Norbert Schimmelpfennig

Das Karussell und seine Mitte

Das Karussell hörte nicht auf, sich zu drehen, in dieser kalten Nacht. Sein Zentrum sah aus wie eine Zimtschnecke, und Zimtschnecken wurden haufenweise verkauft von den Ständen ringsum.

Die Kinder lagen schon im Bett, doch genug Erwachsene tummelten sich noch auf dem Weihnachtsmarkt und genossen die bitterkalte Nacht mit allerhand Glühwein.

Der achtzehnjährige Karl Ussel hatte seine Eltern und kleineren Geschwister auch schon heimgeschickt, oder vielmehr waren sie nach 8 Uhr von selbst gegangen. Er aber wollte noch den Weihnachtsmarkt genießen, insbesondere eines dieser Karussells, welche dieselben Buchstaben enthielten wie sein Name, womit er schon seit der Grundschule manchmal aufgezogen wurde.

Langsam wurde die Nacht wirklich bitterkalt, doch Karl ließ es sich nicht nehmen, eine Runde auf dem Karussell mit der zimtschneckenartigen Innenform zu drehen. Und diese Runde wollte und wollte kein Ende nehmen …

Allmählich drehte sich auch in ihm alles. Zumindest die Zimtschnecke, die er kurz zuvor gegessen hatte, wollte nicht wieder hochkommen. Dafür machte er bald richtig große Augen, denn er erblickte jemanden, direkt in der Mitte des Karussells: Ein Mädchen mit langen Haaren in den Farben einer Zimtschnecke, also hauptsächlich blond bis hellbraun, aber es mischten sich auch weiße Strähnen darunter.

Und dieses Mädchen sagte zu ihm:

„Ich heiße Ursel Kasl, also auch mit den Buchstaben in Karussell!“

„Und wo kommst du jetzt her?“, fragte Karl, woraus sie erwiderte:

„Die Winterfee schickt mich ab und zu hierher!“

„Schön, dass sie dich zu mir geschickt hat, warum auch immer!“

„Wenn du meine Haare zu einer Zimtschnecke drehst, schenkt sie dir meine Liebe!“

Karl streckte die Hände zu ihren Haaren aus, da kitzelte sie ihn mit ihren Haaren im Gesicht, und er flog aus dem Karussell hinaus, welches gleich darauf stoppte.

In seiner Mitte war nichts mehr zu sehen. Da hatte er wohl gerade geträumt …

 

Zeit, um heim zu gehen, zumal der Abend auch immer kälter wurde – aber einmal drehte sich Karl noch um zu dem Karussell. Dieses hatte sich gerade wieder in Bewegung gesetzt, da zahlte er nochmal für eine Runde. Bald schon ertönte aus dem Lautsprecher:

„Uuuusssseeeellll – rrrrrrr – aaaaaaa – k“

Dies war das Letzte, woran Karl sich erinnern konnte, als er im Krankenhaus wieder zu sich kam. Um ihn herum standen seine Eltern und seine zwei kleinen Geschwister, die jeweils eine Zimtschnecke naschten. Und für ihn hatten sie eine besonders große mitgebracht!

 

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