Peter Biastoch

Eine Million Schritte aus dem Schmerz

(2017-08-12)

Anfang Juni machten sich zunehmend Schmerzen in meiner rechten Ferse bemerkbar. Ich schob es darauf, dass ich mir beim Rasen mähen wohl den Fuß verstaucht haben könnte. Doch anstatt nachzulassen und besser zu werden, verschlimmerten sich diese Schmerzen, bis ich schließlich am 29. 06. meinen Hausarzt aufsuchte, weil nichts mehr ging. Er verschrieb mir Einlagen für die Schuhe und eine große Packung dieser Diclofenac.

Das half! Jedenfalls recht bald und so konnte ich nach einigen Tagen wenigstens wieder einigermaßen laufen – wozu ich allerdings noch zwei Krücken gebrauchte, die wir zufällig im Haus hatten. Die rechte Ferse verbesserte sich weiter, doch gleichzeitig machten sich Schmerzen im linken Oberschenkel bemerkbar. Wohl aufgrund der anderen Belastung begann mein linkes Bein zu schmerzen. Jedenfalls hatte ich kaum einen Tag, an dem ich schmerzfrei war. (Und das ist bis zum heutigen Tag [09.10.2017] noch immer der Fall!) Das zehrt an den Nerven! Keine gute Ausgangsbasis, für einen positiven Brief!

Ein weiterer Grund, für meine Schreibpause, war schlicht und einfach, dass ich nichts erlebte, über das sich zu schreiben lohnen würde. Zugegeben, ich könnte auch aus einer Belanglosigkeit eine lange Erzählung machen, aber das würde weder mich, noch Dich begeistern.

So stecken wir also nach wie vor in der Pflege meines Schwiegervaters fest. Diese ständige Erreichbarkeit und dieses laufende „alles stehen und liegen lassen“ um zu ihm zu fahren, hat sich derart in unser Denken eingebrannt, dass wir uns selbst an Tagen, an denen wir eigentlich keine Bereitschaft haben, gelähmt fühlen, etwas anzufangen. Sei es ein Arbeit draußen, oder einfach nur einen Brief am PC…

Auch das zehrt an den Nerven und so müssen wir uns schon langsam in Acht nehmen, was wir zueinander sagen. Zum Beispiel kommen schnell ein paar dieser Stressoren zusammen, wie das mehrfache wegrennen von einer angefangenen Tätigkeit, die wiederholten Versuche, dort wieder anzubinden, wo man unterbrochen wurde. Nur um gleich darauf wieder fortlaufen zu müssen. Dann funktioniert etwas nicht so, wie es soll und man bekommt noch einen Vorwurf, weil man darüber etwas anderes vergessen hat… Da hilft dann nur eines: Auf keinen Fall schnell antworten, sich rechtfertigen, oder gar selbst zum Ankläger zu werden. Sondern – alle Systeme herunterfahren und tief durchatmen, ruhig werden, damit die Lage nicht auch noch eskaliert. Unser Gefühl sagt uns, dass diese Notstopps in immer kürzeren Abständen aufeinander folgen. Es wird also wieder Zeit, eine Auszeit von all dem Stress zu nehmen. Nur wann?

Im vergangenen Herbst hatten wir uns ja schon einmal vorgenommen, spazieren zu gehen und dabei alte Postkartenmotive neu zu fotografieren. Doch das schafften wir gerade zwei Mal. Dann kam immer wieder etwas dazwischen. Einmal war es das Wetter, einmal ein zusätzlicher Pflegeabend und schnell war der Winter und das Frühjahr vorbei und die Sache mit meinem Fuß begann.

Nun hatten wir uns auch dazu entschlossen, einen Carport zu bauen, in dem unser Sohn und ich unsere Autos unterstellen können. Die Erdarbeiten, für die Fundamente übernahm Michael und ich half beim Betonieren mit. Kommenden Dienstag bekommen wir die Einzelteile des Carports dann geliefert und machen uns ans Aufstellen. Zwischen Juli und September stellten wir, ihn erst einmal ohne Seitenteile auf.

 

2017-11-05

            Ich erlitt einen Herzinfarkt. Die diesbezügliche Beschreibung findet man in meinen Kurzgeschichten, unter Cut 1 bis Cut 3 und REHA 1 bis 3

 

2018

Schon seit Jahren habe ich immer wieder Zeiten, in denen mich Rückenschmerzen plagen, die dann in die Leistengegend, oder ins linke Bein ausstrahlten. Nun wurde es vergangenen Mai (2018) aber so schlimm, dass ich meinem Hausarzt wieder einmal davon erzählte. Nun ja, sein „bewährtes“ Rezept, waren Schmerztabletten und Akupunktur. Mit dem Ergebnis, dass sich nichts änderte.

