Christa Katharina Dallinger

Vom Engerl, das es nicht erwarten konnte, Christkind zu sein

 

Es war einmal, irgendwo, da weit oben, ein kleines pausbäckiges Engerl mit lockigem blondem Haar und flauschigen weißen Flügeln. Immer dann, wenn die Weihnachtszeit nahte, schaute unser Engerl sehnsüchtig hinab auf die Erde.              

Das bunte Treiben, der Duft nach frischem Punsch und Keksen, das fröhliche Stimmengewirr und die großen staunenden Kinderaugen, die mit den vielen Lichtern um die Wette strahlen, die hatten es dem kleinen Engerl angetan.

Unser Engerl wußte, daß nun der Tag nahte, an dem einige von den schon etwas Größeren unter ihnen zur Erde hinabfliegen durften, um kleinen Kindern Wünsche zu erfüllen. Sie zogen dann elegante Glitzerkleider an und schmückten ihre Locken mit goldenen Fäden. 

Ein hell klingendes Glöckchen kündete den Menschenkindern ihr Kommen an. „Das Christkind! Das Christkind kommt!“, tönte es dann bis zu unserem kleinen Engerl herauf. Wie sehr sehnte es sich danach, größer zu sein, und an diesem so besonderen Tag den Menschenkindern, Freude bringen zu dürfen!

Wieder einmal lag das kleine Engerl auf einer Wolke herum und lauschte dem Stimmen- und Melodiengewirr, das nach oben drang. „Wann bin ich endlich groß genug, um ein Christkind sein zu dürfen?“, fragte es nahezu jeden Engel, der vorbeikam.

So sprach es sich im Himmelreich herum, daß es da ein kleines Engerl gab, das es nicht erwarten konnte, Christkind sein zu dürfen.  

„Warum nehmen wir es nicht in eines der Krankenhäuser mit, zu den ganz Kleinen“, schlug einer der weisen, alten Engel im Wunschpostamt vor. 

Gesagt. Getan.

Die Aufregung war unserem Engerl anzusehen. Es glitzerte. Es schimmerte. 

„Hör auf, so herumzuzappeln. Es sind schwer kranke Kinder. Du könntest sie erschrecken“, tadelte eines der anderen, erfahrenen Christkindl unser Engerl.

Und dann war er auch schon da, der große Augenblick. Unser Engerl fand sich vor einem Krankenbett wieder. Große blaue Augen starrten es erwartungsvoll an.

„Das Christkind! Ich hab es mir so gewünscht! Das Christkind ist zu mir gekommen!“ Auf dem blassen Gesicht breitete sich ein seliges Lächeln aus.

Das kleine Mädchen versuchte sich aufzurichten. Seufzend und kraftlos sank es zurück in die Kissen.

„Ich hab auch einmal so schöne blonde Locken gehabt wie du.“ Es folgte eine kleine Pause. 

Dann leise: „Christkind, erzähl, wie ist es da oben? Habt ihr Spaß? Könnt ihr lachen? Hast du Freunde?“ 

Unser Engerl machte es sich gemütlich auf der Bettdecke neben dem zarten, kleinen Mädchen, ganz vorsichtig. Dann begann es zu erzählen und zu erzählen…

„Psst! Leise! Sie ist eingeschlafen. Komm, wir fliegen zurück.

-      Aber ich habe ihr doch noch gar nichts geschenkt“, 

protestierte unser kleines Engerl.   

Da lächelte der große Engel wissend und milde: „Das Erscheinen des Christkinds war ihr Geschenk. Du warst ihr Geschenk. Deine Erzählungen von da oben, das waren Weihnachtsfreude und Weihnachtsfrieden für das kleine, kranke Mädchen.“

Der Engel faßte unser kleines Engerl bei der Hand, und sie flogen davon, zurück in ihre Welt voller Liebe und Frieden.

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