Claudia Savelsberg

Meine drei Leben

Leben, was ist das? Atmen, existieren, arbeiten? Freude und Leid, Verzweiflung und Hoffnung? Ich - nennen Sie mich einfach Anna - wurde an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit geboren. Mein Tierkreiszeichen steht unter einem bestimmten Aszendenten. Ich werde irgendwann sterben. An einem unbestimmten Ort, zu einer unbestimmten Zeit, in einem unbestimmten Alter. Die Spanne, die zwischen Geburt und Tod liegt, wird gemeinhin als „das Leben“ bezeichnet. Gläubige Menschen bezeichnen die irdische Existenz, so definieren sie „Leben“, als Vorstufe zur eigentlichen Existenz, in der sich ein Menschenleben erfüllt. Vielleicht leben sie damit leichter. Was macht es aus, das Leben zu leben, zu er-leben? Sprichwörtlich hat eine Katze sieben Leben; ich - nennen Sie mich einfach Anna - habe drei. Schizophrene Menschen haben zwei, ich habe drei und damit kann ich (über-)leben. Ich möchte Ihnen Anna I vorstellen: sie kümmert sich um den Haushalt und um den Garten, sie kauft ein, bringt das Auto zur Inspektion, geht mit dem Hund zum Tierarzt, sortiert die Belege für die Steuererklärung, bügelt die Hemden ihres Mannes. Und ganz nebenbei arbeitet sie freiberuflich als Kulturmanagerin. Lernen Sie Anna II kennen: sie liebt die Menschen, den Menschen. Ihren Mann, den sie aus Liebe geheiratet hat und den sie bewundert. Sie liebt ihre Freudinnen, die ihr schon sehr lange sympathisch und zuneigungsvoll verbunden sind. Sie kann zuhören, sie kann sich ausweinen. Sie schreibt liebe Briefe und packt kleine Geschenke. Sie wird mit kleinen gedankenverbundenen Gesten überrascht und muntert mit ihrer humorvollen und warmen Art auf. Sie gibt von Herzen , und sie bekommt von Herzen. Ohne Berechnung, ohne mathematische Formel, ohne Nutzdenken, ohne Vorbehalt. Das, was sie von ihrem Vater gelernt hat - einem anderen Menschen mit Respekt und Liebe zu begegnen -, gibt sie weiter. Damit ist sie glücklich. Versuchen Sie, Anna III zu verstehen: Sie liebt Kunst und Kultur. Sie hört gerne klassische Musik, versinkt in Romanen von epischer Breite, zerträumt sich bei klassischem Ballett. (Einmal die „Schwanenkönigin“ tanzen können mit den großen Pas de Deux der „Weißen Akte“ und den legendären sechsundzwanzig Fouéttes …) Mit diesen Wünschen ist Anna einsam. Nicht mit einer traurigen Einsamkeit, sondern mit einer in sich gekehrten Einsamkeit, geboren aus Sensibilität. Ein Schutzschild der Seele, ein im Inneren leuchtendes blaues Licht, das nur für sie strahlt.

Das Leben ist kein Picknick“, sagte einmal einer von Annas Freunden. Das mag zutreffen. Aber Anna und ich denken, wenn man jeden Tag prophylaktisch einen Picknick-Koffer packt, dann werden positive Momente und Erlebnisse auf die karierte Picknick-Decke eingeladen ... Ein schöner Brief, ein nettes Telefonat, das überraschende Lächeln eines Fremden, die ersten Blätter und Blüten an einem Gartenstrauch; Sonne im Gesicht und Wind in den Haaren, wenn man mit dem Cabrio fährt, der Abendspaziergang mit dem Hund. Ich bin nicht Anna - Anna ist mein alter Ego. Aber wenn ich die drei „Annas“ addiere, dann wird daraus Anne Claudia und als solche führe ich ein glückliches Leben. Was immer Leben auch sein mag ....

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