Bastian Schmitz

Verbindung in der Reserviertheit

Früher war ich davon ausgegangen, die Reserviertheit von Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln sei ein Ausdruck sozialer Verelendung.
Ignoranz und Desinteresse.
Ist ja auch naheliegend. Aber in diesem konkreten Fall ist das nicht richtig. 

Es ist eine zutiefst soziale Verhaltensweise.
Wenn jeder den anderen höflich ignoriert, dann tut er das: weil es jeder macht. Schlichte soziale Anpassung.
Wird er angesprochen und damit aus der Anonymität gehoben, löst sich diese Reserviertheit in der Regel sofort in Offenheit auf. Aber das geschieht eher selten.
Dann möchte man nicht negativ auffallen und kann sich damit unbewusst den anderen, die ebenfalls nicht auffallen wollen, zugehörig fühlen.
Ignoranz wird in diesem Fall paradoxerweise eine soziale Übereinkunft.
Damit scheint dieser gegenseitige Antagonismus auf äußerst latente Art und Weise verbindend zu wirken.

Wie nahezu jeder soziale Mechanismus, der auf und zwischen Menschen wirkt, wird er erst durch Grenzüberschreitung deutlich.
Diese sozialen Regeln und Kräfte scheinen also so unbewusst zu wirken, dass sie erst durch ihre Abwesenheit an Bedeutung gewinnen.

Ein Beispiel:
Schert jemand aus der allgemeinen Reserviertheit aus, z.B. ein Betrunkener, der sich abweichend unangenehm verhält, wird er verächtliche Blicke der anderen ernten.
Er hält sich nicht an das soziale Protokoll. Er stört mit seinem Verhalten andere. Damit ist er asozial. Er wird kollektiv belächelt oder abgelehnt.
Das Subtile wird an dieser Stelle konkret - durch die Grenzüberschreitung des Betrunkenen wird die anonyme Masse der anderen bewusst sozial - dann wird häufig der Kopf geschüttelt oder Blickkontakt mit anderen Fahrgästen gesucht.
Gesucht wird die konkrete Bestätigung einer gemeinsamen Übereinkunft, die auch vorher schon latent im Raum lag.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.11.2019. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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