnochmal will eine ähnliche, allerdings beklöppelte Glocke auf einem Ausflugsdampfer gesehen und vorm Anlegen auch gehört haben.
In einem Sofortentscheid möchte Herr Senkelried den Fund dem Kustos des Heimatmuseums vorlegen. So wandelt die Glocke mit Unterstützung eines Büroboten ins Museum. Ein Experte bestimmt den Silbergehalt auf immerhin vierzig Prozent. Die Ansatzstelle eines Klöppels ist zweifellos vorhanden.
Der Stadtrat verfügt mit knapper Mehrheit über einen Baustopp der «Eintracht» und beauftragt die Firma Schaufler & Grabowski mit dem sorgsamen Umpflügen des Geländes solange, bis der Klöppel aufgetaucht ist. Ganz nebenbei - Ungedeckte Kosten des Bauprojekts können auf diese Weise elegant vermieden werden.
Und sie graben noch heute. Das «Haus der Eintracht» wird noch lange auf seine Verwirklichung in Beton und Hartglas warten müssen.
Die polizeiliche Suche nach einem möglichen Klöppelklau ist inzwischen eingestellt worden. Doch könnte folgende unglaubliche aber wahre Ultrakurzgeschichte den Fall in ein neues Licht rücken.
Ausgedruckte Mails diverser Bürger stapeln sich unter dem Senkelried’schen silberglänzenden Briefbeschwerer, nämlich dem Geschenk eines früheren Freundes und politischen Mitstreiters, der sich einst nebenberuflich am Ausschlachten alter Flussdampfer beteiligt hatte und sich vor zehn Jahren in ein Exil fern der Heimat zurückzog.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.07.2019.
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