Ingo R. Hesse

Begegnung

Seit einem Jahr war Randolph in dieser Sportgruppe für alte Menschen aktiv. Neben der Aufmerksamkeit für seine morschen Knochen und dem Erfühlen von Muskeln, von deren Existenz er bisher keine Notiz genommen hatte, waren seine Gedanken auch immer wieder mal um die Weiblichkeit in dieser illustren Gemeinschaft gekreist.

 

Draußen im wahren Leben musst Du suchen!“ hatten ihm, dem Spätsingle, die empfohlen, die seit Jahren mehr oder weniger gut versorgt, ..oder ihrer eigenen Resignation erlegen waren. „An der Supermarktkasse in den Einkaufswagen schauen, ..kauft sie nur für sich alleine …!“ Ja auch die ganz Klugen hatten ihn nicht verschont. Und die Warner hatten natürlich genau gewusst ..“Im Internet findest Du nur die Verzweifelten, die niemand anderes haben will!“ Je nach Tagesform und kürzlich gemachten Erfahrungen hatte er sich dieser Meinung immer wieder mal angeschlossen.

 

Aber hier, im richtigen echten Leben sah er für sich weitaus weniger Chancen als im Internet. Kein Wunder eigentlich. Einige Millionen gegen 12 bis 24 Leute, von denen etwa die Hälfte Frauen ..und davon die Hälfte mit ihrem eigenen Vermählten erschien.

 

Randolph hatte also schon nach ein paar Wochen das getan, was er am besten konnte. Aufgeben. Das einzig Mögliche, wie ihm schien. Denn von den drei bis fünf wirklich noch recht attraktiven und sympathisch wirkenden Frauen, die sich hier so wie er quälten, war keine an ihm interessiert. Wahrscheinlich sind sie auch vergeben, beruhigte er sich. Und er tröstete sich mit der offensichtlichen Tatsache, dass die Unattraktiven ihm ebenso vehement vom Leib blieben.

 

Aber an einem dieser Ich-tue-etwas-für-mich-Tage war eine (mindestens) Nummer 6 auf der altersgerecht nur bis 8 reichenden Attraktivitäts-Skala aufgetaucht. Sofort hatten Randolph zwei Gedanken beschlichen. Der zweite war, ..sie kommt mir bekannt vor, gewesen.

 

Und dann, als er die dritte Woche in Folge ihren für ihr Alter deutlich zu jung wirkenden Body im Streck-Modus zu Gesicht bekam, fiel ihm fast alles wieder ein. Das Treffen im Park. Der lange Spaziergang. Die Gefühle zwischen Abneigung gegen das was sie sagte und Anziehung zu dem was sie zeigte. Die angstgeschwängerte Fahrt mit ihrem Sportwagen zu Randolphs Behausung. Und dann zwei, im Abstand von einer Woche erfolgten, sehr befriedigende Nächte in seinem Appartement. Donnerwetter!

 

Doch es hatte geknirscht im jungen Glück. Trotz der hormonellen Übereinstimmung. Randolph hatte nämlich damals erst kürzlich eine Beziehung beendet und seinen Nachbarn im Haus nicht gleich die nächste Begleitung präsentieren wollen. Sie aber hatte darauf bestanden, dass er sie jedes Mal an ihrem Wagen abholen und sie dort auch nach dem Frühstück wieder hin begleiten würde.

 

Noch als er damals mit sich gekämpft hatte, sich auf diese Alte-Kavalier-Nummer einzulassen, war im Gespräch deutlich geworden, dass er im Gegenzug in ihrer Wohnung nicht gerne gesehen wäre. OK, ..wenn sie verheiratet gewesen wäre, hätte er das hingenommen. Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, lagen ihm Heimspiele ihm sowieso eher.

 

Aber diese Mischung aus der Unverschämtheit, ihn in seinem Umfeld zum sofortigen Outing zu zwingen, selbst aber in der Nachbarschaft Randolph-frei bleiben zu wollen, hatten in ihm den Mann geweckt. Und so hatte er beendet, was so heiß und schweißnass begonnen hatte.

 

Und nun war sie hier. Zwei Reihen seitlich vor ihm. Und sie reckte beide Arme gen Himmel, so dass .. .

 

Verdammt!

 

Das einzig gute, das Randolph in dieser Situation erkennen konnte war, dass sie ihn offensichtlich nicht wieder erkannte. Was nicht weiter verwunderlich war. Denn immerhin hatte damals noch eine 5 statt einer 6 seine Alterszahl angeführt. Und außerdem war er mit zunehmendem Alter noch attraktiver geworden. Da war er sich sicher.

 

Einigermaßen sicher.

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.12.2019. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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