Steffen Herrmann

Der Putsch. 2. Verhandlungen

Der Ausnahmezustand legte sich wie eine Decke aus Ruhe und Kälte über Deutschland. Es war still geworden, die schrillen Stimmen waren auf fast gespenstige Weise mit einem Mal verschwunden. Auf den Fluren der Behörden wurde viel gemurmelt, die Menschen dachten vieles, doch sie kamen kaum aus der Deckung. Der Wind hatte abrupt gedreht, doch blies er nun beständig?

Die schlechten Nachrichten von der Ostfront rissen nicht ab. Die Russen hatten an mehreren Frontabschnitten kleine, doch brutale Offensiven gestartet. Sie witterten Schwäche auf der Seite des Feindes und wollten keine Zeit verschwenden.

Stauffenberg war nicht beliebt bei den Deutschen. Ein Graf …. kein Mann des Volkes wie Hitler. Der Führer, heimtückisch ermordet und nun ersetzt von einem verkrüppelten Offizier, der nicht mal ein General war. Was für ein Dolchstoss!

 

Tresckow trat in Stauffenbergs Büro, mit einigen Blättern Papier in der Hand.

«Wir haben Antwort von den Westmächten» sagte er.

«Was wollen sie?»

«Das Saarland für die Franzosen und Schleswig-Holstein für die Engländer.»

«Schlewsig-Holstein?» Stauffenberg schien verwundert.

«Ja, so habe ich auch gedacht. Was wollen sie damit? Ist ihnen ihr verdammtes Empire nicht gross genug? Wir haben den Engländer dann direkt vor Hamburg hocken.»

«Reparationen?»

«Ja. Sie wollen Hundert Milliarden Reichsmark, zahlbar innerhalb von fünfzig Jahren. Die Hälfte für die Amis, vierzig für England, zehn für Frankreich.»

Die beiden schwiegen nun, verbissen sich in ihre Gedanken. Stauffenberg stützte sich mit durchgedrücktem Arm auf dem Schreibtisch ab und starrte angestrengt ins Leere.

«Ich denke, wir sollten einwilligen.» sagte er nach einer Weile.

«Ohne Verhandlungen?»

«Wir haben keine Zeit mehr. Wenn weitere drei Wochen so vergehen wie die letzten, bricht uns die Moral der Truppe an der Ostfront zusammen.»

«Das Volk wird es als ein zweites Versailles verstehen.»

«Es ist kein Versailles. Es ist ein zweites Brest-Litowsk. Wir sind im Würgegriff des Zweifrontenkrieges und müssen jede, jede Chance nutzen, um aus dieser aussichtslosen Situation herauszukommen. Der Verlust deutschen Bodens ist bitter, sehr bitter. Doch sehen wir auf die Räume im Osten, die sich uns bieten. Jetzt müssten wir durch ein Nadelöhr, eine Stunde der Schmach und der Niederlage. In einigen Jahren wird es schon wieder ganz anders aussehen. Dann werden wir in einer Position der Stärke sein.»

 

Stauffenberg hatte das Attentat nicht riskiert, um den Krieg zu verlieren. Im Gegenteil. Er war von Haus aus Militär. Sein Denken war militärisch, sein Fühlen, seine Ethik. Er war durchdrungen von der Theorie des gerechten Krieges. Und das war es eben, was ihn bei den Nazis so angewidert hatte. Dieses sinnlose, industrielle Hinschlachten der Zivilbevölkerung, getragen und angefeuert von einer dumpfen Ideologie.

Aber warum sollte er nicht den schwarzen Krieg Hitlers in einen weissen oder zumindest hellgrauen verwandeln, seinen eigenen? Das russische Volk war unterjocht von einem grausamen Diktator, der nicht viel besser, vielleicht sogar schlimmer war als Hitler. Die Deutschen mussten als Befreier kommen und nicht als Zerstörer und Mörder. Dann würden sie das grösste Land der Welt kolonisieren und zwar – da war sich Stauffenberg sicher – besser, als die Engländer es je konnten.

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.10.2019. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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