Tiffany Schie

Mitternachtskuss

Es war dunkel, der Mond war verdeckt und düstere Wolken zogen über meinem Kopf hinweg. Im Wald herrschte eine Kälte, die unter meine Klamotten kroch. Ringsherum hörte man nur ein Rauschen und meine Schritte im Schnee. Irgendwann sollte ich den Waldrand doch erreichen, aber der Weg wurde immer länger und länger.

In diesem Moment wurde mir klar, dass ich alleine war. Das Gefühl der Einsamkeit überwältigte mich und Tränen liefen über meine kühlen Wangen. Am Ende ihres Falls klirrten sie auf den Boden, wie Perlen lagen sie auf dem Pfad hinter mir. Meine Hände in die Tiefen meines Mantels vergraben, ging ich weiter in der Hoffnung bald das Ende dieses Waldes zufinden. >Es ist so kalt. < Die Zähne schon klappernd und die Arme eng an den Körper gepresst, stehe ich endlich am Rande des Waldes. Mein Blick auf die dunklen Kästen vor mir gerichtet. Kein Licht brannte mehr und kein Rauch stieg aus den Schornsteinen. Die Kälte hing immer noch unter meinen Klamotten.

Wie lange war es her, dass ich Jemanden gesehen oder das letzte Mal Wärme gespürt hatte. Ein tiefes Knurren war zu hören. Der dunkle Wald hinter mir schien sich aufzubäumen und ein schauriger Wind fegte über den Schnee. Wieder hörte ich ein Knurren, ohrenbetäubend. Nach langem Warten, regte sich immer noch nichts. Wie verrückt ich mich fühlte. Durch die Angst und durch die Gedanken hatte ich nicht mal gemerkt, dass mein Magen geknurrt hatte. Mich dann selber schimpfend, setzte ich einen Fuß vor den Anderen und näherte mich den hochaufragenden Häusern.

Es schien so weit entfernt. Der Wind trug schreckliche Gerräusche zu mir und zerzauste mein Haar. Das Heulen und Knistern der Umgebung ließ mich schneller werden. Ich zuckte zusammen, als ich das Angelquietschen einer Tür vernahm. Mich selber anspornend eilte ich auf dem Hauptweg Richtung nächster Stadt.

Meine Hoffnung war schon verwelkt, bis ich einzelne Gestalten auf dem Weg erkannte. Sie schaukelten in und her, ich glaubte sogar sie johlten und sangen. Ein Lächeln stahl sich auf meinen Mund. Die Kälte hatte meinen Körper komplett eingenommen und mein Hals kratzte. Die Gestalten waren stehen geblieben. Eine lag am Boden, zog eine Andere zu sich runter und sie wälzten sich im Schnee. Ich kam immer näher und konnte erkennen, dass die Gruppe aus Männern bestand. Einer hatte mich erblickt. Anscheinend war er noch klarer als seine Kollegen, seine Schritte waren präziser und zeugten von einer Zielstrebigkeit.

Er war nur noch wenige Zentimeter von mir weg, dennoch konnte ich den leichten Duft von Sandelholz riechen. Durch die dicke blaue Winterjacke konnte ich breite Schultern und einen kräftigen Körperbau erahnen. Seine Kopf zierte eine dicke Wollmütze, unter ihr lugten schwarze Haarspitzen hervor. Seine Augen hatten ein tiefes Grau. Von diesem Mund könnte ich stundenlang träumen, ein dunkles Rot. Ebenso konnte ich einen leichten Schatten eines Bartes ausmachen. Ich musste ein Schnurren unterdrücken, jedoch entfleuchte mir ein kleiner Seufzer. Wir sagten kein Wort, unsere Blicke verwoben sich. Nur einen Schritt und ich hätte mich an ihn schmiegen können, als hätte er meine Gedanken gelesen, streckte er seinen Arm seitlich weg und bot mir seine Seite an. Wie in Trance schwebte ich zu ihm und kuschelte mich an.

Zusammen gesellten wir uns zu den Anderen. Diese nuschelten vor sich hin und hatten mich nach ein paar Sekunden wieder vergessen. Wir schlenderten bis zur nächsten Stadt. Dort hörte man Gläser klirren, Gesprächsfetzen, Musik und weitere belebende Klänge. Die Wärme die sein Körper ausstrahlte erhitzte meinen und sein Duft hing an mir. Die Tür zu einer Schänke öffnete sich und wir traten hinein. Nach dem uns ein Tisch abgeräumt wurde, saßen alle beisammen und tranken ein Maß nach dem anderen. Die Kälte hatte sich zurückgezogen und hinterließ ein angenehmes Gefühl. Der Alkohol hatte noch nie großen Einfluss auf mich genommen und so saß ich nun neben Ihm, meine Sinne bis zum äußersten gereißt. Seine Augen ruhten auf mir. Wie ein Raubtier, dass seine Beute nicht ohne Aufsicht lässt.

Nach einiger Zeit verließ Einer nach dem Anderen den Tisch. Ich hatte keine Unterkunft und war zu sehr abgelenkt um mir Gedanken für einen Plan zu machen. Seine Lächeln war zum dahinschmelzen. Er war mir so vertraut und stellte fest, dass es wohl auf Gegenseitigkeit beruht. Zärtlich nahm er meine Hand. Ohne es mir bewusst zu werden, führte er mich zur Treppe und in ein Zimmer.

Die Wände waren aus Kalkstein, in der Mitte lag ein riesiger Pelzteppich und an der Wand ein wunderschöner, mit Stuck verzierter, Kamin. Gegenüber ragte ein Himmelbett auf. Cremefarbene Seidengardinen hingen bis zum Pakettboden. Seine Arme legten sich um meine Schultern und drückten mich an seinen Brustkorb. Meine Hände zwischen uns eingeklemmt, spürte ich seinen Atem und jeden Kontakt seines Körpers. Ohne ein Wort, küsste er mich auf die Stirn und verschwand aus dem Zimmer. Alleine stand ich in dem Zimmer, im Kamin prasselte ein Feuer und versprühte Wärme.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.12.2019. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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