Nach einer langen Wanderung steht er müde und erschöpft vor einem Wirtshaus. Voller Vorfreude endlich einen Ort zur Einkehr gefunden zu haben, nähert er sich dem Gasthaus, das er nicht kennt. Er ist vom vielen Wandern und Herumirren müde. ‚Ausruhen, nur ausruhen‘, denkt er. Beim Öffnen der Eingangstür vernimmt er ein knarrendes Geräusch. Entgegen seiner Vorstellung, gleich Wärme zu spüren, empfängt ihn Eiseskälte. Trotzdem wagt er einen Schritt hinein in die Stube. Er staunt, dass auf den Sitzflächen der Stühle ungeschmückte Tannenkränze abgelegt sind. ‚Was hat das zu bedeuten?‘, fragt er sich. Er schaut um sich. Kann niemanden entdecken, der, seine Frage beantworten könnte, und deshalb bleibt auch seine Frage „ob er hier erwünscht ist“ unbeantwortet. An den Wänden hängen unzählige Uhren, auf deren Zifferblätter unterschiedliche Zeitangaben abzulesen sind. Kein Zeiger bewegt sich. Die Zeit scheint still oder abgelaufen zu sein. Wieder richtet sich sein Blick zu den Ruhemöbeln. ‘Vielleicht ist unter den vielen Stühlen einer frei, den er übersehen hat‘, hofft er und schaut aufmerksam um sich. Er spürt, dass die lange Wanderung, ihn sehr viel Kraft gekostet hat. Er überlegt, von einem Stuhl den Kranz zu entfernen, um sich niederzulassen, zu können. Das Gefühl, Unrechtes zu tun, hält ihn von seinem Vorhaben ab. Er spürt, wie Kälte Besitz von ihm ergreift. Ihm wird bewusst, dass er in diesem Haus nicht erwünscht ist. Von beklemmenden und gleichzeitig befreienden Gefühlen befallen, verlässt er den Ort, ohne sich auch nur einmal umzudrehen. Entkräftet gleichzeitig voller Hoffnung, bald schon eine andere Bleibe zu finden, setzt er seine müden Beine in Bewegung. Nach einem kurvenreichen Weg erblickt er ein hell erleuchtetes Wirtshaus. In der Hoffnung, diesmal willkommen zu sein und einen Ruheplatz zu finden, betritt er frohen Mutes das Gasthaus. Leicht lässt sich die Eingangstür öffnen. Wohlige Wärme empfängt ihn. Fröhliche beieinandersitzende Menschen lassen ihn spüren, dass er ein gern gesehener Gast ist. Dankbar lässt er sich auf einem ihm angebotenen Stuhl nieder. Er teilt den Anwesenden mit, dass er nicht stören möchte, dass er sich nur ausruhen und Kraft für seinen weiteren Weg tanken möchte. Im Gespräch erfährt er, dass alle Gäste auch müde waren und sich nach Rast und Ruhe sehnten und dass sie, wie er, die Absicht haben, ihre Reise fortzusetzen. Er hört, dass alle Personen, die sich in der Gaststube aufhalten, zunächst auch in dem Wirtshaus mit den kranzbelegten Stühlen waren. Wie er, machten sie die Erfahrung, dass mit ihrem Erscheinen niemand gerechnet hat, dass kein Stuhl zum Verweilen zur Verfügung stand und dass sich die Zugangstür nur schwer öffnen ließ.
Wie er verließen sie nach kurzer Zeit den kalten unwirklichen Ort.
Wie er wissen sie, dass eines Tages in diesem Gasthaus ihre Reise enden wird.
*****
Lied Nr.21. „Das Wirtshaus“ aus Schubert´s Winterreise
Auf einen Totenacker
Hat mich mein Weg gebracht;
Allhier will ich einkehren,
Hab ich bei mir gedacht.
Ihr grünen Totenkränze
Könnt wohl die Zeichen sein,
Die müde Wand'rer laden
Ins kühle Wirtshaus ein.
Sind denn in diesem Hause
Die Kammern all' besetzt?
Bin matt zum Niedersinken,
Bin tödlich schwer verletzt.
O unbarmherz'ge Schenke,
Doch weisest du mich ab?
Nun weiter denn, nur weiter,
Mein treuer Wanderstab!
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Schubert für eine persönliche Interpretation zu verwendenManfred Bieschke-Behm, Anmerkung zur Geschichte
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.02.2020.
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