Es sollte ein ganz besonderer Tag werden. Sonntag, der 12. Jänner 2020. Ich hatte exakt Euro 3,48 in der Geldbörse gefunden. Was konnte ich damit wohl machen? Ich entschied mich, bei Netto ganz groß einzukaufen. Ein Hoch auf das Prekariat, Leute!
Nahm 1 x Nudeltopf (Euro 0,85), 1 x Limetten-Limo (Euro 0,39 plus Euro 0,25 Pfand) und 1 x Rosé-Wein im 1,5 l TetraPak, 9,5 %, zusammen exakt Euro 3,48. Zuhause, da war ich ganz mondän, stellte ich auf volle Lautstärke, und legte Apollo Fourfourty auf: Heart go boom. „Sitting on a bench in the sunshine, filling up my belly with some fine wine, all locked up in the afternoon, kiss my baby and my heart go boom. Make my heart go boom-boom. Diddly-bop, diddly-bop, diddly-bop boing...“ Ich sang extrem laut mit, während ich mir die Kochschürze umband.
Erst packte ich 12 Teelöffel schwarzen Pfeffers in den Nudeltopf, schleuderte einige Chili Schoten hinein, musste unbedingt noch scharfen Paprika beimischen, und hatte dann Bock auf den kompletten Topf. Ich fraß wirklich alles auf. Danach musste ich zwangsläufig die Limetten-Limo saufen. Es blieb mir gar nichts anderes übrig. Denn auch Tabasco, längst abgelaufen, hatte noch den Weg in den Nudeltopf gefunden. In nur 4,5 Minuten versenkte ich die gesamte Flasche Limetten-Limo in meinem Magen.
Hernach hörte ich weiter „Diddly-bob, diddly-bop, diddly-bop boing“ (das kann dich so ziemlich fertig machen, Cowboy) und soff den Rosé dazu. Stetig, aber mit wachsend großem Interesse. Kein Larifari. Einfach „hau wech die Scheiße“. 1,5 l gingen mir arg flott in den Bauch („filling up my belly with some fine wine...“) hinab. Die Trunkenheit stellte sich alsbald ein. Ich wankte zur Bettstatt. Singend. Die CD war auf Endlostrack gestellt. Da konnte ja weiter gar nichts mehr schief gehen.
Hernach sank ich in einen tiefen Schlaf, aus dem mich ein Rumoren weckte. Ein gar wunderliches Dröhnen und Blubbern, ein Gluckern und Quackeln. Ich musste, zum eigenen Entsetzen, bemerken: Es kam aus dem eigenen Bauch. Ah, Sehr beharrlich.
Mal klang es so, als würge einer seine Gummiente in der Badewanne, dann wieder so, als würden billige Party Popper vom Discounter in meinem Magen explodieren. Es war ein Soundteppich, der mich echt faszinierte. Feine Explosionen, manch sehr derbe Rakete wurde gezündet, dann wieder nettes Blubbern, hernach ein Getöse, dass einem Angst und Bange werden konnte, und immer wieder ein gluckerndes, heiteres Gackern. Ich war stark beeindruckt von der Vielfalt der Darbietungen. So eine Kakofonie, solch ein Spektakel, hätte ich in meinem Bauch niemals vermutet.
Das Orchester: Auf Disharmonien spezialisiert. Ein 12-Ton-Spektakel der besonders heftigen Art. Free Jazz im Bauch. Wilde Stakkatos in der Endlos-Schleife, hämmernd und tobend, mal schluchzend, dann wieder jaulend. Schlaf findest du da sicher nicht. Ich trank ein wenig Traubensaft. O je.
Das hätte ich nicht machen sollen. Hernach ging das Bauchgetöse erst richtig los. In einer Tour rasselte und schepperte es im Bauch, es klang, als wäre Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig, im Jahr 1813, aber mal so richtig der Hintern versohlt worden. Dröhnen und Aufschluchzen, Ploppen und Schwappen, alles war zu hören, nur nicht mein sehr regelmäßiges Atmen während eines geruhsamen Schlafes. Dazu war der Krach viel zu gewaltig.
Das Getöse war so laut und unangenehm, dass ich keinen Schlaf fand. Ich musste, leicht angewidert, aber auch ein wenig fasziniert, immerfort zuhören. Welch in der einen Art grandiose Vorstellung, welch deprimierend erniedrigendes Spektakel in der anderen Art. Ich lauschte, beschämt und verzückt. Welche Klänge solch ein Bauch doch abzugeben in der Lage war. Unfassbar.
Manchmal greinend wie ein Kleinkind, nun wieder klagend wie ein Greis, jammervoll und der Sorgen schwer, dann wieder jauchzend wie ein Mädchen, tirilierend wie eine Lerche im Kirschbaum, grantelnd wie eine taube Magd. Mich deuchte, der Bauch frug mich gar, welch edlen Mannes Wams ich angelegentlich zu tragen eigentlich pflegte. Mag sein, dass Verwirrung hier aus meinem tumben Hirne sprach. Große Verwirrung.
Grimmen, Zwicken, harsches Röhren, ich vernahm ein hohes Gewimmer, aber auch, bisweilen ein sanftes Plappern, wie von der Ferne her. Über volle 3 Stunden hielt es mich wach, dieses schwatzhafte Bäuchlein. Erst dann konnte ich schlafen, nachdem ich 36 Butterkekse gegessen und einen halben Liter Milch getrunken habe. Erwacht bin ich erst wieder um 13:20 Uhr am nächsten Morgen. Und es ging mir da nicht gut!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.01.2020.
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