Daniela Rabenstein

Der zweite Engel

Der erste Engel trat vor langer Zeit in mein Leben.

Oh ja, sie erschien mir wie ein zu Fleisch gewordener Engel. Tiefblaue Augen, die in einem sanften Gesicht ruhten und wahrscheinlich Millionen Menschen in den Wahnsinn getrieben hätten, wäre sie sich ihrer Wirkung bewusst gewesen.

Sie hat mich verzaubert, schon im ersten Augenblick unserer Begegnung.

Das Leben hatte es noch nie gut mit mir gemeint. Auch nicht, als es uns zusammenführte.

Ich wusste nicht, was Liebe war; wusste nur, dass ich mich nach ihr verzehrte, wie ich es bisher nach keinem Menschen getan hatte.

Jahre vergingen und ich wuchs heran, erlebte die erste Liebe, die ersten Komplikationen, und mit dem Fortschreiten der Zeit änderte sich meine Betrachtungsweise. Plötzlich war sie nur ein Mensch, nicht mehr und nicht weniger. Und doch spürte ich noch oft danach das Bedürfnis, sie zu berühren, in die Arme zu schließen und zu küssen.

Ich dachte, ich hätte diese Phase meines Lebens hinter mir gelassen. Die Unentschlossenheit und Unsicherheit, die mich beherrschte und meine Seele fast zerbersten ließ.

Doch dann traf ich auf den zweiten Engel. Ebenso berauschend, wie es der erste es war.

Eher zufällig kreuzte sie meinen Weg und nahm mich mit ihrer Erscheinung ein.

Ich war ihr oft vorher begegnet, doch hatte ich sie nie mit diesen Augen wahrgenommen. Zunächst war sie nur ein Mensch; nicht mehr und nicht weniger; aber an dem unglückverheißenden Tag, den sich das Schicksal als Tag der Wendung auserkoren hatte, veränderte sich mein Blickwinkel.

Ich glaubte, ich wäre erwachsen, und dann stehe ich ihr viel zu oft gegenüber und fühle ich mich wie ein Kind – unerfahren, albern, verwirrt.

Und wieder ist es die falsche Wahl, die das Leben für mich getroffen hat.

Am Anfang war es Euphorie, die mich durchströmte. Wieder ein neues Gesicht im Labyrinth meiner Empfindungen. Alte Zwänge waren sofort vergessen. Dann traf mich die Realität mit voller Kraft und ließ ein hilfloses Häufchen Mensch hinter sich, das am Leben und sich selbst zweifelte.

In klaren Momenten meine ich, ich wäre vorbereitet. Ich würde mich vor ihr in acht nehmen; ich sollte mich vor ihr hüten, denn sie könnte mir gefährlich werden.

Doch je mehr ich ihr aus dem Weg zu gehen versuche, desto deutlicher wird, dass das Leben anderes mit mir geplant hat. Wie soll ich dem nur entkommen?

Alles ist vergangen; die Euphorie, die klaren Momente, die guten Vorsätze, die Entschlossenheit. Was zurückbleibt, ist der zweite Engel, der sich in meinen Gedanken festgekettet hat, und der kleine Mensch, zu dem die Unsicherheit und die Zweifel am Schicksal zurückgekehrt sind.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.09.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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