Hans-Werner Kulinna

Der Esel von Bethlehem

Vor langer Zeit lebte einmal der kleine Esel Pacolo in der Nähe von Bethlehem. Er war noch viel zu schwach, um große Lasten und schwere Säcke zu tragen. Deshalb stand er oft auf dem Hof seines Herrn und guckte den anderen Lasttieren bei der Arbeit zu. "Mach dich nützlich und steh' hier nicht so herum!", schimpfte dann jedes Mal sein Herr und er schubste ihn ärgerlich zur Seite.
Einmal ging der kleine Esel nach draußen ins Feld und sprach zu sich: "Ich würde ja gerne arbeiten, aber die Säcke sind mir noch zu schwer. Bestimmt werde ich eines Tages auch so stark wie meine Schwestern und Brüder sein!", dachte er bei sich. Er trottete eine Weile vor sich hin und er bemerkte in seinen Gedanken nicht, dass es schon langsam dunkel wurde.
Da sah er plötzlich in der Ferne ein Licht. Ein kleines Stallfenster leuchtete in der Dunkelheit der Nacht. Neugierig stieß er die Tür auf, schob seinen Kopf durch den Spalt und sah eine Frau und einen Mann. Vor ihnen lag ein kleines Kind in einer Krippe.. Auch ein großer Ochse hatte es sich hier gemütlich gemacht und das kleine Kind weinte vor Kälte. Sonst war es still. Er hörte nur das leise Weinen des Kindes. Pacolo überlegte.  Langsam spürte er in sich eine große Wärme, die immer höher kroch. "Komm, du kleiner Esel!", sagte da der Mann zu ihm, "komm zu uns, bleibe in dieser Nacht hier, es ist doch bitterkalt draußen."
Da legte sich Pacolo ins Stroh, um ganz nahe bei dem Kind zu sein. Der Ochse knurrte zwar ein wenig, aber Angst hatte der kleine Esel nicht vor diesem großen Tier. Und plötzlich hörte das kleine Kind auf zu weinen und schlief ein. Doch in dieser Nacht konnte der kleine Esel nicht einschlafen. In diesem Augenblick hörte er in der Ferne Menschenstimmen, die immer näher kamen. Da ging die Stalltür auf und Hirten kamen leise herein. Sie hatten Decken und ein kleines Lamm bei sich. Die Hirten knieten nieder und sprachen: "Wir haben draußen auf den Feldern den Engel gesehen. Er hat uns den Weg gezeigt und der Stern ist mitgegangen. Die ganze Nacht sind wir gelaufen. Wir wollen den König der Welt sehen, Gottes Sohn." Da schlug das Kind die Augen auf und Pacolo sah, wie es lächelte. Dann aber begann es wieder zu weinen, weil es im Stall bitterlich kalt war. Die Hirten legten ihre Decken auf die Krippe und setzen das junge Lämmchen ins Stroh. Die Frau und der Mann bedankten sich und ihre Augen strahlten im Glanz des Sterns, der hoch über ihnen leuchtete. Pacolo konnte es nicht glauben. Die Hirten sprachen vom König der Welt. Er war ganz verwirrt. Vornehme Frauen und Männer hatte er erwartet und nun kamen bloß arme Hirten. Als sie gegangen waren, legte er sich ganz nah an die Krippe heran. Er war froh, hier zu sein.

Plötzlich ging die Tür wieder auf und drei vornehme Männer in goldenen Gewändern traten ein. Sie beugten sich nieder und sprachen kein einziges Wort. Jeder legte ein seltsames Geschenk ab. Pacolo konnte nicht erkennen, was es war. Die Männer sahen sehr stolz und reich aus, so ganz anders als die Leute in der Gegend.  "Komisch", dachte Pacolo, "Arme und Reiche kommen zu diesem Kind und jeder beugt sich nieder und gibt Geschenke ab." Er war ganz durcheinander. Der Ochse neben ihm schüttelte seinne großen Kopf und brummte leise in sich hinein. Nach einer Weile wurde es ganz still im Stall. Das Kind lag eingehüllt in der Krippe und auch die Eltern schliefen bald fest. Pacolo konnte kein Auge zumachen. Erst nach Stunden schlief er vor Erschöpfung ein.
Als die Morgensonne ihr erstes Licht zeigte,spürte er etwas Warmes auf seiner Haut. Ehe er sich besann, fühlte er eine Hand, die ihn zog. Er war draußen. Er ging auf die Morgensonne zu, die immer größer wurde. Und neben ihm gingen die beiden Eltern. Er spürte das Kind auf seinem Rücken. Er wusste nicht warum, aber er ging den Weg mit ihnen. "Gut, dass wir dich haben!", hörte er die Frau sagen.


© Hans- Werner Kulinna

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