Als nächstes bekam ich Massagen verschrieben. Das stachelte meine Schmerzen nur noch mehr an. Eine daraufhin vom Orthopäden verordnete Physiotherapie, mit verschiedenen Bewegungen, die speziell auf meinen schmerzenden Ischias, ausgelegt waren, brachte mich an den Rand der Bewegungsunfähigkeit!

Nun hatte der Orthopäde nur noch die Option zu bieten, mich erneut zum MRT in die Röhre schieben zu lassen und mich anschließend, mit dem Befund, zu einem Chirurgen zu überweisen. Das lehnte ich erst einmal ab und sagte, dass ich es erst einmal selbst versuchen will, in den Griff zu bekommen. Das war im September 2019.

Anfang Oktober sollte ich erneut eine mit Schmerztabletten unterstützte Reizstrombehandlung von meinem Hausarzt erhalten. In dieser Situation besuchten wir wieder einmal unsere Verwandten im Erzgebirge. Ich hatte ja gerade diese Diclofenac bekommen und nach jenem Wochenende würde das mit dem Reizstrom beginnen. Außerdem wollten wir schauen, ob sich meine Schmerzen verändern würden, wenn ich für diese Tage aus dem Pflegestress heraus bin.

Im nach hinein kann ich nicht sagen, dass diese wenigen Tage ausgereicht hätten, eine spürbare Verbesserung zu bewirken. Lediglich, wenn ich die Kamera in der Hand hielt und mich auf die Motive konzentrierte, die ich festhalten wollte, war der Schmerz unterdrückt, oder irgendwie ausgeschaltet.

Wie nicht anders zu erwarten, brachte mir die anschließende (Reizstrom-) Behandlung wieder nichts. Ich blieb weiterhin ein „Getriebener“, der weder länger sitzen, noch stehen konnte. Als mir mein Hausarzt schließlich Tilidin (ein künstliches Opiat) verschrieb, war bei mir das Maß endgültig voll. In der Apotheke hatte man mich gewarnt, dass ich mit diesem Schmerzmittel vorsichtig sein müsse. Es könnte dazu führen, dass ich nicht Auto fahren kann. Doch, wie sollen wir die Pflege meines Schwiegervaters weiterhin gewährleisten, wenn wir nicht mit dem Auto zu ihm fahren können? Also nutzte ich einen pflegefreien Tag, um die Wirkung dieser Tabletten zu testen. Das war ein totaler Reinfall!

Als ich morgens die erste Tablette nahm, stellte ich noch erfreut fest, dass sie fast augenblicklich Wirkung zeigte und ich keinerlei Nebenwirkungen, wie Schwindelgefühl und dergleichen, verspürte. Doch nach gerademal drei, oder vier Stunden war diese Wirkung verpufft und die Schmerzen kehrten schlimmer, als zuvor, zurück. Am liebsten hätte ich in diesem Moment die nächste Pille eingeworfen. Aber, laut Verordnung meines Hausarztes und den Hinweisen auf dem Beipackzettel, waren pro Tag maximal zwei Tabletten, im Abstand von 12 Stunden vertretbar.

Ich ging ins Internet und ließ Google nach Tilidin suchen. Da erschien bereits bei den ersten fünf Ergebnissen die Adresse einer Suchtklinik! Damit war diese eine Tablette, die ich morgens genommen hatte, auch meine letzte und einzige! Anfang Oktober war damit für mich der Moment gekommen, an dem ich ernsthaft selbst zu kämpfen begann.

Bis dahin hatte mir nichts geholfen, sondern meine Schmerzen eher noch verstärkt. Schmerztabletten überdeckten diese nur für eine gewisse Zeit und würden mich über kurz oder lang in einen Abhängigkeit führen. Zwischendurch war ich auch einmal dem Vorschlag meiner Frau gefolgt und hatte mich in einem Fitness-Center kundig gemacht. Das war ebenfalls nichts für mich. Denen war lediglich daran gelegen, mich mit einem langfristigen Vertrag zu binden und dabei über 1000 € pro Jahr abzukassieren. Man sah förmlich die „Dollarzeichen“ in ihren Augen!

