Der Brief
Immer, wenn die Tage grau sind, wie der Himmel, der sich über sie wölbt, fühle ich mich, als sei es ein letzter Tag, irgendein letzter Tag, vor einer Abreise, vor einem Abschied, vor irgendetwas. Dann fällt Regen; meist ist es feiner Regen, fast nur Nebel, der sich senkt. Und es sieht so kahl aus da draussen, wenn man am Fenster steht. Ich warte gerne an Fenstern und geniesse das angenehme Gefühl, dass bald etwas geschehen müsse, etwas, auf das zu warten sich lohnt. Schliesslich ist Warten eine sinnvolle Beschäftigung, auch an Regentagen, oder ganz besonders dann.
Es ist auch schon geschehen, dass mich Leute gefragt haben, worauf ich denn immer warte, wenn ich ans Fenster gelehnt vor mich hin starre. „Ich“, gebe ich ihnen zur Antwort, „warte auf den Postboten; er muss mir den Brief bringen. Wisst ihr? – den Brief“. „Welchen Brief?“ fragen sie dann und schauen mich ganz lange an, ganz lange. „Den Brief“, sage ich dann nur, „eben nur den Brief. Wüsste ich, wer ihn mir sendet, und was er enthält, müsste ich denn noch warten?“ Sie lachen dann, sie lachen so viel, immer lachen sie und gehen, dort hinaus in den Regen, der langsam fällt. Grau, undurchdringlicher Nebel, der ist wie eine Mauer, ja gerade so.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.01.2020.
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Über den Tag hinaus
von Hartmut Pollack
Poetische Gedanken über Liebe und Natur
Über den Tag hinaus zu schauen, heißt für mich, neben dem Alltag, dem normalen Alltäglichen hinaus, Zeit zu finden, um das notwendige Leben mit Gefühlen, Träumen, Hoffnungen, Sehnsüchten, Lieben, das mit Lachen und Lächeln zu beobachten und zu beschreiben. Der Mensch braucht nicht nur Brot allein, er kann ohne seine Träume, Gefühle nicht existieren. Er muss aus Freude und aus Leid weinen können, aber auch aus vollem Herzen lachen können. Jeder sollte neben dem Zwang zur Sicherung der Existenz auch das Recht haben auf romantische Momente in seinem Leben.
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