Allerdings wollte man mir diese Fitnessgeräte mit einem Video schmackhaft machen. Das begann mit der Aussage, dass die Menschen in vergangenen Zeiten täglich ca. 20 km zu Fuß unterwegs gewesen sind und nun fast ausschließlich sitzen, was dazu führt, dass die gesamte und besonders die Rückenmuskulatur verkümmert. Dann schwärmte man von den einzelnen Geräten, die gezielt und natürlich computergesteuert jede dieser Muskelgruppen aufbauen würden…

Ähnliche Gefühle hatte ich übrigens auch, als ich beim googlen auf die Seiten von dem Osteopaten Liebscher-Bracht gestoßen bin. Anfangs sieht das alles so einfach und wirkungsvoll aus. Doch, als ich versuchte derartige Übungen nach zu turnen, sagten mir die extremen Schmerzen, die dadurch angeregt wurden, dass es nicht das Richtige für meine speziellen Probleme sein konnte. Als ich dann noch die, von Liebscher-Bracht angebotenen Hilfsmittel auf jeder, von da an aufgerufenen, Internetseite angepriesen bekam, war für mich klar, dass es auch hier vorrangig ums Geld verdienen ging.

Inzwischen war ich so richtig wütend. Wütend auf die Ärzte, die alles nur schlimmer machten. Wütend auf meinen Körper, der mich tagtäglich quälte und wütend auf die Schmerzmittel. Also nutzte ich meine Wut, indem ich mich auf sie konzentrierte und die Schmerzen versuchte auszublenden. Ich stand morgens auf und stürmte zur Toilette. Kein Stopp nach jeder dritten Stufe mehr. In einem Zug nach oben! Und irgendwie ging das, seltsamerweise.

Als ich also die Schmerzmittel (alle!) abgesetzt hatte, fiel mir dieses Video im Fitness Center wieder ein und ich fragte mich: Warum soll ich über tausend Euro für so ein Fitness-Center ausgeben, wenn ich einfach nur laufen muss? Dass mir Laufen gut tat, merkte ich ja jeden Tag, sobald mich beim Stehen und Sitzen, wieder die Schmerzen überfielen. So begann ich also zu laufen. Morgens, zusammen mit meiner Frau, was mehr ein Spazieren gehen ist.

Dazu fahren wir praktisch jeden Morgen, nach dem Frühstück, aus dem Ort hinaus, zu einem Feldweg (LPG-Straße), wo wir keinen Verkehr ausgesetzt sind. Dort laufen wir gemütlich anderthalb Kilometer (2000 Schritte). Das tat echt gut, half mir allerdings noch nicht viel weiter. Also startete ich nach dem Mittagessen noch einmal, von zu Hause aus und lief, für mich allein, anfangs noch weitere 2 km.

Diese nachmittägliche Strecke erweiterte ich dann von Woche zu Woche, bis ich nun bei 10000 Schritten pro Tag (früh 1,5 km und noch einmal 6 km am Nachmittag) angelangt bin. Die zweite Runde gehe ich allerdings allein und nicht spazieren, sondern so straff wie möglich. (Ich bin dabei wieder bei der Geschwindigkeit, die ich als Zusteller von Zeitungen, Werbung und Post hatte, angelangt.) Auch das anfangs mit der Hilfe meiner Wut.

Ich bin dabei schnell wieder auf meiner Geschwindigkeit, die ich als Zusteller von Zeitungen, Werbung und Post hatte, angelangt. Es dauerte seine Zeit, doch schließlich merkte ich, Ende November, eine gewisse Veränderung meiner Symptomatik. Das gab mir Ansporn, weiter zu machen und so bringe ich praktisch täglich diese Morgenrunde und, wenn möglich, jeden zweiten Tag eine solche längere Strecke in meinem Tagesablauf unter. Inzwischen ist auch meine Wut auf die Ärzte verraucht. Die tun doch nichts!

Jetzt, seit Mitte Januar, kann ich schon wieder ein bis zwei Stunden am Stück, in meinem neu angeschafften ergonomischen PC-Stuhl sitzen und anfangen meine Briefschulden abzuarbeiten!

 

2020-02-20

Mittlerweile verstarb unsere Pflegeperson, was uns eine enorme Last von den Schultern nahm. Auch gibt es mir mehr Gelegenheiten, meine zweite Runde zu gehen. Inzwischen haben sich meine Schmerzen soweit reduziert, dass ich sie nur noch als einen Muskelkater wahrnehme. Damit kann ich leben, werde allerdings weiter meine täglichen Runden drehen, in der Hoffnung, dass ich vielleicht auch diesen Rest noch niederkämpfen kann.

Bisher hat mein Schrittzähler eine Summe von 700 000 Schritten addiert. Mein Rat, an alle, die sich ebenfalls mit Schmerzen des Ischeas herumschlagen: „Wenn Du durch die Hölle gehst, geh weiter!“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.02.2020. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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